Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 23. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 5. Sep. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 23. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung ((Ez 33, 7-9)

Ezéchiel gehört zu den vier großen Propheten des Alten Testaments, er lebt im 6. Jh. v. Chr. und wird Anfang des 6. Jh. nach der Eroberung des Südreichs Juda und seiner Hauptstadt Jerusalem durch den babylonischen König Nebukadnezar II. mit einem Großteil der israelitischen Oberschicht nach Babylon verschleppt (= „Babylonische Gefangenschaft“). Er wohnt in der Nähe von Babylon und wirkt dort etwa 20 Jahre als Prophet.

In der heutigen Lesung hören wir, dass Ezéchiel von Gott den Auftrag bekommt, Sünder von ihrem falschen Weg abzubringen. Tut er es nicht, ist er mitschuldig an deren Schicksal, tut er es und sie hören dennoch nicht auf ihn, dann ist es ihre Schuld!

Das wirft die Frage für uns auf, inwieweit wir mitverantwortlich sind für das Verhalten und die Einstellung anderer Menschen? Eigentlich sollte uns das wohl nichts angehen, solange wir nicht durch die Handlungen anderer direkt betroffen sind. Der Ausschnitt aus Ezéchiel – ebenso wie der Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium – sieht das interessanterweise anders: Wir Menschen sind mitverantwortlich, wenn sich unsere Mitmenschen falsch verhalten bzw. falsche Einstellungen haben. Nach Ezéchiel (und Jesus) haben wir die Verpflichtung, unsere Nächsten darauf hinzuweisen, was uns als „falsch“ auffällt. Das verlangt nicht nur große Zivilcourage, sondern v.a. auch eine kontinuierliche und sehr gewissenhafte Überprüfung, was wir – zunächst in Bezug auf uns selbst!! – als richtig und was als falsch ansehen. Wenn ich Ezéchiel und auch Jesus diesbezüglich richtig verstehe, dann ist die Botschaft nicht, dass wir für andere Menschen [außer natürlich für Schutzbefohlene wie Alte, Kranke, Kinder, Behinderte etc.] Verantwortung haben, sondern dass wir unseren eigenen Verantwortung gerecht werden, wenn wir auch schauen, was uns bei anderen als falsch auffällt! Demnach gehört es zu meiner Ver-Antwortung (= Verpflichtung, Antwort zu geben), nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen auf die Antworten auf die Frage (Gottes!) zu schauen: „Liebst du deinen Nächsten wie dich selbst?“ (Vgl. Mk 12, 31 et par. (= und parallele Stellen in den anderen Evangelien), vgl. auch die heutige 2. Lesung, Röm 13, 9)! Warum ist das so wichtig? Weil Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit (weltweit) letztendlich nur dadurch möglich werden, wenn ich mich so verhalte, wie es mir selbst guttut!

Die Botschaft aus der heutigen Ezéchiel-Lesung heißt für uns also: Gehe gewissenhaft mit dem um, was du selber denkst und fühlst und mit dem, was du (bei anderen) siehst und hörst – und handle entsprechend!

Ich habe mal zusammengestellt, was m. E. hilfreiche Aspekte sind, um Kritik gut rüber zu bringen:

  • 7 Kriterien für „gute“ Kritik:
  • Zeitnah Kritik üben!
  • Nach Möglichkeit zunächst positive Rückmeldung, dann Kritik!
  • Ich-Botschaften!
  • Konkret, keine Verallgemeinerungen (wie z.B. „immer“, „nie“), und auf das Verhalten bezogen, nicht auf die Person!
  • Überprüfung der Kritik durch eigenes Nachfragen oder „Spiegeln“ des anderen (= „Ich habe dich so verstanden, dass du …“)!
  • Verbesserungsvorschläge (= „Ich wünsche mir, dass du …“)!
  • Goldene Regel = Was du nicht willst, dass man dir tut, dass tu auch keinem anderen an = so Kritik üben!

Lesung aus dem Buch Ezéchiel:

„Du aber, Menschensohn, ich gebe dich dem Haus Israel als Wächter; wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen.

Wenn ich zu einem, der sich schuldig gemacht hat, sage: Du musst sterben!, und wenn du nicht redest und den Schuldigen nicht warnst, um ihn von seinem Weg abzubringen, dann wird der Schuldige seiner Sünde wegen sterben. Von dir aber fordere ich Rechenschaft für sein Blut.

Wenn du aber den Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast, damit er umkehrt, und wenn er dennoch auf seinem Weg nicht umkehrt, dann wird er seiner Sünde wegen sterben; du aber hast dein Leben gerettet.“

Zur 2. Lesung (Röm 13, 8-10)

Das „Gesetz“ ist ein Synonym für die Fünf Bücher Mose (griech. Pentateuch), die im AT als Tora (auch Thora, Betonung bei beiden Nomen auf a) bezeichnet wird, was auf hebr. lehren / unterweisen zurückgeht, weshalb man sie auch „Weisung“ nennt.

In der Thora gibt es Hunderte von Ge- und Verboten, die ein gläubiger Jude einzuhalten hat, z.B. bzgl. Feste und Gottesdienste, Sabbat, Reinheits- und Beschneidungsvorschriften. Das Ziel all dieser Vorschriften ist, sich so zu verhalten, wie Gott es will!

Da muss man natürlich sehr vorsichtig sein, denn alles Geschriebene (!) kann nur von Menschen aufgeschrieben sein, sicher im Glauben an einen göttlichen Auftrag und Beistand, aber doch im begrenzten Rahmen menschlichen Verstandes und menschlicher Formulierungen. Paulus fasst in dem heutigen Abschnitt aus dem Römerbrief ist einzigartiger Weise in einem Satz zusammen, worauf alle (!) Ge- und Verbote im AT zielen: Dass wir Menschen einander lieben sollen (und der 1. Johannesbrief gibt dann die grundlegende Begründung dafür: Weil Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4, 8; 16b)!) Die Nächstenliebe ist also die Erfüllung des Gesetzes (vgl. Röm 13, 8b; 10b; vgl. auch Lev 19, 18!)! Und weil die Liebe niemals aufhört (vgl. 1 Kor 13, 8), ist auch die Nächstenliebe unbegrenzbar und das einzige, was wir den anderen immer schuldig bleiben!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt.

Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz  zusammengefasst:

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“

Zum Evangelium (Mt 18, 15-20)

Wie schon zur ersten Lesung besprochen, macht Jesus heute deutlich, wie sehr wir uns bemühen sollen, um unsere Nächsten von einem falschen Weg abzubringen. Es geht dabei – wie gesagt – nicht um Besserwisserei oder Bevormundung, sondern um Sünden, d.h. um Egoismus (!), bei dem wir einschreiten sollen!

Der letzte Satz der heutigen Lesung aus dem Matthäus-Evangelium ist die existentiellste Zusage, die das Leben der Kirche und jedes Menschen prägen und inspirieren soll: „wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 15, 20)!

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jenen Tagen sprach Jesus zu seinen Jüngern:

„Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.

Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch:

Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“