Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 21. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 22. Aug. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 21. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung (Jes 22, 19-23)

Im Unterschied zur Lesung aus dem Buch Jesaja vom letzten Sonntag ist dieser Abschnitt wieder aus dem „richtigen“ Jesaja, d.h. 7. Jh. v. Chr.. Es geht um „Schlüsselgewalt“: Schebna ist Tempel- und Palastvorsteher unter König Hiskija (725-696 v. Chr.) von Juda. Schebna soll abgesetzt werden, die Begründung steht in dem Textabschnitt vor der heutigen Lesung: Weil er wohl zu selbstherrlich und anmaßend ist (vgl. Jes 22, 16-18). Nachfolger soll der Sohn des Priesters Hilkíja sein: Éljakim. Ihm wir die Verantwortung für den Palast und Tempel übertragen („Gewand“, „Schärpe“). Nach der Überzeugung Jesajas – im Sinne Gottes – liegt die wahre und gute Führungsgewalt darin, den „Einwohner[n] Jerusalems und für das Haus Juda ein Vater“ zu sein (Jes 22, 21b). Seine „Schlüsselgewalt“ (vgl. Jes 22, 22) bedeutet höchste Autorität – auch das eine Eigenschaft guter Führerschaft.

In Bezug auf Führungsstile habe ich mal in meinen Sozialpsychologischen Unterlagen nachgeschaut, da gibt es ein Experiment, was schon sehr lange her ist, aber immer noch bedeutungsvoll ist (Lewin, Lipitt & White, 1953). Diese Autoren haben den Zusammenhang von Leistung, Zufriedenheit und Aggression in Verbindung mit Führungsstilen untersucht. Man kann grundsätzlich drei Führungsstile unterscheiden:

  • Der autoritäre Führungsstil = der Führer bestimmt und lenkt die Aktivitäten und Ziele der Einzelnen und der Gruppe.
  • Der demokratische Führer ermutigt zu Gruppendiskussionen und –entscheidungen, versucht, aktiv (gleichberechtigt) am Gruppenprozess teilzunehmen.
  • Der laissez-faire Führungsstil = der Führer gibt völlige Entscheidungsfreiheit, spielt eine passive Rolle, greift nicht steuernd in den Gruppenprozess ein, egal was passiert.

In ihrem Experiment von 1953 haben die Autoren vier Gruppen 10-jähriger Jungen jeweils 6 Wochen in einem Freizeitclub mit den jeweiligen Führungsstilen konfrontiert.

  • Ergebnisse:
  • Der autoritäre Führungsstil rief sehr viel Feindseligkeit und Aggression hervor.
  • Es gab auch Aggressionen gegen Sündenböcke.
  • Mehr latente Unzufriedenheit, mehr Abhängigkeit und weniger Individualität.
  • Der demokratische Führungsstil war sehr wirkungsvoll, nicht nur hinsichtlich der Arbeitsleistung, sondern auch der sozialen Ziele:
  • Höheres und echtes Interesse an der Arbeit = die Jungen arbeiteten weiter, wenn der Leiter den Raum verließ.
  • Höhere Originalität und kreatives Denken. Größere Gruppenorientierung und Freundlichkeit.
  • 19 von 20 Jungen zogen den demokratischen dem autoritären vor.
  • Der laissez-faire Führungsstil war weniger organisiert, weniger wirksam und weniger befriedigend für die Jungen als der demokratische.
  • Die Kinder arbeiteten weniger und schlechter.
  • Das Fehlen von Anleitung führte zu Unordnung, Misserfolgen und Rückschlägen bei den Arbeiten.
  • Führungsstile beziehen sich natürlich nicht nur auf Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kirchen, sondern auf alle Formen menschlicher Gemeinschaft. Wie sieht der Umgang in unseren Familien aus?

Lesung aus dem Buch Jesaja:

So spricht der Herr zu Schebna, dem Tempelvorsteher:

„Ich verjage dich aus deinem Amt, ich vertreibe dich von deinem Posten. An jenem Tag werde ich meinen Knecht Eljakim, den Sohn Hilkijas, berufen. Ich bekleide ihn mit deinem Gewand und lege ihm deine Schärpe um. Ich übergebe ihm dein Amt und er wird für die Einwohner Jerusalems und für das Haus Juda ein Vater sein. Ich lege ihm den Schlüssel des Hauses David auf die Schulter. Wenn er öffnet, kann niemand schließen; wenn er schließt, kann niemand öffnen. Ich schlage ihn an einer festen Stelle als Pflock ein; er wird in seinem Vaterhaus den Ehrenplatz einnehmen.“

Zur 2. Lesung (Röm 11, 33-36)

Auch wenn es nur ein paar Zeilen sind, die wir heute aus dem Brief von Paulus an die Gemeinde in Rom hören, so sind sie (weiterhin) von einer großen Tiefe und Bedeutung. Das Thema heute ist die „Göttlichkeit Gottes“, wenn man es so nennen will, d.h. Paulus unterstreicht, wie unmöglich es für uns Menschen ist, Gott zu verstehen. Das ist deswegen so wichtig, weil es nicht nur zu den größten Versuchungen des Menschen gehört, sich selbst als „Gott“ zu sehen (vgl. den Sündenfall in Gen 2, 5), d.h. selbstgerecht und egoistisch über das Leben und über Gut und Böse zu entscheiden, sondern auch, Gott – das ist natürlich eine der großen Fallen in allen Religionen! – menschliche Worte in den Mund zu legen. Eines der schlimmsten Beispiele unserer (!) Religion ist der Schlachtruf der Kreuzzüge: Papst Urban II. hatte am 27. November 1095 auf der Synode von Clermont-Ferrand (Zentralfrankreich) in einer Predigt zur Befreiung Jerusalems und damit zum (ersten) Kreuzzug aufgerufen. Das Volk soll darauf gerufen haben „Deus lo vult“ = „Gott will es“, was zum Schlachtruf der Kreuzzüge wird. ó Gott will immer nur Versöhnung, Güte, Barmherzigkeit und Frieden – und daran kann man alle Religionen messen!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Liebe Schwestern und Brüder!

„O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm etwas gegeben, sodass Gott ihm etwas zurückgeben müsste?

Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“

Zum Evangelium (Mt 15, 21-28)

Wenn Sie schon mal in St. Peter in Rom waren, haben Sie an der unteren Bandung der Kuppel in riesigen lateinischen Buchstaben genau diesen Satz lesen können, den wir heute hören. Jesus sagt zu Petrus: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben“ = „Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et portae inferi non praevalebunt adversus eam. Et tibi dabo claves regni caelorum“. Darauf beruft sich (u.a.!) und basiert das Papsttum. Das möchte ich aber heute nicht vertiefen, sondern die existentielle Frage herausstellen, die Jesus seinen Jüngern stellt: „Für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16, 15). –

  • Für wen halte ich Jesus Christus? Ganz konkret!
  • Welche Bedeutungen fallen mir ein?
  • Und welche Auswirkungen hat das für meinen Alltag?

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jener Zeit, „als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?

Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!

Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.

Dann befahl er den Jüngern, niemand zu sagen, dass er der Messias sei.“