Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 33. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
So. 14. Nov. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 33. Sonntag im Jahreskreis 2021

Zur 1. Lesung (Dan 12, 1-3)

Der Prophet Dániel lebt wohl im 6. Jh. v. Chr. und erlebt das Babylonische Exil des Volkes Israel mit (von 597-539 v. Chr. Verschleppung der jüdischen Oberschicht nach Babylon). Er wird dort am Königshof drei Jahre ausgebildet (vgl. Dan 1, 3-7). Die Aufzeichnungen des Buches Dániel (teilweise auch aus späterer Zeit) gliedern sich in zwei Hauptteile: Dan 1-6 beschreibt Geschichten über Dániel, Dan 7-12 dokumentiert seine apokalyptischen Visionen (die Deutung der „Siebzig Jahrwochen“ in Dan 9 ist nach wie vor umstritten, vgl. v.a. Dan 9, 24-26. Dan 11, 21-24 ist u.a. auch auf Hitler gedeutet worden), die deswegen eine so große Bedeutung für das Christentum haben, weil sie einen „Menschensohn“ vorhersagen, dessen Herrschaft unbegrenzt ist (vgl. Dan 7, 14). Außerdem belegen Textstellen in den Evangelien, dass Jesus aus dem Buch Dániel zitiert und den „Menschensohn“ auf sich bezieht. Es ist der einzige Hoheitstitel, den Jesus für sich selbst verwendet, und zwar immer in dritter Person, d.h. er sagt nie: „Ich bin der Menschensohn“, sondern immer (nur): „Der Menschensohn wird (o.ä.) …“ (in den Evangelien etwa 44 Mal). Auch damit gibt Jesus ein Bekenntnis zu ihm nicht und nie vor (vgl. Mt 16, 13: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ – es folgt das Messias-Bekenntnis des Petrus (Mt 16, 16). Vgl. auch das Verhör durch Pilatus: „Bist du der König der Juden?“ (Mk 15, 2) – die Antwort Jesu: „Du sagst es“, u.v.m.), sondern lässt jedem und immer (!) die Freiheit zur Entscheidung. Es ist ja schon faszinierend, wie konsistent und konsequent auch das die Botschaft und das Leben Jesu durchzieht!

Entsprechend zum heutigen Evangelium hören wir aus dem (eigentlich) letzten Buch (Kap. 12) des Propheten Dániel, wie (nach seiner Vision) am Ende der Zeiten der Erzengel Michael für das Endgericht der Welt eingesetzt wird. Dass die Heiligen im Himmel „leuchten wie die Sterne“ (Vers 3), finde ich eine ganz besonders schöne Beschreibung – meines Erachtens kann uns auch das helfen und begleiten, mit diesem Verständnis in den Nachthimmel zu den Sternen zu schauen!

Lesung aus dem Buch Dániel:

„In jener Zeit tritt Michael auf, der große Engelfürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Doch dein Volk wird in jener Zeit gerettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist. Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt; und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten.“

Zur 2. Lesung (Hebr 10, 11-14.18)

Der heutige Abschnitt aus dem Hebräer-Brief knüpft eigentlich unmittelbar an die zweite Lesung vom letzten Sonntag an: Durch die Liebestreue Gottes und (in) Jesu(s) ist die Versöhnung der Menschen mit Gott endgültig sichtbar und möglich geworden – für die, die daran glauben (!), d.h. für die, die diesen Versöhnungs- und dadurch Erlösungsakt Gottes annehmen. Dann braucht es keine (weiteren) Sündopfer mehr (vgl. Vers 18). Der Hinweis, dass Christus zur Rechten Gottes erhoben ist und wartet, „bis seine Feinde ihm als Schemel unter die Füße gelegt werden“ (Vers 13), nimmt  Bezug auf Psalm 110 (= Einsetzung des priesterlichen Königs auf dem Zion (= Jerusalem)).

