Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 28. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
So. 10. Okt. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 28. Sonntag im Jahreskreis 2021

Zur 1. Lesung (Weish 7, 7-11)

Das Buch der Weisheit wird auch die „Weisheit Salomos“ genannt. Salomo ist der dritte König von (Ganz)Israel (nach König Saul und David, seinem Vater) und er lebt im 10. Jh. v. Chr.. Das Buch der Weisheit entsteht allerdings mehr als 900 Jahre später, wahrscheinlich in der Zeit kurz vor 30 v. bis etwa 65 n. Chr.. Der heutige Abschnitt ist meines Erachtens eine arge Zumutung für uns: Ziehen wir Klugheit und Weisheit wirklich Reichtum, Gesundheit und Schönheit vor? Warum sollten wir das tun?

Lesung aus dem Buch der Weisheit:

„Ich betete, und es wurde mir Klugheit gegeben; ich flehte und der Geist der Weisheit kam zu mir. Ich zog sie Zeptern und Thronen vor, Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr. Keinen Edelstein stellte ich ihr gleich; denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein wenig Sand und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm. Ich liebte sie mehr als Gesundheit und Schönheit und zog ihren Besitz dem Lichte vor; denn niemals erlischt der Glanz, der von ihr ausstrahlt. Zugleich mit ihr kam alles Gute zu mir, unzählbare Reichtümer waren in ihren Händen.“

Zur 2. Lesung (Hebr 4, 12-13)

Der heutige Abschnitt aus dem Hebräerbrief bringt es „messerscharf“ (vgl. Vers 12) auf den Punkt: Das Wort Gottes zielt auf die Wahrhaftigkeit des Menschen, d.h. wie er tatsächlich fühlt und denkt! Nach der Botschaft Jesu macht das die Nähe Gottes zu den Menschen aus, dass er sie so weiß, wie sie wirklich, in ihrem Inneren, sind. Vgl. Mk 7, 15. 21-23: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. … Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.“

Lesung aus dem Hebräerbrief:

Liebe Schwestern und Brüder, „lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens; vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 10, 17-30)

In jener Zeit „lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter! Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich. Da sagte Petrus zu ihm: Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.“

Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht haben Sie mitbekommen, dass alle fünf Jahre für unser Land der sogenannte „Armuts- und Reichtumsbericht“ erstellt wird. Im Juni diesen Jahres (2021) wurde der mittlerweile sechste (seit der Wiedervereinigung Deutschlands) veröffentlicht. Er zeigt wiederum auf, dass die Reichen in Deutschland reicher geworden und gleichzeitig mehr Menschen von Armut bedroht sind, d.h. die „soziale Schere“ in unserer Gesellschaft geht immer weiter auseinander. Und wenn man im Internet nach „Reichtum“ sucht, zeigen sich da vielfältige Quellen, Reportagen und Analysen, teilweise mit faszinierenden bis hin zu abschreckenden Bildern – je nach dem, in wie weit man dabei die beschriebene „soziale Schere“ mit im Blick hat. – Der junge Mann, von dem wir gerade im Evangelium gehört haben, gehört nicht nur zu den Reichen seiner Zeit, heutzutage würde man ihn zu den „Superreichen“ zählen. Aber irgendwie ist ihm wohl doch nicht ganz wohl mit seinem Lebensstil, denn obwohl er alle „Gesetze“, d.h. alle Vorschriften des Alten Testaments, erfüllt hat, läuft er auf Jesus zu und fällt vor ihm auf die Knie – es drängt ihn offenbar sehr, von Jesus eine Antwort auf seine Frage zu bekommen, wie man im Himmel (und dadurch schon auf Erden, wenn man denn will!) wirklichen und dauerhaften Frieden und Freiheit der Seele (= „ewiges Leben“, Vers 17; 30) finden wird bzw. kann. Doch wie traurig und niedergeschlagen geht er wieder von Jesus weg, enttäuscht und wohl im Inneren zerrissen über das, was Jesus ihm gesagt hat. Hat Jesus ihn abgewiesen? Wenn wir den Text ganz genau betrachten, wird deutlich, dass das Gegenteil der Fall ist, wörtlich übersetzt heißt es: „Da sah ihn Jesus an und gewann ihn lieb und deswegen sagte er: Eines fehlt dir noch“ (Vers 21). Was hat Jesus wohl erkannt, als er den jungen Mann ansah? Vielleicht ist es die Angst gewesen, die Jesus gesehen und gespürt hat, das würde übrigens auch zu der Eile passen, mit der der Mann auf Jesus zustürmt: „Nicht wahr, ich hab` doch alles richtig gemacht, oder? Ich hab` mein Leben lang die Gebote befolgt, die Gott uns aufgetragen hat. Das reicht doch, oder?“ – Ja, er hat die Gebote befolgt und es war gut so, aber was fehlt ist das, woran dieser Mensch sein Herz gebunden hat. An einer anderen Stelle im Evangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6, 21). Das ist es, was noch fehlt! Es geht nicht darum, all das aufzugeben, was dem Mann oder uns gehört oder wichtig geworden ist, sondern es geht hier um zwei Dinge: Um Frucht und Freiheit! Nach der Botschaft Jesu soll alles im Leben im Dienst der Menschen stehen, nichts soll Selbstzweck sein, also nur für sich selber da, sondern alles soll (auch) eingesetzt werden, damit sich das Leben (anderer) und Gemeinschaft entfalten können. Das ist das oberste Ziel und das bedeutet Frucht- bringen-Lassen, die Möglichkeiten, die wir haben, anderen zur Verfügung stellen. Müssen wir also alles verkaufen, was uns lieb und teuer ist? Ich bin mir nicht sicher, ob Jesus das gemeint hat. In Bezug auf sich selbst und seine Apostel stimmt es auf jeden Fall, die haben alles verlassen, um dadurch frei zu werden für diese spezielle Nachfolge Jesu als „Wanderprediger“. Für uns Menschen „allgemein“ ist das nicht umsetzbar und meines Erachtens auch nicht gemeint, sondern da geht es vielmehr um ein (inneres) Freiwerden von Besitz (ist das nicht auch schwieriger als wenn ich sowieso nicht besitze?!): Sich nicht an Dinge klammern, weil sie mir vermeintlich Sicherheit geben, nicht ständig Angst zu haben, das zu verlieren, womit ich mein Leben eingerichtet habe. Und damit sind nicht nur die materiellen Dinge gemeint, dazu gehört auch das, was mich mit Menschen verbindet, auch das müssen wir immer wieder überprüfen mit der Frage: Bin ich auch für den anderen da, oder soll der eher für mich da sein? Es geht hier also darum, welche Bedeutung all das für uns hat, womit wir unser Leben eingerichtet haben, und was das mit Gott und / d.h. mit Gemeinschaft zu tun hat? Das ist die Frage, die Jesus hier aufwirft, und er sagt dem jungen Mann: „Mach dein Herz erst frei von dem, woran du dich gebunden hast und stifte damit Gemeinschaft, lass es für andere Frucht bringen, denn es ist nicht für dich alleine da und gut. Dann bist du frei dafür, mir nachzufolgen und dein Leben mehr in den Dienst Gottes zu stellen“. – Reich? Das sind wir alle, mehr als wir vielleicht oft denken, denn wir alle verfügen über viele Gaben, Talente und Beziehungen, vielleicht auch über materielle Güter. Es gibt auch Menschen, die sind davon überzeugt, dass auch unser Glaube auch einen Reichtum darstellt (vgl. die erste Lesung von heute). All das gehört uns aber nicht, um es zu festzuhalten, sondern um es einzusetzen! Schenke Gott uns jeden Tag neu den Mut, uns von falschen Sicherheiten zu trennen und die Bereitschaft, den Reichtum unseres Lebens mit anderen zu teilen – um so / damit (wirklich) glücklich zu werden!