Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 20. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 15. Aug. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 20. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung (Jes 56, 1.6-7)

Jesaja“ (deswegen in Anführungszeichen, weil – wie schon zur ersten Lesung am 18. So. i. Jk. erwähnt – der eigentliche Prophet Jesaja von 740-701 v. Chr. wirkte, Jes 40-55 ist von einem zweiten Propheten aus späterer Zeit, und Jes 55-66 von einem dritten Propheten aus noch späterer Zeit, was dann im Jesaja-Buch zusammengefasst wurde) geht auf die Situation der Israeliten nach dem Babylonischen Exil (ab 538 v. Chr.) ein: In Jerusalem versammelt sich die Gemeinde (neu) um ihr Heiligtum, den Tempel. Aber wo bleibt das „Heil“, die Erfahrung von Gottes Nähe und Güte? Sie sind zwar wieder in ihrem heiligen Land und ihrer heiligen Stätte, doch wo bleibt die innere Erfüllung?

Jesaja vertröstet nicht, er prophezeit die baldige „Offenbarung“ Gottes. Und sie ergeht – das ist der Zusammenhang mit dem heutigen Evangelium – nicht nur an den „alten Stamm“ Israel, sondern auch an alle andere Menschen, die sich (in der Zwischenzeit?) diesem Glauben angeschlossen haben, „die den Sabbat halten“ (Jes 56, 6) und an dem Bund Gottes festhalten. Das soll und wird das „Heil“, die „Freude“, die „Erfüllung“ sein: Wenn alle Menschen zu einem Gott beten, der alle Menschen gleich liebt – dann würden (!) alle Menschen erkennen und leben, dass wir wahrhaft alle Geschwister sind, Erdenbürger mit gleicher Würde und Bedeutung und dem gleichen Recht für alle!

Lesung aus dem Buch Jesaja:

„So spricht der Herr: Wahrt das Recht und sorgt für Gerechtigkeit; denn bald kommt von mir das Heil, meine Gerechtigkeit wird sich bald offenbaren. 

Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben,

um seine Knechte zu sein, alle, die den Sabbat halten und ihn nicht entweihen, die an meinem Bund fest halten, sie bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfülle sie in meinem Bethaus mit Freude. Ihre Brandopfer und Schlachtopfer finden Gefallen auf meinem Altar, denn mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt.“

Zur 2. Lesung (Röm 11, 13-15.29-32)

Wie schön, dass sich Paulus in dem heutigen Abschnitt aus seinem Brief an die Römer selber als das bezeichnet, was er im Besonderen war: Der „Apostel der Heiden“. Er hat wohl am meisten Missionsreisen unternommen, in den ersten Jahren der Christenheit wohl die meisten Gemeinden gegründet, und auf dem Apostelkonzil 48/49 n. Chr. ist er es, der sich mit seiner Überzeugung durchsetzen kann, dass Nicht-Juden nicht dem jüdischen Gesetz unterstehen, wenn sie Christen werden.

Im heutigen Abschnitt hören wir – in Anknüpfung an die Römer-Lesung vom letzten Sonntag – dass Paulus weiterhin sehr daran gelegen ist, auch möglichst viele seiner ehemaligen Glaubensschwestern und –brüder vom Glauben an Jesus den Christus zu überzeugen.

Ab dem zweiten Absatz der folgenden Lesung kann man diese m. E. so „übersetzen“:

Dadurch, dass die Mehrheit des Volkes Israel Jesus abgelehnt und eben nicht als Messias (an)erkannt hat, konnte sein Heil(sangebot) auch für alle anderen Menschen sichtbar werden (= „für die Welt Versöhnung gebracht“). Denn Gott will durch seinen unüberbietbaren Liebesbeweis, seinen eigenen Sohn in den Tod am Kreuz gehen zu lassen, allen Menschen zeigen, wie groß seine unverbrüchliche Liebe zu uns ist, dass sie selbst das verziehen hat (= „Leben aus dem Tod“). Dies „anzunehmen“ bedeutet, aus dieser Überzeugung und der Überzeugung zu leben, dass das Gute (Liebe und Gemeinschaft) stets vom Bösen (Macht und Angst) bekämpft wird, im letzten das Gute aber siegen wird (= Auferstehung). Es gibt auf Erden nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird das Gute durch das Böse besiegt oder das Böse wird besiegt durch das Gute (vgl. Röm 12, 21: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“).