Lesung aus dem Hebräerbrief:

Liebe Schwestern und Brüder! „Jeder Priester des Alten Bundes steht Tag für Tag da, versieht seinen Dienst und bringt viele Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals Sünden wegnehmen können. Dieser aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt; seitdem wartet er, bis seine Feinde ihm als Schemel unter die Füße gelegt werden. Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt. Wo aber die Sünden vergeben sind, da gibt es kein Sündopfer mehr.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 13, 24-32)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: „In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels. Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr (all) das geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater. Seht euch also vor und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.“

Liebe Schwestern und Brüder, … mal ganz ehrlich: Beunruhigt Sie das irgendwie, was wir gerade gehört haben? Immerhin ist davon die Rede, dass das Ende vor der Tür steht, davon, wie Jesus Christus wiederkommt, um die Welt endgültig zu richten und neu zu schaffen. Also ehrlich gesagt, wirklich beunruhigen tut mich das nicht. Vielleicht liegt es daran, dass die Zeichen, die hier beschrieben werden, noch nicht eingetroffen sind: die Sonne, die sich verfinstert, der Mond, der nicht mehr scheint, die Sterne, die vom Himmel fallen. Solange das noch nicht passiert, haben wir ja wohl noch Zeit. – Mag sein, aber nehmen wir trotzdem ernst, was da steht, oder brauchen wir das gar nicht? Seit 2000 Jahren sind diese Zeichen nicht eingetroffen, und werden höchst wahrscheinlich auch nicht ausgerechnet zu unseren Lebzeiten eintreffen. Diese Zeichen vielleicht nicht, obwohl unsere Erderwärmung schon genug Katastrophen bewirkt hat und weiter und unaufhaltsam bewirken wird, wenn die Weltbevölkerung nicht jetzt drastisch etwas dagegen tut!

Aber was ist, wenn diese Worte Jesu nicht nur (!) wörtlich zu verstehen sind, sondern auch etwas anderes sagen wollen? Was ist, wenn es hier nicht nur um das Ende der Welt geht, sondern um das Leben jedes Menschen? Vielleicht trifft immer wieder zu, dass die Welt der Menschen aus den Fugen gerät, dass sich das Ziel ihres Lebens verfinstert, dass sie in der Dunkelheit der Angst keine Orientierung mehr haben und ihre Hoffnung erlischt! Im Text des Evangeliums gibt es einen Hinweis, dass Jesus nicht nur die Neuschaffung der Welt beschreibt, sondern auch von jedem Menschen spricht, wenn er sagt: „Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft“ (Vers 30) – auch wenn Markus sein Evangelium genau zu der Zeit schreibt, in der durch den jüdisch-römischen Krieg Jerusalem und der Tempel zerstört sind (70 n. Chr.) und sicher diese (vermeintlichen) Worte Jesu darauf anspielen. Das ist aber kein Beweis dafür, dass Jesus das nicht gesagt oder gemeint hat! Und es macht m.E. Sinn, diese Perikope (auch) auf unseren Alltag zu beziehen. Dann können und wollen uns die Zusage Jesu täglich Kraft und Zuversicht geben, dass, egal was passiert, auch wenn „alles“ (s.o.) vergeht, seine Worte bleiben, er bleibt und seine frohe Botschaft, dass die Liebe und Barmherzigkeit Gottes unendlich sind. Das ist keine fromme Selbstverständlichkeit, was damals vor 2000 Jahren scheinbar keine Chance haben sollte und am Kreuz zunichte gemacht werden sollte, das wird am Ende und kann im Leben jedes Menschen, der sich danach richtet, Gültigkeit haben: Die Liebe (Jesu) zum Geringen, zum Einsamen und Traurigen, (seine) friedensstiftende Kraft, (sein) Vertrauen auf Gott auch im Leid, das wird am Ende und will für jeden von uns gelten, vor allem im Leben! Wenn wir uns daran im Alltag orientieren, dann gilt es, heute die Zeichen zu erkennen, die darauf hinweisen, in welche Richtung unser Leben geht, wie es Tat-sächlich um unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe steht: Wie verstehen wir uns mit den Menschen, mit denen wir zusammenleben? Was läuft da gut, was klappt da nicht? Worauf hoffen wir wirklich in unserem Leben? Und wie gehen wir mit Ärger, Enttäuschungen und Versöhnung um? – Liebe Schwestern und Brüder, die Worte Jesu vom Endgericht wollen uns Kraft geben, ernst zu machen mit dem, was wir glauben, hoffen und lieben. Sie wollen uns keine Angst, sondern sie wollen uns vorsehend und wach(end) machen, dass wir unsere Zeit nutzen, dass wir uns heute einsetzen für das Gute, für Barmherzigkeit und für Frieden. Und Christus sagt uns zu, dass er dafür die Kraft und das Beispiel und der Segen ist. Möge er uns auch helfen, dass wir auf ihn hören und ihm folgen – was auch immer das für mich und die Menschen, denen ich begegne, bedeutet!