Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 19. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 8. Aug. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 19. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung (1 Kön 19, 9a.11-13a)

Elija gilt im Alten Testament nach Mose als zweitwichtigster Prophet und wird als Vorläufer des Messias gesehen, weil es keine Angaben über seinen Tod gibt, sondern er nach 2 Kön 2, 11 in einem feurigen Wagen im Wirbelsturm zum Himmel emporfuhr. Er lebt und wirkt im 9. Jh. v. Chr. im Nordreich Israel.

Heute hören wir in der ersten Lesung einen der wichtigsten Texte (!) in Bezug auf die wirkliche Kontaktaufnahme mit Gott: Wie offenbart sich Gott? Wie können wir ihn erkennen? Auf jeden Fall nicht in lautem Getöse, in Glanz und Gloria, in Spektakel und Shows, nicht in Naturereignissen (Sturm, Erdbeben, Feuer), sondern – im Stillen! Offensichtlich gibt es schon zu dieser Zeit des jüdischen Glaubens die Vorstellung / Überzeugung, dass Gott – wie jeder Mensch! – Hinwendung braucht bzw. fordert, um ihn zu erlauschen. Es gilt – wie immer, wenn Menschen umfassende und weitreichende Einschätzungen oder Entscheidungen treffen wollen – zu spüren, was richtig und gut ist, nicht nur vom Kopf her, sondern auch im Einklang mit Gefühlen und Impulsen.

Dabei sollten wir auch an die Geschichte Jesu mit der Ehebrecherin (vgl. Joh 8, 1-11) denken: Er beugt sich nieder und schreibt in den Sand und nimmt sich damit Zeit (!), über die beste Lösung nachzudenken, eine Lösung, die seitdem als geflügeltes Wort um die Welt gegangen ist: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie“ (Joh 8, 7b).

  • So stellt sich immer wieder die Frage für uns, wie viel Zeit wir uns tatsächlich nehmen, nicht nur, wenn wir ganz wichtige Entscheidungen treffen, sondern wie gewissenhaft wir im täglichen Miteinander, v.a. bei Erfahrungen, die uns nerven, stören oder hinterfragen, reagieren?!
  • Was fällt mir dazu in Bezug auf die vergangene Woche ein?
  • Und wenn mir etwas einfällt, wo ich zu unüberlegt reagiert habe, vielleicht zu scharf, zu egoistisch, zu schnell, zu „Gleiches mit Gleichem vergolten“ – was brauche ich, um das zu verbessern?

Lesung aus dem ersten Buch der Könige:

„In jenen Tagen kam Elija zum Gottesberg Horeb. Dort ging er in eine Höhle, um darin zu übernachten. Doch das Wort des Herrn erging an ihn: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den Herrn!

Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.

Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.“

Zur 2. Lesung (Röm 9, 1-5)

An sehr vielen Stellen in seinen Briefen nimmt Paulus konkret Bezug auf seine jüdische Geschichte und auch auf seine Sorge um seine (ehemaligen) jüdischen Schwestern und Brüder, haben doch die meisten seiner Zeitgenossen Jesus als Messias nicht erkannt / angenommen. Umso stärker ist seine Leidenschaft, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass dieser Jesus der Christus (griech.) ist, der „Gesalbte“ Gottes, der Messias (hebr.). Deswegen ist er so unablässig in seinen Missionsreisen, seine Gemeindegründungen, seinen Briefkontakten – und seiner Überzeugung, die dann auf dem sogenannten Apostelkonzil bahnbrechend für die junge Kirche sein wird und was auf seine Initiative und Überzeugung zurückgeht: Nichtjuden, die Christen werden wollen, müssen dafür nicht erst Juden / beschnitten werden (vgl. Apg 15, 11) – dadurch etabliert sich in der Kirche die Überzeugung und der Auftrag Jesu, alle Menschen zu Gott zu führen!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich sage in Christus die Wahrheit und lüge nicht und mein Gewissen bezeugt es mir im Heiligen Geist:

Ich bin voll Trauer, unablässig leidet mein Herz. Ja, ich möchte selber verflucht und von Christus getrennt sein um meiner Schwestern und Brüder willen, die der Abstammung nach mit mir verbunden sind. Sie sind Israeliten; damit haben sie die Kindschaft, die Herrlichkeit, die Bundesordnungen, ihnen ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen, sie haben die Väter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus, der über allem als Gott steht, er ist gepriesen in Ewigkeit. Amen.“

Zum Evangelium (Mt 14, 22-33)

Letzte Woche – vielleicht erinnern Sie sich – hörten wir von der „Speisung der Fünftausend“. Direkt danach hat der Evangelist Matthäus eine Geschichte der Apostel mit Jesus aufgeschrieben, die auf den ersten Blick nicht zu dem davor passen mag: Der „Sturm auf dem See“. Jesus zwingt seine Jünger förmlich dazu, alleine auf den See hinaus zu fahren. Wozu? Und wohin? Das bleibt unklar. Es sieht so aus, als ginge es darum, den Glauben der Apostel zu testen. Diese sind also allein auf dem See und es kommt ein heftiger Sturm auf. Entscheidend ist die Zeitangabe, wann sie Jesus begegnen: „In der vierten Nachtwache“. Nach römischer Zählung wurde die Nacht in vier Wachen à drei Stunden eingeteilt, d.h. von 18-21 Uhr usw. Die vierte Nachtwache ist also von 3-6 Uhr morgens. Das ist deswegen so wichtig, weil nach Joh 20, 1 genau zu dieser Zeit Maria von Magdala am Oster-Sonntag zum Grab Christi geht und die erste Zeugin der Auferstehung wird! Es handelt sich hier also um eine Auferstehungsgeschichte!

Wir müssen immer mitbedenken, dass die Evangelien mindestens 40 Jahre (Mk) nach der Auferstehung Jesu im Jahr 30 n. Chr. aufgeschrieben werden, Mt entsteht wohl um 80 n. Chr..

Worum geht es wohl bei diesem „Sturm“? Die Jünger haben Gegenwind – sind damit Anfeindungen durch die nicht-christliche Umwelt gemeint? Entscheidend sind wie immer die Worte Jesu: „Habt Vertrauen, fürchtet Euch nicht!“ Das ist nach wie vor die wichtigste Zusage Jesu / Gottes, damit wir eben nicht auf das schauen, was schwierig, beängstigend und sorgenvoll ist (das macht dann ja Petrus, der darauf achtet, wie heftig der Wind ist und deswegen unterzugehen droht), sondern auf Stärke bauen, auf Selbstbewusstsein, eigene Ressourcen und die der anderen im Blick behalten, an bisherige Erfolge denken und sich aus dieser Kraft neuen Herausforderungen stellen – und Gott ist sowieso mit uns, wenn es um Gutes geht! Dann „legt sich der Wind“ (Mt 14, 32).

Das ist wohl die Hauptaussage dieser Geschichte: Wenn wir Angst bekommen, gehen wir unter,

wenn wir uns an Jesus orientieren, gibt es Halt und Rettung. Wie bei den Jüngern ist die Frage, ob wir darauf vertrauen!

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

Nachdem Jesus die Menge gespeist hatte,

forderte er die Jünger auf, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren.

Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken. Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Spät am Abend war er immer noch allein auf dem Berg.

Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind. In der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen; er ging auf dem See. Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst. Doch Jesus begann mit ihnen zu reden und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!

Darauf erwiderte ihm Petrus: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme. Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und ging über das Wasser auf Jesus zu. Als er aber sah, wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind. Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn.“