Pfarrkirche St. Martin

Öffnungszeiten:

zu den Gottesdiensten,

die Muttergotteskapelle ist täglich von 09.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet (im Winter bis 17:00 Uhr).

Mainz Finthen St. Martin (c) Von Ingo Schlösser, Mainz-Finthen - Ingo Schlösser, Mainz-Finthen, CC-by-sa 2.0/de, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=3714181

Geschichte

Die Pfarrkirche in Mainz-Finthen wurde 1852-1854 unter Pfarrer Anton Autsch (1837-1863) erbaut und am 7. September 1854 von Bischof W. E. von Ketteler eingeweiht.

Sie ist ein dreischiffiges Langhaus mit einem überhöhten Mittelschiff und einer flachen Holzdecke. Ihr Mauerwerk besteht aus naturbelassenem hellem Bruchstein. Das 33,5 m lange Mittelschiff ist durch rechteckige Arkaden von den Seitenschiffen getrennt.
Der Kirchenbau lehnt sich asymmetrisch an den 50 m hohen Turm an, dessen unterer Teil der älteste des Bauwerks ist. Unter Pfarrer Joseph Kempf (1887-1913) wurde der Turm erhöht, weil der Neubau einen Teil der Schalllöcher verdeckte und den Läute-Effekt beeinträchtigte. Deshalb liegt das eingefügte "Stockwerk" erheblich über dem Dachfirst des Langhauses und dient jetzt als "Glockenstube".

Das rechte Seitenschiff hat zwei Eingänge: das Südportal und den Eingang zur  Muttergotteskapelle.

Das Südportal - ursprünglich das Hauptportal - wird zu beiden Seiten von je einer Säule mit Würfelkapitell begrenzt, die von Mauerwülsten im Portalbogen fortgesetzt werden. Zwischen Bogenspannung und Türsturz befindet sich ein Tympanon (griech. Trommel), das mit dem Flachrelief eines "umkreisten" Kreuzes ausgestattet ist. Der heute als Hauptportal geltende Westausgang ist eher schmucklos und sollte eigentlich nur ein "Thürchen" werden.
Der Eingang zur "Muttergotteskapelle", wird von zwei Säulen mit Blattkapitellen umrahmt. Über der Bogenspannung ist in einer Mauernische eine Marienstatue aus dem 19. Jahrhundert aufgestellt.

An der südlichen Außenwand des Turmes befindet sich ein Steinkreuz, entstanden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter Pfarrer Jacob Spang (1668-1689). Im 2. Weltkrieg wurde der Corpus von einem Artillerie-Geschoss beschädigt. Pfarrer Sylvester Hainz (1960-1981) ließ den wertvollen Corpus aus rotem Sandstein restaurieren und erneut am Kreuz anbringen.
Auch eine "Krypta" ist vorhanden, weil man das abschüssige Gelände am Ostteil der Kirche nicht mit Sand auffüllen wollte. Deshalb ist diese "Krypta"  auch keine unterirdische Anlage. Sie ist heute Abstell- und Heizungsraum und nur noch von außen zugänglich.

In der Kirche, nahe dem Westeingang, steht der wuchtige Taufstein aus der alten Kirche, der lange Zeit verschollen war, bis man ihn auf einem Hof entdeckt hat, wo er als Brunnentrog verwendet wurde.
Auf einer Seitenfläche ist die Zahl 1492 eingemeißelt, vermutlich das Jahr seiner Entstehung. Er gehört zu den "Löwentaufsteinen", deren Fuß von vier liegenden Löwen gebildet wird, die leider nicht mehr vorhanden sind. Der Taufstein dient heute als Weihwasserbecken.

An der westlichen Rückwand befindet sich eine "Kreuzigungsgruppe". Das Kreuz wird aber nicht - wie gewohnt - von Maria und Johannes "eingerahmt", sondern von den beiden Kirchenpatronen St. Martin und St. Georg. Beide Statuen, um 1700 aus Holz geschnitzt, zierten schon die alte Kirche. Das Kreuz stammt aus Flonheim, der Corpus aus Mittelheim/ Rheingau.
An den Wänden beider Seitenschiffe sind Heiligenfiguren aufgestellt. Die meisten sind nicht eigens für die Pfarrkirche geschaffen, sondern wurden im Laufe der Zeit "zusammengetragen". Die Wichtigsten stellen die hll. Bonifatius, Antonius v. Padua, Johannes der Täufer, Franz v. Assisi, Rochus, Wendelinus, Aloisius und Sebastian dar. Die Figur des hl. Christophorus, an einer Säule angebracht, stammt aus Meran (Tirol).

