Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 29. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Fr. 16. Okt. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 29. Sonntags im Jahreskreis:

Zur 1. Lesung (Jes 45, 1.4-6)

Greift Gott konkret, d.h. für uns Menschen nachvollziehbar, in die Weltgeschichte ein?

Das ist eine der größten Fragen (und Hoffnungen) der Gläubigen zu allen Zeiten und allen Kulturen. Um dieses (vermeintliche) Eingreifen Gottes mitzuerwirken, haben Religionen u.a. auch unterschiedliche Arten von „Opfer“-Ritualen konzipiert. Aber Vorsicht! Gott ist immer der „ganz Andere“, egal, welche Vorstellung wir uns von ihm machen, sie kann nichts über Gott aussagen, was und wie er ist, im besten Fall, was und wie er nicht ist (= „Negative Theologie“).

Im Christentum wird diese Logik durchbrochen durch die Botschaft Jesu Christi. Wenn wir glauben, dass er der Sohn Gottes ist, dann hat er uns nicht nur durch seine Verkündung, sondern ebenso durch sein Lebenszeugnis (das fällt bei Jesus ja zusammen!) gezeigt, wie Gott ist (vgl. v.a. das Gleichnis vom barmherzigen Vater, Lk 15, 11-32, welches Jesus in seinem Leben in allen Lebenssituationen „umsetzt“) und wie daher auch wir Menschen sein (= lieben, verzeihen, teilen etc. = leben) sollen!

Nach christlicher Überzeugung gibt es tatsächlich (nur) drei „Momente“, in denen Gott in die Weltgeschichte eingreift, und diese entsprechen den drei göttlichen Personen / Rollen: Durch die Schöpfung wird alles ins Dasein gerufen, durch die Geburt des Erlösers vollendet Gott seine Schöpfung, indem er Jesus Christus als den (vollendeten) Menschen darstellt (vgl. das „Ecce homo“ = „Siehe, der Mensch“, Joh 19, 5), und durch das Wirken des Hl. Geistes, d.h. wenn wir Menschen der Liebe und Güte Gottes gehorchen und damit zu seinem Instrument (= seine „Kinder“ werden, vgl. Joh 1, 12; Röm 8, 16; Eph 5, 1.8; 1 Joh 3, 1.10) werden, bauen wir mit an einer besseren Welt, in der alles Leben eine Chance auf Entfaltung, Glück und Wohlergehen hat (= „Reich Gottes“), womit sich dann der Kreis des Schöpfungswillen Gottes schließt.

Geschieht nun etwas in der konkreten Geschichte der Menschen, was den Wünschen und Hoffnungen der (religiösen) Menschen entspricht, werden diese Ereignisse gerne als „Zeichen Gottes“ nicht nur verstanden, sondern auch proklamiert. Sie sollen Beweise der göttlichen Zugewandtheit und eigenen Rechtgläubigkeit sein. Gerne wurde (und wird teilweise leider immer noch) sogar auch der Ausgang von Kriegsschlachten so gedeutet, dass Gott den entsprechenden Sieg herbeigeführt hat.

Aber greift Gott so ein? Nach der Botschaft und Überzeugung Jesu nicht und nie (der „Beweis“ dafür ist letztendlich Jesu Passion und Tod, vgl. Mk 15, 32a; Mt 27, 40b)!

Wir Christen glauben an einen Gott, der immer auf der Seite der Unterdrückten, Benachteiligten und Ausgestoßenen ist und (daher) alle Menschen auffordert, sich besonders um die zu kümmern, die Hilfe und Unterstützung brauchen (vgl. auch Mt 9, 12: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“), er gibt uns dafür „das Herz“, unser Gewissen, unser Sehnsüchte und Bedürfnisse, die prinzipiell bei allen Menschen gleich sind (nach Liebe, Frieden, Geborgenheit, Vergebung etc.), und er gibt uns v.a. seinen Geist (vgl. Röm 5, 5: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“), damit wir seine Mitarbeiter werden (1 Kor 3, 9). Dadurch greift Gott jederzeit (!) in die Geschichte der Menschen und der Menschheit ein – aber für das konkrete menschliche Handeln, d.h. inwieweit ein Mensch den Auftrag Gottes, als sein „Kind“ zu leben, auch tat-sächlich umsetzt, dafür ist und bleibt der Mensch selbst verantwortlich.

 

Der heutige Abschnitt aus dem Buch Jesaja zeigt jedoch, wie explizit ein sehr relevantes Ereignis in der Geschichte des Volkes Israel als Gottes Eingreifen und Zeichen seiner Macht gedeutet wird: Der Perserkönig Kyrus (Kyros II., König von Persien 559-530 v. Chr.) erobert im Verlauf seiner Expansionspolitik 538 v. Chr. Babylon, womit dann die 50jährige „Babylonische Gefangenschaft“ der jüdischen Oberschicht (die nach 597 v. Chr. durch den babylonischen König Nebukadnezar II. dorthin verschleppt worden war) beendet wird. Jesája deutet das so, dass Gott jeden Menschen zum Werkzeug seines Willens erwählt, auch wenn er nicht zum „Volk Gottes“ „gehört“! Das stimmt – aber das stimmt auch, wenn Kyros II. die Juden nicht freigelassen hätte! Gott will – nach der Botschaft und dem Leben Jesu – immer Frieden und Freiheit, Würde und Neuanfang, aber ob sich das dann auch in der Weltgeschichte konkret ereignet, ist die Verantwortung der Menschen!! Geschichtliche Ereignisse können kein Gottesbeweis sein! Der einzige „Gottesbeweis“, den man herleiten kann, ist, dass die „Eigenschaften Gottes (Liebe, Güte, Barmherzigkeit, Vergebung etc.) die einzigen (!) Axiome sind, die Leben in Gemeinschaft und Entfaltung und Frieden dauerhaft ermöglichen und gewährleisten!

