Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 24. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
Sa. 11. Sept. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 24. Sonntag im Jahreskreis 2021

Zur 1. Lesung (Jes 50, 5-9a)

Im zweiten Teil des Propheten Jesája (Jes 40-55), der nicht mehr von Jesája selbst stammt (er wirkt von 740 bis 701 v. Chr.), sondern in seinem Namen (später dazu)geschrieben wird (ebenso wie noch später der dritte Teil, Jes 56-66), ist an vier Stellen (vgl. Jes 42, 1-4; 49, 1-6; 52, 13-53 und die heutige Lesung, Jes 50, 4-9) vom sogenannten „Gottesknecht“ die Rede. Damit ist sowohl pauschal das Volk Israel als auch einzelne Personen in ihm gemeint, die in besonderer Weise den Willen / Auftrag Gottes leben bzw. kundtun (sollen), das sind v.a. die Propheten. Laut Lk 4, 17-21 identifiziert sich Jesu mit dem „Gesalbten Gottes“ (vgl. Jes 61, 1), weswegen auch die Aussagen der heutigen Lesung aus Jesája auf ihn bezogen werden können – und sich in der Passion Jesu bewahrheiten.

Lesung aus dem Buch Jesája:

„Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate. Er, der mich freispricht, ist nahe. Wer wagt es, mit mir zu streiten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer ist mein Gegner im Rechtsstreit? Er trete zu mir heran. Seht her, Gott, der Herr, wird mir helfen.“

Zur 2. Lesung (Jak 2, 14-18)

Das ist die Quintessenz des Lebens und der Botschaft Jesu – und (damit) unseres Glaubens: Es gibt unseren „Glauben“ nur als Vollzug! Es geht nicht um dogmatische Überlegungen oder Überzeugungen, es geht nicht um rituelle oder kultische Zugehörigkeit oder Abläufe, sondern darum, die Lebensüberzeugung Jesu dadurch zu leben / lebendig werden zu lassen, dass anderen Menschen damit (im Leben, in Not, in Ausgrenzung, in Unfreiheit, in Unfrieden, in Angst, in Bedrängnis etc.) geholfen wird! Daher ist es eine so kostbare und existentielle Aussage, die wir im heutigen Abschnitt aus dem Jakobusbrief hören:

Lesung aus dem Jakobusbrief:

„Meine Brüder und Schwestern, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen – was nützt das? So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat. Nun könnte einer sagen: Du hast Glauben und ich kann Werke vorweisen; zeig mir deinen Glauben ohne die Werke und ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 8, 27-35):

