Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 31. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
So. 31. Okt. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 31. Sonntag im Jahreskreis 2021

Zur 1. Lesung (Dtn 6, 2-6)

Zu der Gebetskleidung eines gläubigen Juden gehören auch die „Tefillin“, das sind Gebetsriemen aus schwarzem Leder, die mit Gebetskapseln verbunden sind, die damit an der Stirn und am Arm befestigt werden. In diesen Kapseln sind zwei handgeschriebene Zettel mit Bibelstellen, die ein Jude nie vergessen sollte. Eine Textstelle hören wir in der ersten Lesung: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.  Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst“ (Dtn 6, 4-7). Dieses nach seinen hebräischen Anfangsworten genannte „Schma (oder Schema) Israel“ gehört zu den wichtigsten Gebeten des jüdischen Glaubens (und wird beim Abend-, Nacht- und Morgengebet rezitiert), manchmal wird es auch als Glaubensbekenntnis des Judentums bezeichnet. Die zweite Bibelstelle in den Gebetskapseln ist aus dem Buch Exodus, dass auch das Tragen der Tefillin vorschreibt: „Der Herr sprach zu Mose: Erkläre alle Erstgeburt als mir geheiligt! … Das sei dir ein Zeichen an deiner Hand und ein Schmuck auf deiner Stirn; denn mit starker Hand hat uns der Herr aus Ägypten herausgeführt“ (Ex 13, 1-16). – Trotzdem es zu den heiligsten Bibelaussagen der Juden gehört, müssen wir vorsichtig sein mit dem direkten Zusammenhang von menschlicher Treue zu Gott und irdischem Wohlergehen, der so nicht stimmt, was besonders auch durch das Leben und Sterben Jesu deutlich wird. Aus dem Schma Israel hingegen hat Jesus gelebt und gewirkt.

Lesung aus dem Buch Deuteronomium:

Mose sprach zum Volk: „Wenn du den Herrn, deinen Gott, fürchtest, indem du auf alle seine Gesetze und Gebote, auf die ich dich verpflichte, dein ganzes Leben lang achtest, du, dein Sohn und dein Enkel, wirst du lange leben. Deshalb, Israel, sollst du hören und darauf achten, (alles, was der Herr, unser Gott, mir gesagt hat,) zu halten, damit es dir gut geht und ihr so unermesslich zahlreich werdet, wie es der Herr, der Gott deiner Väter, dir zugesagt hat, in dem Land, wo Milch und Honig fließen. Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.“

Zur 2. Lesung (Hebr 7, 23-28)

Wie schon zur zweiten Lesung vom letzten Sonntag erwähnt, ist Melchisedek wohl ein vorisraelitischer Priester(könig) von (Jeru)Salem, der Abra(ha)m segnet und ein Opfer von Brot und Wein (!) darbringt (vgl. Gen 14, 18-20), was im Urchristentum dann unmittelbar auf Jesus Christus bezogen wird. Die einzige weitere Textstelle im Alten Testament, in der von Melchisedek die Rede ist, ist im Psalm 110, 4. Darin wird nicht nur ein zukünftiger priesterlicher König (in Jerusalem) verheißen, sondern auch, dass er durch einen Eid Gottes eingesetzt wird: „Der Herr hat geschworen, und nie wird`s ihn reuen: »Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks«.“ Das levitische Priestertum (Leviten = die Nachfahren Levis, die nach Dtn 18, 1-8 die einzigen waren, denen der Tempeldienst übertragen wurde) hingegen wurde nicht durch göttlichen Eid eingesetzt. Der kommende Messias wird also ein besserer, weil ewiger Priester nach dem Vorbild Melchisedeks sein (vgl. auch Jes 9, 6). Auf diesen „Eid“ Gottes bezieht sich Vers 28.

Lesung aus dem Hebräerbrief:

Liebe Schwestern und Brüder! „Im Alten Bund folgten viele Priester aufeinander, weil der Tod sie hinderte zu bleiben; Jesus aber hat, weil er auf ewig bleibt, ein unvergängliches Priestertum. Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten. Ein solcher Hoherpriester war für uns in der Tat notwendig: einer, der heilig ist, unschuldig, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohenpriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für allemal getan, als er sich selbst dargebracht hat. Das Gesetz nämlich macht Menschen zu Hohenpriestern, die der Schwachheit unterworfen sind; das Wort des Eides aber, der später als das Gesetz kam, setzt den Sohn ein, der auf ewig vollendet ist.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 12, 28b-34)

Die Frage nach den wichtigsten Geboten ist uns von allen Synoptikern (= die drei Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas) überliefert und gehört zu den Kernaussagen Jesu (vgl. Mt 2, 36-40 und Lk 10, 25-37): Für ihn sind alle Ge- und Verbote des Alten Testaments erfüllt, wenn wir nur diese beiden Gebote befolgen: Gott zu lieben, und unseren Nächsten wie uns selbst. Meiner Überzeugung nach verbindet Jesus damit aber auch die Gottes- und Nächstenliebe unmittelbar miteinander, d.h. wahrer Gottesdienst ist Nächstendienst und Nächstendienst ist wahrer Gottesdienst, auch wenn dadurch natürlich gottesdienstliche bzw. liturgische Formen nicht aufgehoben werden. – Der thüringischer Theologe und Philosoph Meister Eckhart (auch Eckhart von Hochheim (Gotha), 1260-1328) bringt den unmittelbaren Zusammenhang von Gottes- und Nächstenliebe in einem Dreisatz ganz wunderbar zum Ausdruck: „Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige.

Immer ist der wichtigste Mensch, der dir gerade gegenübersteht. Immer ist die wichtigste Tat die Liebe.“

Das sollte und könnte auf unseren Herzen geschrieben stehen (vgl. die erste Lesung)!

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus:

In jener Zeit, „ging ein Schriftgelehrter zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm, und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer. Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.“