„Und wie ihr [= die Heiden] einst Gott ungehorsam wart [weil sie nicht dem Volk / Glauben Israel angehört haben], jetzt aber infolge ihres Ungehorsams [= der Juden, weil sie Christus nicht anerkannt haben] Erbarmen gefunden habt [= weil das Heil dadurch für alle Menschen „geöffnet“ wurde], so sind sie [= die Juden] infolge des Erbarmens, das ihr [= die Heiden] gefunden habt, ungehorsam geworden, damit jetzt auch sie [= die Juden] Erbarmen finden.“ = die „Gnade und Berufung“ Gottes gilt allen Menschen und ist unwiderruflich! Alle Menschen sind Sünder (= „Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen“) und Gott erbarmt sich aller – damit wir aus diesem Erbarmen leben: als Erbarmende!!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Euch, den Heiden, sage ich: Gerade als Apostel der Heiden preise ich meinen Dienst, weil ich hoffe, die Angehörigen meines Volkes eifersüchtig zu machen und wenigstens einige von ihnen zu retten.

Denn wenn schon ihre Verwerfung für die Welt Versöhnung gebracht hat, dann wird ihre Annahme nichts anderes sein als Leben aus dem Tod. Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt. Und wie ihr einst Gott ungehorsam wart, jetzt aber infolge ihres Ungehorsams Erbarmen gefunden habt, so sind sie infolge des Erbarmens, das ihr gefunden habt, ungehorsam geworden, damit jetzt auch sie Erbarmen finden.

Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um sich aller zu erbarmen.“

Zum Evangelium (Mt 15, 21-28)

Der heutige Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium ist ein sehr deutlicher und vielleicht der wichtigste Hinweis darauf, dass und wie sich der Glaube bei Jesus selbst, seine Lebens- und Sendungsüberzeugung entwickelt / gewandelt hat. Sagt Jesus z. B. nach Mt 10, 6 noch: „Diese Zwölf [Apostel] sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht zu den Heiden, und betretet keine Stadt der Samariter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“, so hören wir heute von einer Begebenheit, die entscheidend und maßgeblich seine eigene Vorstellung radikal verändert – durch die Glaubensüberzeugung einer „Heidin“!

Auch Mk (7, 24-30) berichtet davon, wie eine Frau sich an Jesus wendet mit der Bitte, ihre Tochter gesund zu machen – sie glaubt also an seine besondere Sendung / Kraft! Zunächst ignoriert er sie, erst auf Drängen seiner Jünger antwortet er ihr – in kaum zu glaubender Kälte und Härte: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen“. Nicht nur, dass er die hilfesuchende Frau abweist, er bezeichnet sie eigentlich auch noch als „Hund“ – warum? Zur Zeit des öffentlichen Auftretens Jesu (28-30 n. Chr.) war Palästina schon seit mehr als 90 Jahren (seit 63 v. Chr.) unter römischer Herrschaft. Tyrus und Sidon waren zu der Zeit wichtige Handelsorte an der Küste in Syro-Phönizien (nördlich von Galiläa). Da diese Hafenstädte nicht über genügend Getreide verfügten, wurden auch jüdische Siedlungen von den römischen Besatzern gezwungen, diese zu beliefern. „Hund“ war außerdem ohnehin ein Schimpfwort für Heiden. Jesus ist also sichtlich verärgert, dass hier jüdische Vorräte an heidnische Städte abgegeben werden müssen. Dieser Ärger ist offensichtlich so groß, dass er zunächst über die Not und Bitte der Frau hinweggeht. Aber dann – wenn wir so wollen – spricht Gott-Vater durch die Syrophönizierin / Kanaanäerin zu seinem Sohn: Die Güte Gottes ist so groß, dass sie auch für die reicht, die nicht zum „auserwählten Volk gehören (= „Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen“). Dies wird das Sendungsbewusstsein Jesu grundlegend und endgültig erweitern: Jeder Mensch ist Gottes geliebtes Kind!

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jener Zeit „zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück.

Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie (von ihrer Sorge), denn sie schreit hinter uns her.

Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.

Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!

Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.

Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.

Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.“