In jener Zeit „ging Jesus mit seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er die Jünger: Für wen halten mich die Menschen? Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten. Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias! Doch er verbot ihnen, mit jemand über ihn zu sprechen. Dann begann er, sie darüber zu belehren, der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen. Und er redete ganz offen darüber. Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe. Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht kennen Sie diesen banalen Spruch: „Lieber reich und gesund als arm und krank“. Auf den ersten Blick scheint da nicht viel Tiefe drin zu stecken. Und trotzdem fiel mir dieser Satz ein, als ich das Evangelium von heute gelesen habe. Denn dieser Satz macht irgendwie doch deutlich, wonach wir Menschen uns ganz natürlich sehnen. Wer möchte nicht gesund sein, lange leben, und sich keine Sorgen mehr wegen des Geldes machen? Aber so ist das Leben natürlich nicht. Vielleicht sind aber auch deswegen die Magazine und Zeitschriften so gefragt, die uns von dem Leben der Reichen, Schönen und Mächtigen berichten. Für sehr viele Menschen scheint es besonders faszinierend zu sein, zu sehen und zu lesen, was den Menschen, die reich, schön und berühmt sind, passiert. Ich muss gestehen, wenn ich beim Arzt im Wartezimmer sitze, lese ich diese Zeitschriften auch sehr gerne und war manchmal schon enttäuscht, wenn ich zu früh aufgerufen wurde und nicht zu Ende lesen konnte. – Also ich glaube, es ist etwas zutiefst Menschliches, wenn wir uns nach einem langen, glücklichen und auch sorgenfreien Leben sehnen, und das kann auch nicht schlecht sein! – Petrus hat das wohl auch getan. Wir wissen zwar nicht, was er genau zu Jesus gesagt hat, nur, dass er ihm Vorwürfe macht, als dieser, nach dem Markus-Evangelium, zum ersten Mal mit seinen Jüngern seine (zunehmende) Überzeugung teilt, dass das mit seiner Botschaft und ihm – menschlich gesehen – nicht gut ausgehen, d.h. dass es ihm das Leben kosten wird. Was mir gerade an dieser Stelle des Evangeliums so gut gefällt, dass es wieder einmal Petrus ist, der ganz menschlich reagiert. Gerade noch hat er auf die Frage Jesu, für wen ihn die Jünger halten, bekannt, dass er der Messias sei. Und da finde ich es ganz natürlich, dass Petrus entsetzt ist, nun zu hören, dass sein geliebter Jesus bald leiden und sterben wird. Ich kann mir vorstellen, dass Petrus zu Jesus vielleicht gesagt hat: „Wie kannst du nur so etwas sagen? Du bist doch der Messias, der Sohn Gottes, der gekommen ist, um alle Menschen mit der Liebe Gottes zu berühren und zu befreien“. Aber die Reaktion Jesu ist eindeutig: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Vers 33). Es ist übrigens nach dem Zeugnis des Neuen Testaments das einzige Mal, dass Jesus einen Menschen mit „Satan“ bezeichnet. Und in dem, was Jesus danach seinen Jünger sagt, wird deutlich, warum er so heftig reagiert. Hier ist nämlich ein ganz entscheidender Punkt getroffen und es ist eines der wichtigsten Aussagen Jesu überhaupt: Es geht darum, welchen Auftrag der Mensch in seinem Leben hat. Wozu sind wir Menschen da? Was ist das Ziel unseres Lebens? Ein langes, glückliches, gesundes Leben ohne Sorgen? Das wäre sicher toll, wenn es so wäre, aber das Leben ist nicht so! Wenn jemand tatsächlich ein langes, glückliches, gesundes Leben ohne Sorgen hat, kann er nicht nur zutiefst dankbar sein, dass er so leben kann – nach der Botschaft Jesu würde einem solchen Menschen umso mehr der Auftrag Gottes gelten, seine Kraft für andere einzusetzen und seine Möglichkeiten mit anderen zu teilen (vgl. u.a. das Gleichnis von den anvertrauten Talenten, Mt 25, 14-30). Jesus weiß, dass alle Menschen auch ihr Leid, ihre Hoffnungen, ihr Versagen und ihre Not haben, daher macht er unmissverständlich klar, was es bedeutet, sein Jünger zu werden und ihm nachzufolgen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Vers 34) – was heißt das? „Sich selbst verleugnen“ bedeutet, nicht nur die eigenen Pläne und Lebensvorstellungen zu verfolgen, sondern auch zu schauen, welchen Auftrag Gott für mein Leben hat. Das ist das, was man wohl Berufung nennen kann. Nach dem Leben und der Botschaft Jesu ist jeder Mensch dazu berufen (und bestimmt!), anderen Menschen mit dem zu helfen, was er hat oder ist oder kann, und damit anderen beim Leben und ihrer Suche nach Glück, Zufriedenheut und Gemeinschaft zu helfen. „Selbstverleugnung“ ist dabei die bewusste Abkehr vom Egoismus, der nur an eigenen Zielen und Erfüllungen orientiert ist. Die zweite „Bedingung“ für die christliche Nachfolge ist, sein „Kreuz“ auf sich zu nehmen. Damit ist gemeint, dass ich mein ganzes Leben, alles, wie es gelaufen ist, auch wirklich als „mein Leben“ anerkenne. Sie alle kennen bestimmt irgendwelche Erfahrungen, die Sie am liebsten nie gemacht hätten, um die Sie nie gebeten haben und Sie keiner gefragt hat, ob Sie das erleben wollen. Die große Gefahr dabei ist, dass das zwar irgendwie zu uns gehört, weil wir das durchgemacht haben, wir das aber eigentlich weg haben wollen, obwohl es nun zu unserer Geschichte gehört: „Wenn das nicht passiert wäre, dann …“, „wenn ich damals nicht, dann …“, „wenn du damals nicht, dann …“. Egal, was wir als Erfahrung nicht haben woll(t)en, wenn wir es nicht als Teil unserer Identität anerkennen, werden wir auch nicht (bewusst) daraus lernen können, wie Leben eben nicht gut geht. Das ist aber für das Verständnis von Welt und Leben und Gemeinschaft und Glück und den jeweiligen Bedingungen, Voraussetzungen und Möglichkeiten dafür existentiell und not-wendig. – Und die dritte „Bedingung“ der Nachfolge Jesu ist, ihm dadurch zu folgen, dass ich so lebe und liebe, wie er. Wer das tut, wird seine Lebensfreude und Erfüllung nicht mehr davon abhängig machen, ob man reich und gesund ist, sondern, dass andere einen brauchen und lieben.