Schmuckband Kreuzgang

Stellungnahme des Pfarrgemeinderates zum Pfarrerwechsel

Brief des Pfarrgemeinderates

PGR St. Stephan und St. Ignaz (c) Gemeinsamer PGR St. Stephan / St. Ignaz
PGR St. Stephan und St. Ignaz
Datum:
Do. 19. Dez. 2019
Von:
Michaela Dulisch

Die Mitteilung, dass Pfarrer Stefan Schäfer die Gemeinden von St. Stephan und St. Ignaz verlassen wird, ist auf Überraschung, Enttäuschung, teilweise auch Empörung und Unverständnis gestoßen. Das ist auch der Grund, warum sich der Pfarrgemeinderat der beiden Gemeinden mit großer Mehrheit entschieden hat, der Personalabteilung im Bischöflichen Ordinariat ein Schreiben zukommen zu lassen. 

Stellungnahme des Pfarrgemeinderats zum Pfarrerwechsel

 

Sehr geehrter Herr Domkapitular Eberhardt,

die Mitteilung in dem Schreiben, das am ersten Adventssonntag in den Gottesdiensten verlesen wurde, dass Pfarrer Stefan Schäfer die Gemeinden von St. Stephan und St. Ignaz verlassen wird, ist in unseren Gemeinden auf Überraschung, Enttäuschung, teilweise auch Empörung und Unverständnis gestoßen. Das ist auch der Grund, warum sich der Pfarrgemeinderat der beiden Gemeinden in seiner Sitzung am 11.12.2019 mit großer Mehrheit entschieden hat, Ihnen ein Schreiben zukommen zu lassen, in dem wir Ihnen unsere Auffassung, Bewertung und Bedenken mitteilen; 
die Beratung darüber und die Formulierung des Schreibens ist ohne Beteiligung von Pfarrer Schäfer und den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Gemeinden erfolgt.

1. Wir halten die Art des Vorgehens des Bistums bzw. der Personalabteilung des Bischöflichen Ordinariats für falsch.
Von der für jede Gemeinde einschneidenden Maßnahme, einen Pfarrerwechsel herbeizuführen, wurden die Gemeinde und ihre Gremien völlig überrascht. Eine Konsultation hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Vielmehr wurden ohne jede Beteiligung Fakten geschaffen und verkündet. Deutlicher kann man nicht demonstrieren, dass die Gesichtspunkte, Auffassungen und Interessen der betroffenen beiden Gemeinden nicht beachtet werden und Entscheidungen sich allein an den Vorgaben und Belangen des Bistums orientieren. Das ist geradezu exemplarisch für die alte Macht-Kirche, für Strukturen, die auf die Durchsetzung von oben nach unten angelegt sind. Dafür nimmt man einen eklatanten Widerspruch zu an anderer Stelle beschworenen Prinzipien in Kauf. 
Nach dem Dekret über das Laienapostolat sollen Laien "aufs engste mit ihren Priestern vereint in der Pfarrei. .. arbeiten" (Ziffer 10); aber sie sollen hinnehmen, dass das Band zwischen ihnen und ihren Priestern beliebig von anderen Instanzen zerschnitten wird?


Nach der Rahmenordnung für Pfarrgemeinderate, die die Würzburger Synode beschlossen hat, ist es die Aufgabe des Pfarrgemeinderates, "in allen Fragen, die die Pfarrgemeinde betreffen, je nach Sachbereichen und unter Beachtung diözesaner Regelungen beratend oder beschließend mitzuwirken" (Rahmenordnung l.1.); aber in einer so wichtigen Angelegenheit, die die Pfarrgemeinde zweifellos zentral betrifft, wird er übergangen, nicht einmal informiert?

