Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 15. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
So. 11. Juli 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 15. Sonntag im Jahreskreis 2021

Zur 1. Lesung (Am 7, 12-15)

Der Prophet Amos wirkt im 8. Jh. v. Chr., wie auch Jesaja u.a.. Das besondere an ihm ist, dass er der erste Prophet ist, dessen Worte in Buchform aufgeschrieben werden (= ältester Schriftprophet). Er kommt aus dem Südreich Juda, wirkt als Prophet aber im Nordreich Israel, wo er Korruption der Oberschicht, soziale Ungerechtigkeit(en) und falsche Gottesverehrung anprangert. Weil das heftigen Widerspruch und seine Vertreibung auslöst, hören wir in der heutigen Lesung, dass Amos sich wieder nach Juda zurückzieht.

Bet-El (oder Bethel) ist ein Ort 17 km nördlich von Jerusalem (und wird nach Jerusalem am zweithäufigsten im AT benannt), der seit dem ersten König des Nordreichs (Jerobeam I., 926-907 v. Chr.) nach der Reichsteilung in das Nordreich Israel und das Südreich Juda als Gegenstück zum (Zentral-)Heiligtum in Jerusalem auch einen Tempel / Heiligtum hat, was vom Südreich (immer wieder) verurteilt wird.

Lesung aus dem Buch Amos:

In jenen Tagen „sagte Amázja, der Priester von Bet-El, zu Amos: Geh, Seher, flüchte ins Land Juda! Iss dort dein Brot und tritt dort als Prophet auf! In Bet-El darfst du nicht mehr als Prophet reden; denn das hier ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel. Amos antwortete Amazja: Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ich bin ein Viehzüchter und ich ziehe Maulbeerfeigen. Aber der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel!“

Zur 2. Lesung (Eph 1, 3-14)

Der Epheser-Brief ist wahrscheinlich von einem Paulus-Schüler nicht an die Gemeinde in Ephesus, sondern eher in Ephesus geschrieben, und zwar an eine sehr viel größere Hörer- bzw. Leserschaft, vielleicht an die Christen in Kleinasien oder noch darüber hinaus. Er ist eigentlich kein „Brief“ wie andere Briefe der Apostel an Gemeinden, sondern eine feierliche Predigt (in „Briefform“), die die bedeutendsten Aussagen über die Kirche im NT beinhaltet – ein wirklich herrlicher Text!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser:

„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Kinder zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn; durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade. Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im Voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist. Durch ihn sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht, wie er es in seinem Willen beschließt; wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher auf Christus gehofft haben. Durch ihn habt auch ihr das Wort der Wahrheit gehört, das Evangelium von eurer Rettung; durch ihn habt ihr das Siegel des verheißenen Heiligen Geistes empfangen, als ihr den Glauben annahmt. Der Geist ist der erste Anteil des Erbes, das wir erhalten sollen, der Erlösung, durch die wir Gottes Eigentum werden, zum Lob seiner Herrlichkeit.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 6, 7-13):

In jener Zeit „rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst. Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie. Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.“