In der Mitte des linken Seitenschiffes befindet sich der Taufstein, der schon in der alten Kirche benutzt wurde. Den Deckel ziert eine figürliche Darstellung der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes.

An der Stirnseite des linken Seitenschiffes steht der Kreuzaltar aus dem Jahr 1906. Die Reliefs des Altaraufbaus zeigen die "Kreuzauffindung" und die "Kreuz-erhöhung". Das Kreuz, das den Altar überragt, um 1700 entstanden, wurde aus der alten Kirche übernommen.

Im Chorraum der Kirche steht vorne ein neuer "Zelebrationsaltar" aus Natursandstein, zusammen mit einem gleich gestalteten Ambo. Eine Besonderheit ist die Anlage des "Reliquiengrabes", das nicht - wie sonst - in die Altarplatte eingearbeitet ist. Die Reliquien sind auf der Vorderseite des Sockels hinter Glas sichtbar.

In der Apsis steht der Hochaltar aus dem Jahr 1900. Unter dem Altartisch aus rotem Sandstein befinden sich fünf Reliefs aus weißem Courson. Sie haben alle eine Beziehung zur Eucharistie, die im Tabernakel dieses Altares aufbewahrt wird. Auf dem Altaraufbau ist die Hochzeit zu Kana und das Letzte Abendmahl dargestellt. Die Concha in der Apsis des Hauptschiffes ist ausgemalt mit einem Bild, auf dem Christus inmitten von Heiligen thront, die Bezug haben zu Deutschland, zur Diözese Mainz, oder zur Pfarrgemeinde. Auch die Finther Jungfrau Agnes Pfeifer, die 1754 bei der Verteidigung ihrer Unschuld ermordet wurde, ist zu erkennen (Ostereier!). Sie hat keinen Heligenschein.

Auf der rechten Wand im Chorraum befindet sich die "Schutzmantelmadonna", eine 1,10 m hohe spätgotische Plastik aus Lindenholz. Sie kam unter Pfarrer Autsch nach Finthen und ist ein bedeutendes Kunstwerk: Maria trägt das Jesuskind auf dem Arm. Engel halten ihren weiten Mantel ausgebreitet. Viele Menschen aller Stände sind darunter geborgen

Der "Chor" des rechten Seitenschiffes gilt von Anfang an als "Muttergotteskapelle". Sie wurde 2003 umgestaltet und durch ein Gitter vom übrigen Kirchenraum abgetrennt. An der Stirnwand befindet sich der Marienaltar aus dem Jahr 1892. Die Seitenflügel des 1935 umgebauten Altaraufsatzes sind mit geschnitzten Reliefs versehen. Sie zeigen Szenen aus dem Marienleben. Über dem Tabernakel steht eine barocke Marienstatue aus der alten Kirche. In der Muttergotteskapelle befinden sich die Gräber der Jungfrau Agnes Pfeifer und des Pfarrers Joseph Kempf. Durch einen eigenen Eingang ist die "Kapelle" tagsüber jederzeit zugänglich

Erwähnenswert sind auch die zwölf (!) Kreuzwegstationen aus dem Jahr 1965.
Der Gemeindegesang wird von einer Orgel begleitet, die 1853 von B. Dreymann gebaut wurde. Sie ist leider nicht mehr im Original vorhanden. Lediglich einige Register gehen auf Dreymann zurück.

Das Geläut der Kirche besteht aus fünf Glocken:

1. Philippsglocke (gegossen 1895 - 2090 kg),
2. Marienglocke (1895 - 1060 kg),
3. Josefsglocke (1956 - 850 kg)
4. Martinusglocke (1897 - 450 kg)
5. Bernhardsglocke (seit 2004 - 382 kg).

Vieles konnte aus Raumgründen nicht geschrieben werden. Wer neugierig geworden ist, dem wird dringend ein Besuch der Kirche empfohlen.

Walter Kost

Text aus „Mainzer Kirchenführer“
erschienen im Leinpfad-Verlag, Leinpfad 5, 55218 Ingelheim