Erbach. Es war ein Fest der Begegnung, des Glaubens und der Gemeinschaft – zugleich ein Abschied von vertrauten Strukturen. Das Pfarrfest der Pfarrgemeinde St. Sophia in Erbach war in diesem Jahr ein besonderes. Bei strahlendem Wetter, entgegen aller Prognosen, versammelten sich am Sonntag zahlreiche Gläubige zum Gottesdienst unter freiem Himmel im „Wäldchen“ hinter der Pfarrkirche.
Pfarrer Harald Poggel begrüßte die Besucher mit offenen Armen: „Das Miteinander, das Zusammensein, das Singen, Beten, Lachen, Essen – all das geht weiter.“ Für ihn ist klar: Kirche lebt durch Gemeinschaft, Nähe und Teilen. Auch wenn sich Strukturen verändern, bleibt der Kern bestehen. „So wie Kirche sein soll. Und das bleibt – auch in neuem Gewand.“
Denn dieses Pfarrfest war das letzte unter dem Namen St. Sophia. Ab Januar 2026 werden die zwölf katholischen Pfarreien im Odenwaldkreis zur neuen Großpfarrei Guter Hirte mit sieben Gemeinden zusammengeführt. Ein historischer Schritt, der Emotionen weckt – zwischen Wehmut und Hoffnung. Das Fest wurde zu einem Ort des Abschieds und zugleich des Neubeginns.
Auch die Besucher brachten ihre Gedanken offen zum Ausdruck. Silke Hänsch sagte: „Erst hatte ich das Gefühl, die Kirche macht mit dem neuen Weg einen Schritt zurück. Jetzt habe ich gemerkt, man kann neue Leute kennenlernen – und der neue Weg ist bereichernd.“ Giovanni Pecoraro ergänzte: „Ich bin von klein auf sonntags zur Kirche gegangen und war lange Jahre Messdiener. Durch eine größere Pfarrei entsteht mehr Austausch, und ich bekomme neuen Input.“
Die Pfarrei St. Sophia hat eine lange Geschichte: 1497 von der Mutterkirche Michelstadt gelöst, verschwand nach der Reformation 1543 das katholische Leben fast völlig. Erst Ende des 18. Jahrhunderts kehrte es mit französischen Emigranten und Arbeitern zurück. 1836 ermöglichte Fürstin Sophia von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg mit einer großzügigen Spende die Neugründung, die ihren Namen trug.
Mit der Auflösung der Pfarrei St. Sophia am 31. Dezember endet diese Tradition nicht – im Gegenteil: Sie lebt in der neuen Pfarrei Guter Hirte weiter. Die Kirche St. Sophia wird, wie Pfarrer Poggel betont, künftig Pfarrkirche der größeren Gemeinschaft sein und bleibt damit geistliches Zentrum für die Gläubigen.
Ein starkes Zeichen für diesen Übergang setzten zwei besondere Gäste: die Ikone der Schwarzen Madonna des Odenwaldes und eine kleine Skulptur des Heiligen Martin. Beide waren im Dezember 2023 in Hesselbach auf eine symbolische Wallfahrt durch alle Pfarreien des Kreises geschickt worden – und erreichten nun pünktlich zum Pfarrfest ihre letzte Station in Erbach. Am 7. Dezember werden sie in Hesselbach von Bischof Peter Kohlgraf persönlich empfangen – ein Moment, der den Wandel nicht nur markiert, sondern ihn spirituell rahmt und mit der Geschichte der Region verbindet.
Clemens Kolle, wohnhaft in Michelstadt und seit vielen Jahren in St. Sophia verwurzelt, meinte: „Kirchliches Leben macht in großer Gemeinschaft mehr Spaß als in kleiner Runde.“ Für die Zukunft wünscht er sich eine „zielgruppenorientierte Kirchortpastoral.“
Diakon Volkmar Raabe griff in seiner Predigt die Bedeutung der Wallfahrt auf: „Jesus lässt uns nicht allein – nicht im dunklen Tal, nicht in Zeiten der Veränderung. Er geht uns voraus. Und er bleibt an unserer Seite. Immer.“ Maria und Martin – wie die beiden Wallfahrer liebevoll genannt werden – stehen für eine Kirche, die sich bewegt, die teilt, die Nähe sucht. „Wenn wir ehrlich sind: Genau so eine Kirche brauchen wir“, sagte Raabe und sprach damit vielen aus dem Herzen.
Der Gottesdienst lebte vom engagierten Einsatz vieler Gemeindemitglieder: Messdiener, Lektorinnen, Küsterin Ulla Wittula sowie Norbert Kurek an Keyboard und Trompete verliehen der Feier eine festliche Atmosphäre. Im Anschluss lud der Pfarrgemeinderat zum Beisammensein in den Hof zwischen Remise und Palais ein. Dort erwartete die Besucher eine liebevoll vorbereitete Festkulisse mit Getränken, warmen Speisen und einer reichhaltigen Kuchentheke – ein Ort zum Verweilen, zum Gespräch und zum gemeinsamen Lachen.
Auch wenn dieses Pfarrfest das letzte seiner Art war, wurde doch deutlich: Die Gemeinde bleibt lebendig. Neue Strukturen verändern die Form, doch der Geist der Verbundenheit trägt weiter. So blickt Pfarrer Poggel zuversichtlich nach vorn: „Ich hoffe, dass auch im kommenden Jahr in St. Sophia ein Gemeindefest gefeiert wird, das viele Menschen zusammenführt.“