Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 21. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
So. 22. Aug. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 21. Sonntag im Jahreskreis 2021

Zur 1. Lesung (Jos 24, 1-2a.15-17.18b)

Jósua ist der Nachfolger des Mose (vgl. Num 27, 18-23 und Dtn 34, 9, vgl. den Tod des Mose, Dtn 34, 4f), der das Volk Israel schließlich in das gelobte Land führt. Da auch (vgl. die Verehrung eines goldenen Stieres, Ex 32, 1-6) hier die Gefahr besteht, dass sich das Volk trotz der erfahrenen Gottesführung und Erfüllung seiner Verheißung anderen Göttern (nun kanaanitischen Gottheiten, die vor der Landnahme hier verehrt wurden) zuwendet, schwört Jósua die Israeliten am Ende seines Lebens (vgl. Jos 24, 29) nochmals auf den Glauben an „ihren“ Gott ein.

Lesung aus dem Buch Jósua:

In jenen Tagen „versammelte Jósua alle Stämme Israels in Sichem; er rief die Ältesten Israels, seine Oberhäupter, Richter und Listenführer zusammen und sie traten vor Gott hin. Jósua sagte zum ganzen Volk: Wenn es euch aber nicht gefällt, dem Herrn zu dienen, dann entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter jenseits des Stroms dienten, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen. Das Volk antwortete: Das sei uns fern, dass wir den Herrn verlassen und anderen Göttern dienen. Denn der Herr, unser Gott, war es, der uns und unsere Väter aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgeführt hat und der vor unseren Augen alle die großen Wunder getan hat. Er hat uns beschützt auf dem ganzen Weg, den wir gegangen sind, und unter allen Völkern, durch deren Gebiet wir gezogen sind. Auch wir wollen dem Herrn dienen; denn er ist unser Gott.“

Zur 2. Lesung (Eph 5, 21-32)

Die heutigen Worte aus dem Epheser-Brief bergen die Gefahr, ein bestimmtes (Ehe-)Frauenbild „biblisch“ zu belegen / verstärken: Die Unterordnung der Frau unter dem Mann. Das wichtigste ist zunächst, dass nicht Jesus das gesagt hat (es widerspräche diametral seinem persönlichen Umgang mit Frauen), sondern der Verfasser des Epheser-Briefes. Darüber hinaus liegt der Fokus eben nicht auf der vermeintlichen weiblichen Unterordnung, sondern dient als Analogie für die Kirche: Die „Kirche“ @ die Frauen, der Christus @ der Mann, d.h. wir als Kirche sollen uns Christus unterordnen! So wie der Mann Vater und Mutter verlässt und sich an eine Frau bindet (vgl. Vers 31), so bindet sich Christus an seine Kirche, in der wir uns ihm unterordnen sollen!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser:

Liebe Brüder und Schwestern! „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus. Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus); denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen. So will er die Kirche herrlich vor sich erscheinen lassen, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos. Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 6, 60-69):

In jener Zeit „sagten viele der Jünger Jesu, die ihm zuhörten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören? Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde. Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher. Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“

