Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Pfingsten 2021

Datum:
So. 23. Mai 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu Pfingsten 2021

Zur 1. Lesung (Apg 2, 1-11)

Der „Pfingsttag“ (griech. pentecoste = 50. Tag) ist ursprünglich das jüdisches Wochenfest, Schawuot, 50 Tage nach dem Passahfest. Dass die Jünger an diesem Tag zusammen sind, bedeutet, dass sie dieses Fest (mit)gefeiert haben. Es erinnert die Juden an den Empfang der Zehn Gebote (vgl. Ex 34, 28f) und ist außerdem ein Erntedankfest für den Frühlingsweizen (vgl. Ex 34, 22).

Im AT steht die Zahl 50 für den Beginn eines neuen Abschnitts: 50 Tage nach dem Auszug aus Ägypten erhielten die Israeliten die Zehn Gebote (vgl. Ex 20, 1-17), alle 50 Jahre feierten die Israeliten ein Jubeljahr, bei dem allen Schuldnern die Schulden erlassen werden sollten (vgl. Lev 25, 10-13).

Im NT steht interessanterweise 50 Mal das Wort „selig“, bei der Speisung der Fünftausend ist 50 ist Gruppengröße, die Jesus vorgibt (vgl. Lk 9, 14).

Was nun an Pfingsten im Jahre 30 n. Chr. geschieht, beschreibt die Apostelgeschichte mit eindrucksvollen Bildern: Die Jünger sind zusammen und plötzlich durchzieht das Haus (= ihre Gemeinschaft) ein Sturmwind, d.h. eine ungeheuer dynamische Kraft ergreift die Jünger, und sie werden alle von einer inneren Leidenschaft, von einem inneren Feuer entfacht, ihren Glauben und ihre Begeisterung in die Welt = zu den Menschen zu bringen. Dieser Geist Gottes, von dem sie sich nun deutlich und bewusst ergreifen lassen, befähigt sie, jedem Menschen so zu begegnen, so mit ihm zu sprechen, dass er sich einerseits verstanden fühlt (= „Muttersprache“), andererseits auch die Botschaft der Jünger versteht. Genau das will der Heilige Geist vor allem: Dass Menschen sich verstanden und ernstgenommen fühlen und ihrem Leben – durch die Botschaft und das Leben Jesu – Entscheidendes dazu gesagt wird, um es im Sinne Gotte zu deuten und zu helfen, wo es Not tut. Außerdem zeigt es die absolute Gleichberechtigung aller Menschen!

Lesung aus der Apostelgeschichte:

„Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort.

Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.

In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 12, 3b-7.12-13)

Für Paulus ist das gläubige Bekenntnis zu Jesus dem Christus (das ist die Kurzformel unseres Glaubens: Jesus von Nazareth ist der Messias (hebr., griech. Christus = der Gesalbte, der Sohn Gottes!) an sich schon Ausdruck des Wirkens des Heiligen Geistes. D.h. wenn wir Menschen etwas erkennen, dass „wahr“ ist, d.h. was für alle Menschen zum Leben und zur Freiheit und zur Entfaltung und zu Glück führt, dann ist das in sich schon der Geist Gottes, der uns da führt!

Und Paulus macht in diesem berühmten Abschnitt aus dem Korintherbrief deutlich, dass alle Befähigungen der Menschen nicht nur von Gott ausgehen, sondern dass sie auch nie Selbstzweck sind, sondern immer für den Dienst am Nächsten, damit er dem anderen nützt! Das ist deckungsgleich mit dem Leben (und natürlich auch der Botschaft) Jesu: Im Dienst am Nächsten vollziehen wir unseren Lebensauftrag, gemeinsam an einer Welt mitzuarbeiten, in der alle Menschen ihre Chance auf Entfaltung und Glück haben, um gemeinsam in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit leben zu können. Der „Kopf“ (das „Haupt“) ist Jesus Christus (d.h. der „gibt den Ton an“, der sagt, „wo es langgeht“!) und alle Christen (natürlich eigentlich alle Menschen) werden als Glieder dieses Organismus benötigt, damit alle durch ihren Beitrag das Leben für alle ermöglichen können / ihren speziellen Beitrag leisten (= „verschiedene Gnadengaben“), mit anderen das zu teilen, was sie haben und andere brauchen!