Auch die diözesanen Regelungen enthalten unter Verweis auf das II. Vatikanum die Vorgabe, dass "Laien die Pflicht und das Recht (haben), das Leben in der Gemeinde mitzugestalten" (Statut für die Pfarrgemeinderäte in der Diözese Mainz); wie soll das Leben der Gemeinde mitgestaltet werden, wenn Pfarrerwechsel und -berufung am Pfarrgemeinderat, an den Laien vorbei erfolgen?
Wie soll dieses Vorgehen vor dem Hintergrund des gerade begonnenen synodalen Wegs, in dem es auch um Macht, Partizipation und Gewaltenteilung gehen soll, verstanden werden?
Muss man hier nicht einen geradezu schreienden Gegensatz zu den Bemühungen bzw. dem Versprechen feststellen, Macht zu teilen?
Für uns zeigt sich hier eine Vorgehensweise in der Annahme, dass man dies nach den geltenden Vorschriften "einfach machen" kann, ohne zu begreifen, dass man dies eben nicht mehr "einfach machen" kann.

2. Wir halten den Schritt im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Gemeinden für falsch.
Pfarrer Schäfer hat einen hohen Anteil an der aus unserer Sicht positiven Entwicklung der
Gemeinden. Er steht für den Geist der Offenheit und Aufgeschlossenheit, den wir teilen. Er hat gerade auch Menschen, die mit ihrem Glauben und der Kirche Probleme hatten bzw. in Konflikte geraten waren, neue Zugange eröffnet und Orientierung geboten. Mit seiner Verkündigung des Wortes Gottes hat er auch Menschen erreicht, die zum Glauben ein sehr distanziertes Verhältnis haben oder jeglichem Glauben fernstehen. Er besitzt hohe Glaubwürdigkeit, die der Kirche von heute aus vielen Gründen fehlt. Seine Predigten beeindrucken die Besucherinnen und Besucher unserer Gottesdienste. Neue Gottesdienstformen, die ökumenische Zusammenarbeit sind weitere Markenzeichen seiner seelsorgerlichen Tätigkeit. 
Dieser Weg, den wir für richtig halten, droht unterbrochen, beschädigt oder gar abgebrochen zu werden. Er hat sich auch in besonderer Weise für unsere Kirchengebäude eingesetzt, die aus verschiedenen Grunden wertvoll und wichtig sind, und weitergehende Vorstellungen für deren Gestaltung entwickelt.
Für den Wechsel gibt es aus unserer Sicht keinen sachlichen Grund: Weder befinden sich die Gemeinden in einer Situation, in der sie durch die Berufung eines neuen Pfarrers neue Kraft und Zukunftsaussichten gewinnen müssten, noch fehlt es dem Pfarrer an Ideen und Perspektiven für die Gestaltung des Gemeindelebens oder für die künftige Entwicklung der Gemeinden. Wir befinden uns nicht in einem Zustand, in dem ein Pfarrerwechsel erforderlich oder sinnvoll wäre.
Daher gilt der Satz: Wenn es nicht notwendig ist, einen Wechsel vorzunehmen, ist es notwendig, keinen Wechsel herbeizuführen.

Für unsere beiden Gemeinden ware es vielmehr günstig, wenn der im Zusammenhang mit dem pastoralen Weg bevorstehende Wandel von den Kräften mitgestaltet werden könnte, die bisher bereits vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. Der Meinungsaustausch, den wir in der konstituierenden Sitzung unseres PGR über die gemeinsame Arbeit in der kommenden Legislaturperiode geführt haben, hat deutlich gezeigt, dass eine breite Übereinstimmung und damit eine gute Grundlage dafür besteht.
Falsch ist der Schritt auch deshalb, weil aus den bereits beschriebenen Gründen das
Engagement der Kräfte innerhalb der Gemeinden geschwächt werden bzw. leiden könnte; das ist aber das Gegenteil dessen, worauf es in Zukunft ankommt und was auch im Rahmen des pastoralen Wegs angestrebt werden muss. Überdies verunsichert er die Gemeinden.
Insgesamt sehen wir es nicht als sinnvoll an, an einer Stelle eine Lücke dadurch zu schließen, dass man an einer anderen Stelle, in diesem Fall bei uns, eine Lücke reißt.

