Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 2. Sonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 16. Jan. 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 2. Sonntag im Jahreskreis

Zur 1. Lesung (Jes 62, 1-5)

Der (eigentliche) Prophet Jesája wirkt im 8. Jh. v. Chr., 740 bis 701, im Südreich Juda. Sein Buch ist jedoch aus drei zeitlichen Epochen und unterschiedlichen Autoren zusammengesetzt: Jes 1-39 wird „Protojesája“ genannt, Jes 40-55 wird als „Deuterojesája“ bezeichnet, und Jes 56-66 als „Tritojesája“. Dieser dritte Teil des Jesája-Buches bezieht sich auf die Zeit direkt nach der Babylonischen Gefangenschaft Israels (597-539 v. Chr.) und verheißt Jerusalem („Zion“, Vers 1) große Freude bei der Wiederkunft und Sammlung seiner Verschleppten.

Lesung aus dem Buch Jesája:

„Um Zions willen kann ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis das Recht in ihm aufstrahlt wie ein helles Licht und sein Heil aufleuchtet wie eine brennende Fackel. Dann sehen die Völker deine Gerechtigkeit und alle Könige deine strahlende Pracht. Man ruft dich mit einem neuen Namen, den der Mund des Herrn für dich bestimmt. Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des Herrn, zu einem königlichen Diadem in der Rechten deines Gottes. Nicht länger nennt man dich «Die Verlassene» und dein Land nicht mehr «Das Ödland», sondern man nennt dich «Meine Wonne» und dein Land «Die Vermählte». Denn der Herr hat an dir seine Freude und dein Land wird mit ihm vermählt. Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 12, 4-11)

Für mich ist der folgende Abschnitt aus dem ersten Korintherbrief (von Paulus 54 n. Chr. in Ephesus geschrieben) eines der kostbarsten Aussagen über menschliche Talente und Charismen überhaupt: Der Heilige Geist bewirkt durch die Unterschiedlichkeit religiöser (!) Befähigungen die Fülle von Heil, welches sich aber nur ereignen kann, wenn sich die Menschen mit ihren verschiedenen Gaben ergänzen (vgl. „Dienst“ (Vers 5), „damit sie anderen nützt“ (Vers 7))! In dem Abschnitt aus dem Korintherbrief, der auf den heutigen folgt (1 Kor 12, 12-31a) und den wir am nächsten Sonntag hören werden, wird Paulus die Kirche als Leib Christi, als Gemeinschaft der Gläubigen mit ihren vielfältigen Charismen, mit einem menschlichen Körper vergleichen, um die absolute Gleich-berechtigung der einzelnen Personen zu unterstreichen.

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder! „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 2, 1-11):

In jener Zeit „fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen. Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungsvorschrift der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand. Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist. Sie brachten es ihm. Er kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.“

