Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 16. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Fr. 17. Juli 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 16. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung (Weiss 12, 13. 16-19)

Immer wieder daran denken: Aussagen im Alten Testament sind Aussagen Gläubiger! Sie geben durch ihre Lebens- und Glaubenserfahrungen Einblick in ihre Überzeugungen und Bilder von Gott.

Sehr interessant ist die Kernaussage der heutigen ersten Lesung aus dem Buch der Weisheit: Gott wird als ein Nachsichtiger und Milder beschrieben, dessen Menschenfreundlichkeit den Menschen Umkehr gewährt. Darauf hoffen wir Menschen – auf jeden Fall die Menschen guten Willens (vgl. Lk 2, 14) – , denn wer ehrlich zu sich selbst ist, weiß, wie dauerhaft und täglich das eigene Versagen und die eigenen Unzulänglichkeiten sind. Der heutige Abschnitt aus dem Buch der Weisheit (erst im 1. Jh. v. Chr. verfasst!) sieht in der Milde und Güte Gottes eine seiner besonderen Stärken – das sollte uns zu denken geben: Dieses Gottesbild hat Jesus von Nazareth in allen (!) seinen Aussagen und Handlungen immer wieder „durchbuchstabiert“ in konkrete Lebensumstände!

  • Wie steht es also mit meiner Milde, Nachsicht und Güte? Wie gehe ich mit Enttäuschungen um?
  • Auf einer Skala von 1 (= gar nicht) bis 10 (= am meisten): Wie wichtig ist mir Versöhnung und Neubeginn mit meinen Lieben im Alltag?

Lesung aus dem Buch der Weisheit:

„Es gibt keinen Gott, Herr, außer dir, der für alles Sorge trägt; daher brauchst du nicht zu beweisen, dass du gerecht geurteilt hast.

Deine Stärke ist die Grundlage deiner Gerechtigkeit und deine Herrschaft über alles lässt dich gegen alles Nachsicht üben. Stärke beweist du, wenn man an deine unbeschränkte Macht nicht glaubt, und bei denen, die sie kennen, strafst du die trotzige Auflehnung. Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Nachsicht; denn die Macht steht dir zur Verfügung, wann immer du willst. Durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss, und hast deinen Kindern die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst.“

Zur 2. Lesung (Röm 8, 26-27)

Der Heilige Geist ist die Kraft / Liebe Gottes, er ist Gott selbst! Das war / ist die Verbindung von Gott-Vater zu seinem Sohn Jesus Christus – und umgekehrt. Aus diesem Geist hat Jesus gelebt, geliebt und vergeben (vgl. Lk 23, 34: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“). In der Taufe und in allen anderen Sakramenten wird uns dieser Geist Gottes zugesprochen, er ist v.a. in unseren Herzen (vgl. Röm 5, 5b; 2 Kor 1, 22b) und möchte erlauscht werden!

  • Wie viel Minuten nehme ich mir am Tag / in der Woche, um innerlich ganz still zu werden, um vom Hl. Geist Impulse / Gedanken / Gefühle für meinen Alltag / Sorgen / Fragen zu entdecken?

Paulus sagt uns heute in dem Abschnitt aus seinem Brief an die Gemeinde in Rom, dass der Geist Gottes uns auch das Beten lehrt! Die schönste Definition, die ich jemals über das Beten gehört habe, ist: „Beten heißt, sich von Gott lieben lassen“! Auch wenn es wichtig und verständlich ist, dass wir in unserem Beten konkrete Bitten o.ä. formulieren, so soll das Gebet eigentlich eine besonders bewusste Beziehung zwischen Gott und mir immer wieder herstellen / freilegen. Das Ziel des Betens ist also nicht, Gott gegenüber zu äußern, was ich meiner Meinung nach brauche oder wünsche – auch das weiß Gott ja sowieso schon – , sondern hinzuspüren, was für Ideen / Gedanken ich wahrnehme, wenn ich Gott „auf mein Leben / Situation schauen lasse“, dann halte ich nicht mehr so sehr Gott mein Leben hin, sondern ich versuche es so zu sehen, dass Gott mir mein Leben hinhält. Ich bin davon überzeugt, dass es sehr helfen kann, wenn ich Gebet auch einmal so wahrnehme, dass ich mir die Frage stelle: „Was denkt Gott über meine Situation?“ und „Was wünscht er sich für mich?“

Mit den „Heiligen“ in den Briefen des NT sind übrigens nicht die (kanonisch) Heilig-Gesprochenen gemeint, sondern alle Christen!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.“

Zum Evangelium (Mt 13, 24-43)

In der Kurzfassung (ist auch als Alternativmöglichkeit so vorgesehen), die ich für die beiden Messen in unserer Gemeinde nehme, werden wir nur Mt 13, 24-30 hören, weil ich die Langfassung, die ich hier abgedruckt habe, für die Gottesdienste zu lang finde.