3. Wir halten den Zeitpunkt des Pfarrerwechsels für falsch.
Gerade erst hat die Wahl zum Pfarrgemeinderat stattgefunden, und zwar erstmals zu einem gemeinsamen Pfarrgemeinderat fur die beiden Gemeinden St. Ignaz und St. Stephan. Auf diesen Weg haben wir uns auch mit Ermutigung durch Pfarrer Schäfer begeben und in der Erwartung, dass der Prozess des Zusammenwachsens von ihm begleitet und gefördert wird. Denn dafür ist er durch seine Erfahrungen in der Leitung beider Gemeinden besonders geeignet. Dass er uns in dieser Situation genommen wird, empfinden wir als einen schweren und vollig unverständlichen Schlag gegen unsere Bemühungen und Ziele.
Mit der Wahl eines gemeinsamen Pfarrgemeinderats haben wir uns bewusst für eine konstruktive Teilnahme am pastoralen Weg entschieden, an dessen Anfang wir stehen und der für alle Mainzer Gemeinden noch wichtige Änderungen mit sich bringen wird. Auch Pfarrer Schäfer wollte daran mitwirken, sich mit seinen Erfahrungen und Ideen einbringen; auch dafür wäre er aufgrund seiner bisherigen Tatigkeit besonders qualifiziert gewesen.
Nicht unerwähnt möchten wir auch lassen, dass zu den Kontextbedingungen einer PGR-Wahl (und für die Entscheidung, sich zur Wahl zu stellen) gehört, wie die aktuelle Situation einer Gemeinde aussieht, welche Entwicklungen abzusehen sind, wie die zukünftige Arbeit
eingeschätzt wird, welche Chancen man sieht und welche Erwartungen man damit verbindet; 
dazu zählt selbstverständlich auch die Einschätzung des Pfarrers und seines Wirkens, seiner Konzeption und Arbeitsweisen. Viele haben sich in der Erwartung für eine Mitarbeit entschieden, dass die bisherigen Leitlinien weiterverfolgt werden und die Gemeinden von Pfarrer Schäfer geleitet werden. Sie fühlen sich dadurch getäuscht, dass nur wenige Wochen nach der Wahl sein Weggang verfügt wird.

4. Es gibt zu viele Unklarheiten. 
In dem erwähnten Schreiben bleibt offen, was mit der Gemeinde St. Quintin und der Domgemeinde geschieht; die Ausstattung mit hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Aufgabenprofil sowie deren Tätigkeitsschwerpunkte
sind noch nicht bestimmt; das verwundert uns deshalb, weil die Stelle des Pfarrers bereits
ausgeschrieben ist.

5. In verschiedenen Äußerungen hat Pfarrer Schäfer zu einem konstruktiven Umgang mit der entstandenen Situation aufgerufen. 
Dazu sind wir selbstverständlich aile bereit. Wir sind sehr daran interessiert, gemeinsam einen guten Weg in die Zukunft zu finden und dazu unsererseits beizutragen. Allerdings bestehen dafür Voraussetzungen, zum Beispiel die Bereitschaft, die Gremien bei künftigen Entscheidungen rechtzeitig zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Äußerung und Mitwirkung zu geben, besonders die rechtzeitige Beteiligung an der Auswahl des neuen Pfarrers, die Möglichkeit der Fortsetzung des in den vergangenen Jahren beschrittenen Wegs, die Klärung zahlreicher offener Fragen sowie die Sicherheit, dass unsere Gemeinden keine schlechtere Betreuung bzw. Behandlung erfahren als bisher.

Wir wünschen uns daher ein Gespräch mit Ihnen, in dem die offenen Fragen, aber auch die
Perspektiven für die Gemeinden erörtert werden können. Wir wollen unsere Vorstellungen und Überlegungen - dazu verweisen wir auf die insbesondere im zweiten Punkt gegebenen
Hinweise, worin wir die Stärken und Kennzeichen unserer Gemeinden sehen - gern mit Ihnen und auch mit den Bewerbern erörtern.

Diesen Brief werden wir unseren beiden Gemeinden sowie Bischof Prof. Dr. Kohlgraf zur
Kenntnis geben.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Stillemunkes
Vorsitzender des PGR

Nora Miehe
Stellvertretende Vorsitzende