Lesung aus dem Buch Jesája:

„So spricht der Herr zu Kyrus, seinem Gesalbten, den er an der rechten Hand gefasst hat, um ihm die Völker zu unterwerfen, um die Könige zu entwaffnen, um ihm die Türen zu öffnen und kein Tor verschlossen zu halten:

Um meines Knechtes Jakob willen, um Israels, meines Erwählten, willen habe ich dich bei deinem Namen gerufen; ich habe dir einen Ehrennamen gegeben, ohne dass du mich kanntest.

Ich bin der Herr und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott.

Ich habe dir den Gürtel angelegt, ohne dass du mich kanntest, damit man vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang erkennt, dass es außer mir keinen Gott gibt. Ich bin der Herr und sonst niemand.“

Zur 2. Lesung (1 Thess 1, 1-5b)

Der 1. Brief von Paulus an die von ihm gegründete Gemeinde in Thessalónich (heute Thessaloniki, die z.Z. zweitgrößte Stadt Griechenlands) ist deswegen so wichtig, weil er der älteste Brief von Paulus und damit das älteste Dokument im Neuen Testament ist. Im Jahre 50 n. Chr., also genau 20 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung Jesu, schreibt er an diese Gemeinde, die er auf seiner zweiten Missionsreise (49-52 n. Chr., vgl. Apg 15-18) mit Timotheus gegründet hat, aber nach kurzem Wirken wieder verlassen musste (vgl. Apg 17, 1-9). Im ersten Teil seines Briefes, aus dem wir heute hören, blickt Paulus voller Dank und Freude auf die Gemeindegründung und die seitdem vergangene Zeit:

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper:

„Paulus, Silvanus und Timotheus an die Gemeinde von Thessalónich, die in Gott, dem Vater, und in Jesus Christus, dem Herrn, ist: Gnade sei mit euch und Friede.

Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken; unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn. Wir wissen, von Gott geliebte Schwestern und Brüder, dass ihr erwählt seid.

Denn wir haben euch das Evangelium nicht nur mit Worten verkündet, sondern auch mit Macht und mit dem Heiligen Geist und mit voller Gewissheit.“

Zum Evangelium (Mt 22, 15-21)

Wir hören heute im Evangelium von einer der vielen Situationen, in denen die religiösen Führer des damaligen Judentums Jesus als Scharlatan entlarven wollen. So stellen sie ihm die Frage, ob es richtig sei, dem Kaiser Steuern zu zahlen. Hätte Jesus diese Frage klar bejaht, hätten sich viele Juden gegen ihn gewandt, denn das wäre nicht nur ein Affront zu ihrer politischen Überzeugung gewesen, sondern hätte indirekt auch dem Bewusstsein des „auserwählten Volkes Gottes“ (vgl. Dtn 14, 2) wider-sprochen. Hätte Jesus die Frage klar verneint, wäre das ein konkreter Anlass gewesen, ihn als Volksverhetzer und politischen Revolutionär bei der römischen Besatzungsmacht anzuzeigen. – Wie immer ist die Antwort Jesu voller Weisheit und Wahrheit: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört,

und Gott, was Gott gehört!“ Wichtig ist hier die Betonung auf dem „und“, denn beides (die menschliche und die göttliche Gesellschaft) gehört zum gesellschaftlichen Leben des Menschen dazu, auch wenn man in unserer Gesellschaft immer mehr den Eindruck gewinnen kann, Gott spielt keine / kaum noch eine Rolle im Leben der Menschen.

Die spannende Frage für uns bleibt aber: Was gehört denn Gott?

Nach Überzeugung der Bibel zwei Dinge: Das Leben und die Erkenntnis von Gut und Böse (vgl. Gen 2, 9b) – das stimmt!

Schauen Sie sich – jeden Tag – all das an, was Leid in der Welt verursacht: Krieg, Mord, Ausbeutung, Unterdrückung, Viktimisierung, Ausgrenzung, Raubbau, Umweltverschmutzung, Massentierhaltung und -schlachtung, Intoleranz, Ignoranz, Boshaftigkeit, Lüge usw. usw. – all das ist ein Frevel gegen Gott!

Das Leben zu achten und nach moralischen Grundsätzen zu leben (am besten nach der „Goldenen Regel“: Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu! (vgl. Mt 7, 12)), damit lassen wir Gott, was ihm gehört! Wenn wir es nicht tun, geht es immer schief und verursacht Leid!!

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jene Zeit „kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen. Sie veranlassten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person. Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?

Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle?

Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin.

Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten: Des Kaisers.

Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!

Als sie das hörten, waren sie sehr überrascht, wandten sich um und gingen weg.“