Ich glaube, wir Menschen unterschätzen immer sowohl die Bedeutung, die wir für Menschen, die uns kennen, haben, als auch die Möglichkeiten, was wir nicht alles zu teilen haben / woran wir andere nicht alles teilhaben lassen könnten. Vielleicht hilft dafür, wenn wir uns mehr gegenseitig zusprechen, was wir am anderen wahrnehmen, was uns auffällt und was wir interessant und wichtig finden!!

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

„Schwestern und Brüder!

Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.

Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen.

Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.

Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“

Zum Evangelium (Joh 20, 19-23)

Wir hören, ebenso wie am Weißen Sonntag, dem Sonntag nach Ostern, die Auferstehungserfahrung der Jünger am Abend des Ostertages nach dem Johannesevangelium: Die Jünger sind immer noch voller Angst, weil ihr Herr und Meister vorgestern am Kreuz hingerichtet wurde, und sie befürchten, dass es nun ihnen an den Kragen geht. In diese Situation der äußersten Bedrängnis und Ausweglosigkeit hinein, in der ihr Herz so sehr von Furcht besetzt ist, tritt Jesus „in ihre Mitte“, d.h. er nimmt plötzlich diesen Raum in ihrem Herzen ein und spricht ihnen das genaue Gegenteil ihrer Angst zu: „Friede sei mit euch!“ Das ist das Fazit des Lebens und der Botschaft Jesu: dass wir Menschen wirklichen, d.h. v.a. auch inneren Frieden haben! Darum ging es ihm mit allem, was er getan und gesagt hat: Dass es eben nicht bei der Angst, der Verzweiflung, der Unterdrückung, der Trauer bleibt, sondern dass durch die Taten und Worte Jesu wieder ein neues, besseres Leben möglich wird. So (!) sollen sich die Christen jedes Menschen annehmen, um ihm das, was er nötig hat, nach besten Kräften mit zu ermöglichen! Dazu sind wir gesandt, ebenso wie Jesus von Gott! Und alles, was wir dafür brauchen, ist das Bewusstsein über unsere bisherigen Erfahrungen (= unser „Kreuz“, vgl. Lk 9, 23: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“. Mit Selbstverleugnung meint Jesus die Abkehr vom Egoismus) und den Heiligen Geist Gottes, der uns Mut, Kraft und Ideen gibt. Den „empfangen“ wir, wenn wir ganz nahe an Jesus herangehen, Jesus ganz nahe an uns heranlassen, dann „haucht er“ uns an, dann infiziert er uns mit seiner Lebensüberzeugung und dem (lebendigen!) Geist!

Der letzte Abschnitt des heutigen Evangeliums hört sich zunächst missverständlich an: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“ Das meint in keiner Weise, dass wir Menschen (oder speziell Priester) die Vollmacht hätten, Sünden zu vergeben. Sünden kann nur Gott vergeben!! Nach katholische Überzeugung ist es aber sakramental (= lat. Heilszeichen), was uns im Leben (von Gott aus) dazu-gesprochen wird. In der Taufe wird uns die immerwährende Gottes-Kindschaft zugesprochen, in der Firmung die Empfängnis des Hl. Geistes, in der Eucharistie die Einverleibung in den Leib Christi usw.. Der Zuspruch der Sündenvergebung ist für unser (katholisches) Verständnis der speziellen Erneuerung / Wiederbelebung der Gottes-Kindschaft der Taufe wesentlich: Gott ist die Vergebung selbst (vgl. das Gleichnis vom barmherzigen Vater, Lk, 15, 11-32, vgl. den Kreuzestod Christi), wer sie / ihn annimmt, in dem bringt sie / er reiche Frucht (vgl. Mk 4, 8). Jemandem den Zuspruch der Sündenvergebung zu verweigern heißt nicht, dass ihm die Sünden nicht vergeben werden, sondern meint, dass nach christlicher Einschätzung an der (wirklichen) Umkehr zur Liebe Gottes noch etwas fehlt, um sie auch fruchtbar werden lassen zu können.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes:

„Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.

Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.

Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!

Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“