Liebe Schwestern und Brüder,

hätte es zur Zeit Jesu schon Tankstellen gegeben, dann wäre es vielleicht gar nicht zu diesem Wunder von Kana gekommen. Ich muss sagen, mich hat das wirklich immer beruhigt, wenn ich mal ein größeres Fest gegeben habe, meinen 40. Geburtstag zum Beispiel, und ich Angst hatte, das Essen oder die Getränke reichen nicht aus, hat mich der Gedanke: „Dann fährt halt einer zur Tanke“, tatsächlich beruhigt – und es ist dann auch nicht dazu gekommen. Natürlich ist in dieser Erzählung von der Hochzeit zu Kana etwas anderes und ganz Tiefes gemeint. Aber erst einmal war es eine ganz normale Hochzeit: Viele Leute müssen da gewesen sein, wohl sehr viele, wenn Jesus dann das Wasser von sechs Krügen, wovon jeder 100 Liter fasste, zu Wein wandelt. Die Gäste haben ja alle schon ordentlich gefeiert, und dann noch 600 Liter Wein, das ist schon allerhand. Insgesamt ist es überhaupt eine recht merkwürdige Erzählung, vor allem, wenn wir uns anschauen, von wem uns etwas berichtet wird und von wem nicht. Maria ist es, der es als erster auffällt, dass der Wein ausgeht. Sie geht nicht zum Bräutigam, der ja eigentlich für das Fest zuständig ist, sondern zu ihrem Sohn, nach dem Motto: „Du bist doch dafür da, Menschen das zu geben, was ihnen fehlt!“ Jesus weist sie aber – und da gibt es ja ein paar Stellen im NT – eher schroff ab: „Was willst du von mir Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Vers 4). Das hat Maria gar nicht gemeint, aber Jesus deutet das (gemäß dem Evangelisten Johannes!) schon im Hinblick auf das, was am Ende sein wird: Die völlige Hingabe zum Heil der Menschen. Sehr schön finde ich an dieser Stelle, dass auch hier deutlich wird, wie sehr Maria von Glauben und Vertrauen geprägt ist. Sie fragt nicht nach, sondern weist die Diener an, das zu tun, was Jesus sagen wird, egal, was es ist: „Was er euch sagt, das tut!“ (Vers 5). Wasser wird also in den Krügen zu Wein, und der Kellermeister ist es, der den Bräutigam über die exzellente Qualität informiert. – Was wir allerdings nicht hören, ist die Reaktion der anderen Gäste. Die haben mit Sicherheit auch gemerkt, dass „die letzte Runde“ eingeläutet wurde und kein Wein mehr da ist. Was meinen Sie, wie die wohl darauf reagiert haben, dass Jesus für neuen, und noch dazu so guten Wein sorgt? Ich kann mir vorstellen, dass die gedacht haben: „Den laden wir auch ein!“ – Vielleicht will uns genau das diese Geschichte von der Hochzeit zu Kana sagen! Sicher geht es darum, zu zeigen, wie Jesus sein erstes Wunder wirkte und seine „Herrlichkeit offenbarte“ (Vers 11b), aber vielleicht will es uns (!) genau das sagen, was bestimmt viele von uns als Tischgebet kennen: „Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast!“ Jesus will eingeladen sein! Jesus will in unser Leben eingeladen werden! Er kommt manchmal wie ein einfacher Gast, der kaum auffällt, doch er bringt das, was uns am meisten fehlt. – Was kann das sein? Ist es die Hoffnung, die unter unseren Sorgen zu ersticken droht? Ist es die Dankbarkeit für das Gute und Schöne, was wir bisher erlebt haben, was aber im Alltag keine wirkliche Bedeutung hat? Ist es die Kraft, die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder brauchen, oder die Kraft der Kinder, die alten und kranken Eltern zu begleiten? Fehlt uns vielleicht einfach ein wenig Lebensfreude, ein wenig Wein zum Feiern mitten im Alltag? Jesus kommt und beschert, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern in Fülle – Freude, Kraft, Perspektive für Jahre. 600 Liter Wein auf einem Fest, dass sich schon dem Ende naht, d.h.: Die Kraft, die Freude, die Perspektive, mit der Jesus uns beschenken will – das ist zum Weiterschenken da, damit das größer wird, wozu er gekommen ist: Gemeinschaft!

Liebe Schwestern und Brüder, am Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu steht: Gott füllt das auf, was bei uns Menschen nicht reicht! Achten wir darauf, welche Bottiche in unserem Alltag leer sind oder bald leer werden, wenn es so weitergeht. Und seien wir aufmerksam für die vielen Dinge, die uns oft so nebensächlich und selbstverständlich erscheinen. Vielleicht können sich gerade die zu dem verwandeln, was wir brauchen! Und auch wenn unsere Wünsche oft nicht so erfüllt werden, wie wir uns das vorgestellt haben – halten wir wie Maria daran fest, dass Jesus helfen wird, und seien wir sensibel, damit wir (seine) Hilfe auch erkennen, die wahrscheinlich unerwartet und unscheinbar sein wird.