Grundaussagen der EVV-Studie (1945 – 2022):
• 96 % der Täter sind Männer
• 65% Kleriker und 35 % Laien
• 19% Einzeltaten und 81 % Mehrfachtaten
• 61 % dauerten länger als 1 Jahr (überwiegend zwischen 1-2 Jahren)
• 1/3 in der Bischofszeit von Kardinal Volk (1962-1981)
• Schwerpunkt zeitlich 1960-1989
• 61 Strafanzeigen
• Vor 2002 erfolgten Anzeigen durch die Betroffenen oder Zeugen. Nach 2010 wurden die Anzeigen vom Bistum gleich an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet
• Bei 54 % der Beschuldigten wurden die Anschuldigungen von einem Betroffenen; bei 46 % von mehreren Betroffenen gemacht
• 181 Beschuldigte und 401 Betroffene. Die Dunkelziffer ist sicherlich höher, weil viele Betroffene sich nicht offenbart haben.
• Von den 181 Beschuldigten kam es zu 81 Strafanzeigen. Von den 81 Strafanzeigen ergaben sich 27 Strafverfahren. Es wurden 8 Haftstrafen verhängt. Davon 1 Diözesanpriester.
• Bei 30% der Beschuldigten wurde ein kirchenstrafrechtliches Verfahren durchgeführt.
• Betroffene: 59 % männlich; 41 % weiblich
• Altersspanne zwischen 3 – 62 Jahren. Schwerpunkt im Kommunionalter und zwischen 14-15 Jahren.
• Die Hälfte der Betroffenen wurde Opfer einer schweren oder besonders schweren Straftat.
• Nur 22% der Betroffenen melden den sexuellen Missbrauch innerhalb eines Jahres; rund jede vierte Meldung erfolgt erst nach über 30 Jahren. Je schwerer der Tatbestand, desto später erfolgt die Meldung.
• Nur 21% der Betroffenen haben einen Antrag auf monetäre Anerkennung des erlittenen Leids gestellt.
• Tatsituation: Freizeiten, Reisen, Pfarrhaus.
• Große Ähnlichkeit zu Studien anderer Bistümer.
• 40 % der Pfarreien haben sich an der Umfrage nicht beteiligt. Auf Seiten der Caritas war die Beteiligung noch geringer. Das zeugt von einer seltenweisen fehlenden Sensibilisierung für das Thema.
• Versagen der Personalverantwortlichen in 48 Fällen.
• „Die Analyse von Beschuldigten und Betroffenen weist auf Risiko-merkmale bei Betroffenen hin, darunter enge kirchliche Verbindungen, schwierige familiäre Verhältnisse und persönliche Voraussetzungen. Versuche einer Typisierung liefern Erklärungsansätze in der Persönlichkeitsstruktur der Beschuldigten, darunter eine narzisstische Tendenz und ein unreifer Umgang mit Sexualität. Pädophilie ist nur bei einem geringen Teil der Beschuldigten Ursache für die Taten. Die Beziehung zwischen Beschuldigtem und Betroffenen basiert in nahezu allen Fällen auf Macht und Vertrauen in unterschiedlichen Ausprägungen. Die Ausgestaltung der individuellen Beziehung weist eine sehr große Heterogenität auf. Die Beziehung zum Beschuldigten ist oft ein Grund für das Schweigen der Betroffenen. Gefühle von Scham und Schuld können zudem durch spirituelle Verbindungen verstärkt werden. Beschuldigte leugnen in der Regel ihre Taten und geben nur das zu, was ihnen nachgewiesen werden kann.“
• „Der gesellschaftliche Aufbruch Ende der 1960er-Jahre hat sich nur in Teilen der Gesellschaft bemerkbar gemacht. Ein naiv-liberaler Umgang einerseits und weiterhin bestehende restriktive Moralvorstellungen andererseits bilden beide eine Grundlage für sexualisierte Gewalt. Sensibilität für das Thema sexualisierter Missbrauch entwickelt sich nur langsam und fehlt stellenweise bis heute.“
• „Psychologische Erkenntnisse zu Pädophilie und Trauma Folgen wurden entweder lange Zeit ignoriert oder haben sich erst in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt.“
• „Eine Präventionswirkung des Strafrechts wurde dadurch erschwert, dass für viele Betroffene eine Anzeige mit so hohen Belastungen verbunden war, dass sie darauf verzichteten. Mängel im Kirchenrecht sind weniger in der Rechtssetzung, sondern mehr in der Rechtsanwendung zu sehen. Bestehende Normen wurden ignoriert, Sanktionen nicht umgesetzt.“
• „Die Kirche selbst hat ebenfalls auf vielen Ebenen sexuellen Missbrauch begünstigt. Die Priesterausbildung hat der psychosexuellen Reife und persönlichen Eignung lange Zeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Überhöhung des Priesteramts und – auch zölibatsbedingte – Herausforderungen in der priesterlichen Praxis können als Begünstigungsfaktoren gelten. Sündenverständnis, Sexualmoral, der Umgang mit Geheimnissen und mit Macht sind auf theologisch-ekklesiologischer Ebene zu überdenken. Eine mangelhafte Governance in Bezug auf Kontrolle, Verantwortung, Organisation und Führung hat außerdem einen „Beitrag“ geleistet. Die Vermeidung von Ärgernis und Skandal hat von Anfang an Prioritäten verschoben und vor allem für mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber dem Schicksal der Betroffenen gesorgt.“
• „Konsequenzen hat sexueller Missbrauch nicht nur für die Betroffenen. Auch im Betroffenen-Umfeld – insbesondere bei Eltern, Lebenspartnern und Kindern – sowie im institutionellen Umfeld bei Bistums-Mitarbeitern und in Pfarrgemeinden – finden sich „Sekundärbetroffene“, die mit den Geschehnissen belastet sind.“