Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 12. Sonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 19. Juni 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 12. Sonntag im Jahreskreis 2022

Zur 1. Lesung (Sach 12, 10-11; 13, 1)

Sachárja ist ein Prophet nach dem Babylonischen Exil (586-539 v. Chr.). Heute hören wir eine etwas vage Prophezeiung von ihm, die an den „leidenden Gottesknecht“ aus Jesája (vgl. Jes 53) erinnert: Ein Mann, der nicht näher beschrieben wird, wird zu Tode kommen, was beim Volk unermessliche Klage und Trauer auslöst. Das wird verglichen mit einer ähnlichen Katastrophe, und zwar als König Josia (Sohn und Nachfolger von König Amon von Juda, 640-609 v. Chr.) in einer Schlacht gegen Ägypten 609 v. Chr. fällt. Genauso wie die „Klage um Hádad-Rímmon in der Ebene von Megíddo“ (Vers 12, 11) wird die Trauer um diesen Ungenannten in Jerusalem sein, aber sein Tod bewirkt die Vergebung der Sünden (vgl. Vers 13, 1)! Der Evangelist Johannes sieht die Prophezeiung aus dem heutigen Sachárja-Abschnitt durch Jesus Christus erfüllt, weswegen er bei der Schilderung der Grablegung Christi Sachárja zitiert: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19, 37).

Lesung aus der Buch Sachárja:

So spricht der Herr: „Über das Haus David und über die Einwohner Jerusalems werde ich den Geist des Mitleids und des Gebets ausgießen. Und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie man um den einzigen Sohn klagt; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint. An jenem Tag wird die Totenklage in Jerusalem so laut sein wie die Klage um Hadad-Rimmon in der Ebene von Megiddo. An jenem Tag wird für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle fließen zur Reinigung von Sünde und Unreinheit.“

Zur 2. Lesung (Gal 3, 26-29):

Nach der Botschaft des folgenden Abschnitts aus dem Galater-Brief nehmen wir Christen durch unseren Glauben die Überzeugung an, „Kinder Gottes“ (vgl. Vers 26, vgl. Joh 1, 12!) zu sein. Die Kindschaft Gottes zeichnet sich (u.a.) dadurch aus, dass wir von Gott alle gleich geliebt sind – ebenso wie sein einge(bore)ner Sohn! Christus umhüllt (vgl. Vers 27) uns alle mit der Liebe Gottes und erfüllt damit die Verheißung des Alten Bundes.

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gálater:

Liebe Schwestern und Brüder! „Ihr seid alle durch den Glauben Kinder Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus. Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erben kraft der Verheißung.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 9, 18-24):

In jener Zeit, als Jesus in der Einsamkeit betete und die Jünger bei ihm waren, fragte er sie: Für wen halten mich die Leute? Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Messias Gottes. Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen. Und er fügte hinzu: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen. Zu allen sagte er: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“

Liebe Schwestern und Brüder, … und – für wen halten Sie Jesus? Diese Frage hat Jesus ja nicht nur seinen Jüngern damals gestellt, sondern das gilt (wie alles andere) für uns heute ebenso. Ich kann mir vorstellen, dass vielleicht viele von uns nicht lange überlegen müssen: „Ist doch klar, wer Jesus ist: Der Sohn Gottes, der Menschensohn, der Heiland und Erlöser.“ Petrus musste auch nicht lange überlegen: „Du bist der Messias Gottes“ (Vers 20b). Und wahrscheinlich war er ganz stolz darauf, mit seiner Antwort mitten ins Schwarze getroffen zu haben. Eigenartig ist nur, wie Jesus darauf reagiert. Er sagt nicht: „Genau! Du hast es begriffen“, er sagt nicht: „Erzähl das jetzt möglichst vielen, damit sie von mir wissen“, sondern er sagt das Gegenteil, Jesus verbietet den Jüngern, anderen davon zu erzählen. Also wie denn jetzt? Hat Petrus recht oder nicht? Vielleicht ist das gar nicht die Frage. Es gibt offensichtlich Antworten, die sind richtig und stimmen doch nicht, weil sie zu kurz sind. Was bedeutet denn schon Messias, der Gesalbte Gottes? Die meisten Menschen zur Zeit Jesu hatten davon eine sehr konkrete Vorstellung, wie dieser Gesalbte Gottes zu sein und was er zu tun habe. Aber genau diese Vorstellung will und kann Jesus nicht erfüllen. Er ist nicht dazu gekommen, die Erwartungen der Menschen zu erfüllen, sondern die Erwartung Gottes! Er will mit den Menschen durchs Leben gehen, will heilen, will zusprechen, will verändern, will Liebe zeigen, aber zusammen mit den Menschen. Er ist keine Wundertablette und auch kein Rädelsführer. Er nimmt das Leben – sein eigenes und das der anderen – so, wie es ist, und zeigt, wie es eine gute (!) Richtung bekommen kann, eine Richtung, die zu dem führt, wonach sich, glaube ich, jeder Mensch sehnt: Gemeinschaft und Bedeutung, Hoffnung und Neuanfang. Denen, die (an) Jesus glauben, sagt er dann diesen folgenschweren Satz: „Wer mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Vers 23). Es gibt wohl nur wenige Worte von Jesus, die in der Kirche oft so missverstanden wurden, wie diese. Nein – Selbstverleugnung heißt nicht, auf alles zu verzichten, was Freude macht. Nicht umsonst wird Jesus als Fresser und Säufer bezeichnet (vgl. Lk 7, 34), weil er so oft auch mit den Menschen bei Tisch saß. Selbstverleugnung bedeutet, nicht immer nur an sich zu denken. Jesus macht durch sein Leben und seine Botschaft deutlich: „Wenn ihr auf Dauer glücklich werden wollt, dann muss immer (!) das Wir im Vordergrund stehen: „Wie können wir das machen? Was kann ich für dich tun? Lass uns …!“ Das ist der erste Schritt. Und wer Jesus wirklich nachfolgen will, wer so leben und so lieben will wie er, der muss noch etwas anderes tun: Er muss sein ganzes Leben mitbringen, der darf nichts zurücklassen, nichts verleugnen, nichts verdrängen, was ihn zu dem gemacht hat, wie er oder sie geworden ist. Die Liebe und das, was einem jeden von uns Freude macht, das bringen wir gerne mit und ein, das verdrängen wir schon nicht. Aber was ist mit dem, wo wir gelitten oder uns geschämt haben, wo wir versagt haben oder was nicht geklappt hat? Gerade das hat uns doch auch zu dem Menschen gemacht, der wir sind. Wie wir denken, fühlen und was wir tun, ist genauso davon geprägt, wie von dem, wo wir Anerkennung, Freude und Liebe erlebt haben. Aber Jesus will uns ganz, und besonders das, wo wir (seine) Nähe, (seine) Freundschaft und (seine) Vergebung am meisten brauchen, wo es gilt, Teufelskreise zu durchbrechen, etwas zum Guten zu führen und zu lernen, das eigene Leben als Aufgabe zur Liebe zu begreifen. Daher stellt Jesus uns gerade auch in den schwierigen und traurigen und unangenehmen Situationen die Frage: „Und? Wer bin ich jetzt für dich?“