Die Kernaussage des ersten Gleichnisses ist: Jesus vergleicht das Reich Gottes mit einem Acker, auf dem ein Sämann (= „Menschensohn“* = Jesus Christus) nur guten Samen aussät. Aber der Teufel sät im Verborgenen schlechten Samen dazu, und so wächst der Weizen und das Unkraut. Die entscheidende Aussage Jesu ist, dass das Unkraut nicht ausgerissen werden soll, denn dann besteht die Gefahr, dass auch der Weizen mitausgerissen wird. D.h.: Jesus will eindeutig keine Kirche der Reinen“ (!!), sondern Kirche / Gemeinschaft der JüngerInnen Christi besteht immer aus Heiligen und Sündern! Wehe also dem, der eine „Kirche der Reinen / der Entschiedenen“ propagiert oder initiiert! Daher sind solche Bestrebungen und Forderungen (z.B. „Heilige (Glaubens-)Kriege“, Kreuzzüge, auch Gruppierungen wie die Katharer (= die „Reinen“, 12.-14. Jh.) u.ä.) von Jesus ausdrücklich untersagt! Wie die wahrhaftige Gesinnung eines Menschen ist, das weiß allein Gott, und er wird darüber „richten“. Diese Botschaft Jesu passt auch sehr zu seiner Aussage in Mt 7, 1f: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden“!

* Jesus hat sich übrigens nie selbst als „Sohn Gottes“ o.ä. bezeichnet, sondern wenn er eine exklusive Aussage über sich selbst und seine Bedeutung gemacht hat, hat er stets vom „Menschensohn“ gesprochen, ein Begriff, der schon im AT auftaucht. Der hl. Athanasius beschreibt diesen Begriff so: „Der Sohn Gottes ist Sohn des Menschen geworden, damit die Söhne des Menschen, Adams Söhne, Gottes Söhne würden.“ Und ein Schüler von mir in Viernheim schrieb dazu in einer Kursarbeit im März 2011: „Jesus sah sich als Sohn Gottes und aller Menschen!“ – Eine, wie ich finde, geniale Beschreibung!

Das zweite Gleichnis vergleicht das Reich Gottes mit einem Senfkorn: Dies ist das (tatsächlich) kleinste Samenkorn, wird aber später zu einem Baum von ca. 3 m Höhe! D.h. aus nur ein winzig Güte, Barmherzigkeit, Vergebung, Teilen, Versöhnung, Frieden etc. kann so unglaublich viel Größeres werden!

Das dritte Gleichnis vergleicht das Reich Gottes (= wenn Gott in seiner Liebe mächtig wird, nach dem Willen Gottes am liebsten durch die Menschen, für die Menschen!) mit einem Sauerteig, d.h. ein wenig (Güte, Barmherzigkeit, Versöhnung, Ehrlichkeit, …) reicht aus, um alles (= die Situation, Familie, Bindung etc.) zu durchsetzen!

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

„In jener Zeit erzählte Jesus der Menge das folgende Gleichnis:

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg.

Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.

Er erzählte ihnen ein weiteres Gleichnis und sagte: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen Acker säte. Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hochgewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.

Und er erzählte ihnen noch ein Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau unter einen großen Trog Mehl mischte, bis das Ganze durchsäuert war.

Dies alles sagte Jesus der Menschenmenge durch Gleichnisse; er redete nur in Gleichnissen zu ihnen. Damit sollte sich erfüllen, was durch den Propheten gesagt worden ist: Ich öffne meinen Mund und rede in Gleichnissen, ich verkünde, was seit der Schöpfung verborgen war.

Dann verließ er die Menge und ging nach Hause. Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten: Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker. Er antwortete: Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Söhne des Reiches; das Unkraut sind die Söhne des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Arbeiter bei dieser Ernte sind die Engel. Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten. Wer Ohren hat, der höre!“