Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 22. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 29. Aug. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 22. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung (Jer 20, 7-9)

Jeremia ist einer der vier „großen“ Propheten im Alten Testament und wirkt während der letzten 50 Jahre in Juda vor dem Exil (597-539 v. Chr.). Der Überlieferung nach wird er 580 v. Chr. von den Juden gesteinigt.

Was wir heute hören, sind wohl private Aufzeichnungen, wie schwer Jeremia seinen Dienst als Prophet empfindet, welche täglichen Folgen und Konsequenzen das für ihn hat: Er wird zum „Gespött“ und wird ständig verhöhnt! Worte Gottes zu sagen, gegen das eigene Volk und die öffentliche Meinung, das ist eine schwere Bürde. Doch er ist so sehr verbunden mit Gott, dass er seine Worte, seine Überzeugung im Herzen, nicht unterdrücken oder ignorieren kann.

Vieles, was gerade die Propheten verkündet haben, generell was „heilige Bücher“ dokumentieren, hat ja den Anspruch von Wahrheit. Aber was ist Wahrheit?

Ich finde es äußerst spannend, dass beim Verhör Jesu nach dem Johannes-Evangelium Pontius Pilatus genau diese Frage stellt (vgl. Joh 18, 38). Zuvor hat Jesus dargelegt: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18, 37b). Die Frage von Pilatus: „Was ist Wahrheit“ hat Jesus bewusst unbeantwortet gelassen, weil er es im Satz vorher schon gesagt hat: Er ist die Wahrheit (und der Weg und das Leben, vgl. Joh 14, 6), denn bei „Wahrheit“ geht es um das, wie etwas wirklich ist. Und Jesus hat – nach unserer Überzeugung – wahrhaftig gezeigt und gelebt, wie Leben in Frieden, Entfaltung, Freiheit und Glück für alle Menschen gehen kann (und soll). Daher sagt er auch in Joh 3, 21: „Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht“ und „die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8, 32b). Gott selbst ist die letztendliche Wahrheit, was die heilige Edith Stein in dem Satz zusammenfasst: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott“! Deswegen ist diese Lesung aus Jeremia auch ausgesucht worden, weil sie das selbe Thema benennt, was wir gleich im Evangelium hören: Die Diskrepanz zwischen dem, was wir Menschen wollen und dem, was Gott (für uns) will. Aber warum haben die Menschen (ich finde, das muss man verallgemeinern!) so viel Angst vor der Wahrheit? Weil es so viele Dinge in unserem Leben gibt, mit denen wir unsere Schwächen und Unzulänglichkeiten, unser Versagen und unsere Schuld vertuschen wollen. Es bleibt eine der größten Versuchungen und Fallen des Menschen: Besser dastehen / angesehen werden zu wollen, als man ist. Doch der Preis dafür ist immens! Können und wollen wir dann tatsächlich noch an dem arbeiten und (versuchen,) das fruchtbar werden (zu) lassen, wo wir schwach, hilfsbedürftig und egoistisch sind? Jesus will aber Menschen genau da abholen (vgl. die Heilung des blinden Bartimäus, Mk 10, 46-52), damit wir nicht mehr Theater spielen (vgl. auch das Buch des amerikanischen Soziologen Erving Goffman: „Wir alle spielen Theater“), sondern das und so leben, wie wir wirklich, wahrhaftig sind. Warum? Weil wir so unvorstellbar viel Kraft aufwenden, „besser“ erscheinen zu wollen, anstatt diese Kraft mitzuverwenden, uns auch da weiter zu entwickeln, womit wir (und wahrscheinlich auch die Menschen, die uns kennen und lieben) eigentlich unzufrieden sind.

Wir glauben an einen Gott, „der uns weiß“ (ich finde das eine so schöne Formulierung!), d.h. der uns kennt und für den alles in uns wichtig ist, weil wir nur mit beidem: mit dem, was gut läuft, und mit dem, was nicht gut läuft, erkennen können, wie Leben gut geht. Je mehr wir zu unserer „Wahrheit“ stehen, zu dem, wie wir wirklich / wahrhaftig sind, desto mehr werden wir an uns arbeiten!