Liebe Schwestern und Brüder,

das ist eine äußerst beängstigende Vorstellung und wir sehen sie unzählige Male in den Nachrichten gerade der letzten Jahre. Aber da es keine „Landsleute“ von uns sind, kümmert uns das weniger: Flucht aus der Heimat, oft nur mit dem, was man am Körper trägt. Aber auch hier in Deutschland hat es so etwas millionenfach gegeben, v.a. am Ende des II. Weltkrieges und auch noch vor dem Mauerbau an der innerdeutschen Grenze. Auf Grund des heutigen Evangeliums müssen wir uns aber dieser Szene oder wenigstens dieser Überlegung stellen: Wenn Sie jetzt Haus und Hof verlassen müssten und dürften nur einen Koffer mitnehmen – was wäre da drin? Fotos? Schmuck? Tagebücher? Erinnerungsstücke? Die Frage ist eigentlich: Welche Dinge sind kaum -/un-ersetzlich für mich? Nur so können wir das Evangelium von eben tiefer auf uns wirken lassen. – Als ich in München studiert habe, in meiner ersten Zeit im Priesterseminar, habe ich bei einer Familie gewohnt, die aus dem Sudetenland kam und am Ende des Krieges vertrieben worden war. Ich hatte bis dahin noch nie einen Haushalt erlebt, in dem derart viel aufgehoben wurde. Ich will das natürlich nicht generalisieren, aber vielleicht ist es so, dass die, die unfreiwillig so viel, eigentlich alles verloren haben, sich später im Leben schwer von Dingen trennen können. Aber es gilt für uns alle: Wie und wie oft gehen durch unseren Haushalt mit der Frage: Was brauchen wir noch und was nicht mehr? Ich weise immer wieder gerne darauf hin: Es gibt nur drei Dinge, die wir aufheben sollten: Was wir brauchen, was schön ist, und was eine gute Erinnerung bedeutet! Mein Vorschlag: Einmal im Jahr so durch alle Schränke gehen und schauen, was wir mit dem machen, was wir aussortieren: Wegwerfen? Flohmarkt? Verschenken? Tombola? ;-) Sie werden erleben, wie sehr das nicht nur Ihre Schränke, sondern auch Ihren Kopf frei macht! Und das, was Sie behalten, bekommt dadurch eine noch größere Bedeutung und Wichtigkeit! – Auch wenn Jesus ganz bewusst und konkret seine Jünger aussendet, um das Reich Gottes in seiner direkten Nachfolge zu leben – prinzipiell gelten seine Worte genauso für uns! Zunächst: Warum sendet er sie zu zweit aus? Damit ist nicht nur Gemeinschaft und gegenseitiges Aufpassen gemeint, es war auch eine alte jüdische Gesetzespraxis, dass erst dann etwas als „wahr“ angesehen wurde (bzw. werden konnte), wenn es von zwei Männern übereinstimmend ausgesagt wurde. Und wie sollen die Jünger zu den Menschen gehen? So schlicht wie möglich: Kein Brot gegen den Hunger, keine Vorratstasche gegen Armut, kein Geld, kein zweites Hemd. Das ist gelebte Bergpredigt: „Macht euch keine Sorgen“ (Mt 6, 25)! Jesus geht es v.a. darum, den Menschen die Angst zu nehmen! Und daher sollen seine Jünger auch so (überzeugend) auftreten: auf das Nötigste reduziert, weil das Gottvertrauen erfordert! Nur einen Wanderstab und mit Sandalen, d.h. als Schutz, und um besser laufen zu können! Wir sind jeden Tag neu aufgerufen, das wegzulassen, was unsere Angst verstärkt und uns hindert, Gott / dem Guten mehr zu vertrauen! – Das führt uns zu einer zweiten, wichtigen Perspektive: Wenn wir mal vom Gegenständlichen absehen: Was bringen wir Menschen mit? Was macht uns aus? Wer sind wir, wenn wir nur einen Koffer unterm Arm haben oder nur einen Wanderstab und Sandalen? Wer sind wir dann? Das war Jesus ebenso wichtig und er drückt das an einer anderen Stelle sehr prägnant aus: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9, 23). Sie wissen, Selbstverleugnung meint all das, wo wir nur an uns denken, was wir an Falschem gelernt haben, wo wir Negatives an andere weitergeben, das sollen wir weglassen und täglich „unser Kreuz“ auf uns nehmen. Unser Kreuz, das ist unsere ganze Lebensgeschichte, das Gute und v.a. auch das Schlechte, was wir erlebt haben, Leid und Trauer, Sorgen und Ängste, Krankheit und Not. Alle Erfahrungen sollen wir täglich auf uns nehmen, d.h. bewusst mitnehmen – warum? Weil alle Erfahrungen uns tiefer machen können und sollen, und das bedeutet v.a. mehr Erkenntnis, was im Leben richtig und gut ist und zur Gemeinschaft führt und was eben nicht! Die größte Herausforderung (!) besteht für uns Menschen darin, die guten Erfahrungen weiter zu tragen und die schlechten durch unser eigenes Verhalten so zu verändern, dass ich andere nicht ebenso schade, wie ich das vielleicht erlebt habe. Diese schlechten, verletzenden, egoistischen Verhaltensweisen bezeichnet Jesus als „Dämonen“ (Vers 13) oder „unreine Geister“ (Vers 7c): Negative, destruktive Denk- und Verhaltensmuster, die zum Gegenteil von dem führen, was Jesus gelebt und verkündet hat. Das Durchbrechen alter und falscher Muster ist dann „Erlösung“, „Umkehr“ (Vers 12) = frei werden vom Bösen, von der Angst und allem, was nicht zu Gemeinschaft führt! Nach dem heutigen Evangelium sind wir besonders dazu berufen, Menschen dabei zu helfen, falsche und böse Muster zu überwinden, um frei(er) zu werden für Liebe (vgl. 1 Joh 4, 16b)! Und dabei kann uns auch die Reduzierung von materiellen Gütern und Sehnsüchten helfen!