Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Heiligabend 2021

Datum:
Fr. 24. Dez. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu Heiligabend 2021

Liebe Schwestern und Brüder,

wer hätte das gedacht?! Schon wieder ein Weihnachten, das anders ist als all die Jahre zuvor.

Noch im Sommer war ich der Meinung: „Das wird schon werden bis Ende des Jahres“ – von wegen.

Können Sie sich noch erinnern, wie es vorher war, speziell an Weihnachten?

Vor Corona waren die Kirchen bis auf den letzten Platz gefüllt, wir durften singen, ohne Maske, alle Strophen. Bevor man nach Hause ging, hat man allen „Frohe Weihnachten“ gewünscht, mit Handschlag natürlich, oder sogar mit einer Umarmung. –

Und nun ist es schon das zweite Jahr so ganz anders, natürlich nicht nur unsere Gottesdienste, sondern v.a. unser Leben. Es wirkt auf mich so, dass vieles, was früher selbstverständlich war, getrübt ist, kompliziert, manchmal unmöglich.

Unsere Welt scheint mehr dunkel und düster geworden zu sein, in den Kliniken, in der Gesellschaft, in Familien, in Altenheimen, ganz zu schweigen von den Flüchtlingslagern und den Kriegsgebieten.

Dunkle Flecken gibt es immer auf dieser Welt, aber Corona hat die Finsternis verstärkt. Die Schatten, so scheint es, werden größer, und mächtiger.

Und da hinein feiern wir Weihnachten Gott sei Dank!

Vielleicht können wir in diesem Jahr noch mehr verstehen, noch mehr nachempfinden, uns noch besser vorstellen, wie das damals war, was wir seit 2000 Jahren feiern:

Gott wird sichtbar in dieser Welt, er gibt sich ein menschliches Antlitz, um mitzufühlen, mitzusorgen, mitzuringen und mitzuleiden.

Und wo beginnt das? Im Dunkeln, in der unwirtlichen Gegend draußen auf dem Feld, in einer Höhle fernab von Sicherheit, Schutz und Gemütlichkeit. –

Aber wirklich begonnen hat es schon vorher: Jedes Jahr hören wir aufs Neue, wie unfassbar das war mit Maria und Josef, mit dem Engel und dem Hl. Geist, auch schon mit Elisabeth und Zacharias, die in ihrem hohen Alter noch ihren Johannes bekommen, der später der Täufer wird. Da wurden von Anfang an Pläne und Vorstellungen der Menschen, die sich dafür öffnen, grundsätzlich und für immer durch-kreuzt.

Und genau das mögen wir Menschen eigentlich überhaupt nicht. Es soll doch bitte alles sicher und kontrollierbar sein und bleiben, keine Verwerfungen, keine Unsicherheiten, kein Chaos.

Das heißt nicht, dass es nicht auch Veränderungen gibt, auf die wir uns freuen und nach denen wir uns sehnen: Alles, worauf wir hoffen, was unser Leben schöner und „reicher“ macht, da bitte mehr davon, aber nichts, was hinterfragt.

Aber genau das macht gerade Maria und Josef am meisten aus: Sie lassen sich auf etwas ein, wovon sie nicht wissen, aber zutiefst spüren, dass es richtig und wichtig ist, nicht nur für sie, sondern v.a. für alle anderen Menschen auch.

Die beiden wussten nicht, wohin die Reise tatsächlich gehen wird, die hatten sich die Geburt des Kindes mit Sicherheit ganz anders vorgestellt und gewünscht. Aber sie müssen sich auf den Weg machen, ob sie wollen oder nicht, die äußeren Umstände zwingen sie dazu.

Aber wie machen sie sich auf den Weg?

Mit einem so großen Vertrauen, mit einer so großen Liebe und Nähe, mit so viel innerer Kraft, dass die äußeren Umstände verblassen. Sie haben „nur noch sich“ – und einen Gott in ihrem Herzen, mit dem sie ihre Unsicherheit besiegen, der ihnen die Zuversicht ist. In dieser schäbigen und schwierigen Situation damals draußen auf dem Feld vor den Toren Bethlehems, auf sich gestellt und in einem Unterschlupf für die Tiere, dort sollte der Erlöser zur Welt kommen – warum?

Es zeigt uns, was diese heilige Nacht ausmacht: In die Unwegbarkeiten, in die Nöte und Sorgen, in die Vorläufigkeiten und Umstände unseres Lebens hinein wird Gott Mensch, will er greifbar und ein Teil davon werden! Gott wird da Mensch, wo es nur noch um das geht, was uns in unseren Herzen verbindet. Keine Äußerlichkeiten mehr, keine Sicherheiten und Pläne, sondern was unser inneres Feuer entfacht: Liebe!

In der Dunkelheit brauchen wir das Licht, in unwegsamen Gelände brauchen wir Orientierung, in Bedrohung brauchen wir Solidarität. Das ist das Wesentliche, um das es an Weihnachten geht.

Wir feiern heute, dass die Liebe Gottes selbst Mensch wurde. Wir feiern, dass wir nie gänzlich allein sind, dass wir nie komplett im Dunkeln stehen, sondern durch das Wunder dieser Nacht eine Hoffnung, ein Glaube und eine Liebe aufstrahlt, die uns durch alle Widrigkeiten des Lebens begleiten und führen und stärken will.

Wenn wir uns streiten, brauchen wir Brücken zum anderen.

Wenn wir müde sind, brauchen wir Hoffnung und Wertschätzung.

Wenn es dunkel wird in unserem Herzen und in unserem Leben, brauchen wir Licht am Ende des Tunnels.

Alles, was wir wirklich brauchen, um gemeinsam glücklich zu werden, hat sich in dieser Nacht in einem Stall in Bethlehem gezeigt:

Nähe und Solidarität, innere Stärke und Zuversicht bei äußerer Not, und das Vertrauen auf Gott in unserem Herzen, der die Liebe ist.

Vielleicht können uns die Umstände auch dieses Weihnachtsfestes während der Corona-Pandemie deutlicher zeigen, worauf es wirklich ankommt im Leben.

So wurde Christus geboren, und es hat sein gesamtes Leben geprägt und bestimmt.

Wie gut und schön und kostbar, dass wir das feiern mit unseren Lieben, um es mit ihnen auch zu leben.