Liebe Schwestern und Brüder, Sie kennen sicher den Ausspruch: Glauben heißt, nicht wissen! Vielleicht haben Sie das auch schon mal so gesagt oder gedacht. Die Frage ist, ob das stimmt? Im Deutschen gibt es ja drei Bedeutungen von Glauben: Wenn man z.B. zum Himmel schaut und sagt: „Ich glaube, es gibt anderes Wetter“, dann geht es um eine Vermutung. Wenn Ferien sind und der Briefkasten der Nachbarn quillt über und man sagt: „Ich glaube, die sind verreist“, dann ist es eine Wahrscheinlichkeit. Und wenn ich meinen Neffen Simeon frage: „Hast du das Fahrrad in der Garage umgeworfen, und er sagt: Nein“, dann kann ich ihm glauben, d.h. ihm vertrauen, dass das stimmt. Welche Definition passt denn jetzt für unseren Glauben an Gott? Vermutung, Wahrscheinlichkeit oder Vertrauen? Um ganz ehrlich zu sein: Bei mir gibt es alle drei und ich nehme mal an, dass es Ihnen und anderen Menschen vielleicht ähnlich geht. – Vor einigen Jahren habe ich in der 11. Klasse eine Kursarbeit geschrieben, bei der es um Religion, Glauben und Wissen ging. Und eine Schülerin hat dazu etwas geschrieben, das ich so klasse fand, dass ich es mir notiert habe: „Mit dem Glauben an Gott ist es genauso wie mit einer alten Frau, die vor einer Rolltreppe steht, die sich erst beim Passieren einer Lichtschranke in Bewegung setzt. Solange sie vor der Rolltreppe steht, ist sie skeptisch, zweifelt die Funktionstüchtigkeit der Treppe an und versucht, Beweise für oder gegen ihre Funktionstüchtigkeit zu finden. Doch sobald sie auf der Treppe ist, diese sich bewegt, kann sie glauben und verstehen, dass die Rolltreppe funktioniert. Man muss sich zuerst auf den Weg des Glaubens begeben, um die Existenz Gottes zu glauben und zu verstehen. Denn wer sich das nicht traut, wird ewig voller Skepsis im Ungewissen stehen und wie wild nach Gottesbeweisen suchen, die ohne echten Glauben nicht zu finden sind, die nie in Worte gefasst werden können und die auch mit Glauben nicht immer offensichtlich sind.“ Das finde ich ganz wunderbar beschrieben, was Glauben ausmacht und wie das funktioniert. Und wenn Sie so mal auf Ihren eigenen Glauben schauen, vielleicht können Sie sich da wiederfinden, wie sich das bei Ihnen entwickelt hat und weiter entwickelt. Wenn ich mir mein eigenes Leben so anschaue, dann war das bei mir so, dass es da immer schon eine religiöse Prägung gab: Meine Mutter hat immer schon mit uns gebetet. Es ging nicht darum, in die Kirche zu gehen, sondern es ging um Gebet und Dankbarkeit – und um (den respektvollen) Umgang mit anderen Menschen! Ich bin sicher, dass das das Fundament war, auf dem ich meinen Glauben aufbauen durfte: Darauf zu vertrauen, dass es einen Gott gibt, der mich und alle liebt, und (ihm) dankbar zu sein für all das, was gut und schön ist in meinem Leben. Aber dann – und das habe ich erst sehr viel später begriffen – wird es erst interessant: Wenn es im Alltag schwierig und traurig und einsam und ratlos wird, dann geht es darum: Vertraue ich immer noch? Ist das dann immer noch der Hintergrund oder Horizont, auf dem sich mein Leben abspielt? Glaube ich immer noch daran, dass es da jemand gibt, der die Liebe ist, der alles trägt und hält, damit nichts verloren gehen kann, und der v.a. Kraft und Impulse für ein gutes Leben in Gemeinschaft gibt? Mich hat im Studium diese Auseinandersetzung so interessiert, dass ich dazu meine Diplomarbeit geschrieben habe mit dem Titel: „Glauben durch Grenzerfahrung?“ Fangen wir Menschen dann erst wirklich an, nach einer ewigen, heilen Welt zu suchen, wenn wir konkret spüren, wie endlich und begrenzt die unsere ist? Für mich hatte diese Diplomarbeit deswegen eine besondere Dramatik, weil sechs Wochen nach der Anmeldung dazu bekam meine Mutter eine schwere Krebsdiagnose und ich habe den größten Teil dieser Arbeit tatsächlich an ihrem Krankenbett geschrieben. Das war dann auch die bisher größte Herausforderung an meinen Glauben. Und wissen Sie, was mir am meisten geholfen hat? Mich an dem festzuhalten, was bisher schön und gut war und darauf zu vertrauen, zu hoffen, dass wir das nie verlieren können, und mich an den Menschen festzuhalten und auch für die da sein zu wollen, die mir nahe stehen (und ebenso betroffen sind und leiden und bangen wie ich) – das waren die Kräfte für ein Weitermachen und ein weiter-Entwickeln, auch meines Glaubens! –

Das heutige Evangelium ist meines Wissens die einzige Stelle im NT, die uns berichtet, dass sich auch Jünger Jesu vor seiner Verhaftung von ihm abgewandt haben. Was war geschehen? Johannes erzählt vorher von der „Speisung der 5000“ (vgl. Joh 6, 1-15) und dem „Gang auf dem Wasser“ (vgl. Joh 6, 16-21). Wie wir an den letzten beiden Sonntagen gehört haben, geht es dann um Jesus Christus als das „Brot des Lebens“ (vgl. Joh 6, 36.48.58). Das war wohl für einige Jünger zu viel – haben sie es nicht verstanden? Waren sie nicht genug von Herzen mit ihm verbunden? Haben sie Jesus zu wenig vertraut (wie er das meint und was das für ihr Leben bedeuten kann)? In meiner Kaplanszeit hat einmal eine junge Frau im Gespräch zu mir gesagt: „Unser Glaube reicht nur so weit unsere Liebe geht“! Das ist der Glaube (und damit das Leben) Jesu – unser Glaube ist Vertrauen und Hoffnung und vor allem: Liebe! Nur wenn wir in Liebe verbunden bleiben (auch mit Jesus!), werden wir dunkle Tage und Nächte aushalten und dem treu bleiben, was uns bisher das Herz erfüllt hat und gut und schön war. Ein Pfarrer hat in einer Predigt einmal dazu gesagt, Glauben heißt: „Sehen, erwarten, hoffen und lieben“! – Ja, das ist unser „glauben“!