Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 12. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
So. 20. Juni 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 12. Sonntag im Jahreskreis 2021

Zur 1. Lesung (Ijob 38, 1.8-11)

Das Buch Hiob (oder Ijob, entstanden wohl im 5. Jh. v. Chr.) hat deswegen eine so elementare Bedeutung im Alten Testament, weil es eines der ersten Schriften ist, die den antiken sogenannten Tun-Ergehen-Zusammenhang durchkreuzt: An dem äußeren Schicksal eines Menschen kann man eben nicht ablesen, ob er von Gott gesegnet (= „gut“) ist oder nicht!

Der heutige Abschnitt ist – wie immer – nach dem Evangelium ausgesucht (wegen des Themas „Sturm“) und weist dabei auf die Schönheit und das Konzept der Schöpfung Gottes hin.

Die Schöpfung / die Natur ist tatsächlich eine unermessliche Quelle von Lebendigkeit, Schönheit und Kraft. Je bewusster wir das wahrnehmen und genießen, desto mehr kann es etwas in uns bewirken.

Gab es in der vergangenen Woche Situationen, in der ich die Natur / Schöpfung besonders (schön und energetisch) wahrgenommen habe – trotz der Hitze?

Lesung aus dem Buch Ijob:

„Der Herr antwortete dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach:

Wer verschloss das Meer mit Toren, als schäumend es dem Mutterschoß entquoll, als Wolken ich zum Kleid ihm machte, ihm zur Windel dunklen Dunst, als ich ihm ausbrach meine Grenze, ihm Tor und Riegel setzte und sprach: Bis hierher darfst du und nicht weiter, hier muss sich legen deiner Wogen Stolz?“

Zur 2. Lesung (2 Kor 5, 14-17)

Der Kreuzestod Christi aus Liebe und Treue zu Gott und zu den Menschen hat die endgültige Versöhnung der Menschen mit Gott bewirkt. D.h. wer an diesen unübertreffbaren Beweis glaubt, wie sehr Gott die Menschen liebt, dass er seinen eigenen Sohn sogar in das Leid und den Tod gibt, der vertraut auf eine unverbrüchliche Nähe und Unterstützung Gottes, damit Leben gelingen und glücken kann. Jesus ist dadurch nicht mehr nur ein besonderer Mensch, sondern der Mittler (der Liebe Gottes) zwischen Gott und Mensch. Wer so an diesen Christus glaubt, der sieht sich selbst angesprochen und gemeint von dem Lebenskonzept Jesu, um – nach seinem Vorbild, mit seinem Auftrag und Geist – sein Werk auf Erden weiterzuführen (vgl. Mt 28, 19a.20: „geht zu Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; … und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“;  Phil 1, 6: „Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu“).

Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde. Also schätzen wir von jetzt an niemand mehr nur nach menschlichen Maßstäben ein; auch wenn wir früher Christus nach menschlichen Maßstäben eingeschätzt haben, jetzt schätzen wir ihn nicht mehr so ein. Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.“

Zum Evangelium (Mk 4, 35-41):

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus:

An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern:

„Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; einige andere Boote begleiteten ihn. Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar der Wind und der See gehorchen?“

Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie im Moment Angst vor etwas? Vor was? Zunächst ist es hilfreich, Angst von Furcht zu unterscheiden: Furcht bezieht sich immer auf eine konkrete Situation, Angst ist eigentlich ein unbestimmtes Gefühl der Bedrohung und Hilflosigkeit, „eigentlich“ deshalb, weil im deutschen Sprachgebrauch „Furcht“ sehr selten verwendet wird und wir meistens „Angst“ sagen. Und so sind im Folgenden mit Angst auch immer Furcht-Situationen gemeint. – Angst entsteht also generell durch (das Gefühl von) Bedrohung, und erinnert (unbewusst) so gut wie immer an frühere Situationen der Hilfslosigkeit. Alle Menschen haben natürlicherweise Angst vor bestimmten Situationen (vgl. auch Jesus in Getsemani: „Da ergriff ihn Furcht und Angst“ (Mk 14, 33b)!), man kann das auch Grundängste nennen: Angst vor Endgültigkeit (d.h. vor dem Tod), Angst vor Verletzbarkeit (z.B. Schmerzen, Leid, Enttäuschungen, Ablehnung, Schuld), Angst vor Veränderung (= Verlust von Sicherheit) u.ä.. Die Szene, die wir gerade gehört haben, hat sich vermutlich genauso abgespielt, denn sie wird bei allen Synoptikern (Mk, Mt und Lk) so erzählt. Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem See von Galiläa. Wer schon einmal in Israel war, der wird es vielleicht erlebt haben: Obwohl der See nur 13 km breit und 21 km lang ist, können durch die Fallwinde der umliegenden Berge tatsächlich so hohe Wellen entstehen, die Boote zum Kentern bringen. Das wissen die Jünger und haben dementsprechend Angst (Furcht!), als ein Sturm aufkommt. Jesus schläft derweil ruhig im Heck des Bootes und ist dann einigermaßen empört, dass ihr Vertrauen in ihn so gering ist. Damit haben die Jünger aber – verständlicherweise – nicht gerechnet, dass Jesus auch „der Wind und der See gehorchen“ (Vers 41b). Und Jesus fragt seine Jünger: „Habt ihr noch keinen Glauben?“ – Woran? Eine solche Bedrohung auf dem See ist sicher bisher noch nicht zusammen mit Jesus passiert. – An was halten wir uns, wenn wir Angst haben? An was denken wir dann? Wie schlimm es schon mal war oder kommen könnte? Oder denken wir an die bisherigen Kräfte und Erfolge? Da wird (unser) Glaube konkret: Sich an dem festhalten, was auch wirklich Halt gibt – und was ist das in meinem Leben? Menschen, Stärken, Erfahrungen, …?! Wie oft denken wir daran? Wie stark und wann ist uns das bewusst? Wenn wir nur in Krisen danach suchen, ist es oft zu spät! Jesus will, dass wir ständig unseren Glauben = Lebenskonzept festigen, uns täglich an dem festmachen, was wirklich Halt gibt. Deswegen hat Jesus auch alle menschlichen Erfahrungen durchlebt, um zu zeigen, wie wir denken, handeln und fühlen sollen, damit nicht die Ängste und das Böse siegen, sondern Vertrauen, Hoffnung und Gemeinschaft – sogar auch über den Tod hinaus! Daher ist der größte Widersacher unseres Glaubens auch nicht der Zweifel, sondern die Angst – letztlich die Angst um sich selbst. Jesus hat (in dieser Situation, nur in Getsemani ist das anders!) keine Angst, weil sein Selbstvertrauen und sein Vertrauen in Gott so tief und unmittelbar sind. – Wir können diese Erzählung vom Sturm auf dem See aber auch noch anders interpretieren: Das „Boot“, mit dem Jesus mit seinen Jüngern unterwegs ist, kann auch für die Kirche oder unser Leben stehen, und dieses läuft voll (Angst, Gleichgültigkeit, Missbrauch, Hoffnungslosigkeit, …). Glauben wir daran, d.h. vertrauen wir darauf, dass wir nicht untergehen können, weil Jesus mit im Boot sitzt? Wie können wir diesen Glauben vertiefen?