Lesung aus dem Buch Jeremia:

„Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören; du hast mich gepackt und überwältigt. Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag, ein jeder verhöhnt mich.

Ja, sooft ich rede, muss ich schreien, «Gewalt und Unterdrückung!», muss ich rufen. Denn das Wort des Herrn bringt mir den ganzen Tag nur Spott und Hohn.

Sagte ich aber: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinem Innern. Ich quälte mich es auszuhalten und konnte nicht.“

Zur 2. Lesung (Röm 12, 1-2)

Ich finde es umso kostbarer (weil dadurch das Thema noch verstärkt wird), wenn auch die zweite Lesung inhaltlich zum Evangelium und der ersten Lesung passt, was nicht so häufig der Fall ist, weil die zweite Lesung meistens eine fortlaufende „Bahn“-Lesung ist. An diesem Sonntag finden wir das Thema aber auch im Römerbrief wieder: „Wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist“ (Röm 12, 2)! Das ist die Aufgabe eines jeden Gläubigen: Nach Gottes Willen zu handeln! Wie das grundsätzlich geht, das benennt Paulus aber auch: Durch Selbsthingabe (vgl. die heiligen Worte der eucharistischen Wandlung / des Abendmahls: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“, Lk 22, 19), d.h. durch alles, womit wir anderen helfen (können), erfüllen wir den Auftrag Gottes! – Warum? Weil nur so alle Menschen eine Chance auf ein gutes und glückliches Leben haben und nur so die Welt zu einem „besseren Ort“ wird, wenn wir helfen!!! Das ist die Lebensüberzeugung Jesu: Wahrer Gottesdienst ist Nächstendienst, und Dienst am Nächsten ist wahrer Dienst an Gott!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder und Schwestern, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.

Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist.“

Zum Evangelium (Mt 16, 21-27)

Was mir tatsächlich so imponiert ist, dass Jesus diesen Petrus als seinen Nachfolger eingesetzt hat (vgl. das Evangelium vom letzten Sonntag, Mt 16, 18), und wir an vielen Stellen im Neuen Testament aber auch hören, wie zutiefst menschlich, manchmal vorschnell dieser Petrus war. Ich finde es beruhigend und stärkend, dass Jesus gerade diesen Menschen mit so großem Herzen, mit viel Leidenschaft, aber auch mit viel Veränderungspotential als Leiter der (Ur-)Gemeinde ausgesucht hat. Denn direkt nach dem Messias-Bekenntnis des Petrus erläutert Jesus seinen Jüngern, was er konkret kommen sieht und was auch ihm geschehen wird, weil er so sehr für die Wahrheit (Gottes) eintritt: Er wird dafür mit seinem Leben bezahlen müssen! Für Petrus ist das ein unvorstellbarer Gedanke (und er wird es bis zu seiner Auferstehungserfahrung bleiben, vgl. sein Leugnung beim Prozess Jesu, was in allen vier (!) Evangelien berichtet wird: Mk 14, 66-72; Mt 26, 69-75; Lk 22, 54-62; Joh 18, 25-27).

Wie sehr die Kritik Petri eine Versuchung Jesu (!) darstellt, wird an seiner Reaktion deutlich: Es gibt keine andere Stelle im NT, in der Jesus einen anderen Menschen als „Satan“ bezeichnet, außer dieser! Und warum? Weil Petrus eben nicht das „im Sinn [hat], was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16, 23b)!

Elementar ist direkt danach die Belehrung der Jünger durch Jesus, wie Nachfolge in Bezug auf ihn geht:

  1. Selbstverleugnung, was oft missverstanden wird: Es sollen Selbstsucht, Triebe, Egoismus überwunden werden!
  2. Sein Kreuz auf sich nehmen = Meine persönliche Geschichte, besonders das, was mich „tiefer“ gemacht hat (Liebe, Talente, aber auch Leid, Sorgen etc.), soll ich für andere einsetzen, damit wir gemeinsam voneinander lernen können, wie wir wirklich glücklich werden, wie Leben wirklich gelingt.

Das befähigt dann zu 3.: Nachfolge = So leben, lieben, teilen, verzeihen, zusprechen, helfen etc. wie Jesus!

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jenen Tagen „begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.

Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!

Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?

Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen.“