Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 4. Fastensonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 27. März 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 4. Fastensonntag im Jahreskreis

Zur 1. Lesung (Jos 5, 9a.10-12)

Jósua ist der Nachfolge Mose und führt das Volk Israel in „das gelobte Land“ (vgl. Gen 26, 2f) Kanaan. Wir hören heute davon, dass die Israeliten unmittelbar vor der „Landnahme“ (vermutlich ab 1230 v. Chr.) das Pascha feiern, also das jüdische Osterfest zum Gedenken an den Auszug aus Ägypten, und zwar in Gilgal, einem Ort westlich des Jordan, an der Ostgrenze von Jericho, etwa 22 km Luftlinie von Jerusalem entfernt. Damit endet die Wüstenwanderung und der Neuanfang der Israeliten in Palästina beginnt.

Lesung aus dem Buch Jósua:

In jener Zeit „sagte der Herr zu Jósua: Heute habe ich die ägyptische Schande von euch abgewälzt. [Darum nennt man diesen Ort bis zum heutigen Tag Gilgal (Wälzplatz).] Als die Israeliten in Gilgal ihr Lager hatten, feierten sie am Abend des vierzehnten Tages jenes Monats in den Steppen von Jericho das Pascha. Am Tag nach dem Pascha, genau an diesem Tag, aßen sie ungesäuerte Brote und geröstetes Getreide aus den Erträgen des Landes. Vom folgenden Tag an, nachdem sie von den Erträgen des Landes gegessen hatten, blieb das Manna aus; von da an hatten die Israeliten kein Manna mehr, denn sie aßen in jenem Jahr von der Ernte des Landes Kanaan.“

Zur 2. Lesung (2 Kor 5, 17-21)

Der folgende Auszug aus dem zweiten Brief Pauli an die Gemeinde in Korinth passt super zum heutigen Evangelium nach Lukas: „Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung“ (Vers 17). Aber wann sind wir in Christus? Wenn wir so leben, wie er! Durch die Versöhnung mit Gott, die Jesus durch seine Botschaft, sein Leben und seinen Tod bewirkt hat, wird alles neu, d.h. es kann alles neu werden: Gott schenkt jederzeit Neuanfang, weil er immer schon vergeben hat! Die Liebe Gottes hat keine Grenzen und keine Bedingungen, was sich letztendlich im Tod (und der Auferstehung) Jesu zeigt. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh 3, 16. Vgl. auch Röm 5, 8; 8, 32; 1 Joh 4, 9). Versöhnung annehmen und dadurch fruchtbar werden lassen bedeutet konkret, meine Verfehlungen erkennen und ändern – so geschieht durch Versöhnung tatsächlich Neuanfang / neues Leben!

Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korínther:

Liebe Schwestern und Brüder! „Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute. Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 15, 1-3.11-32):

In jener Zeit „kamen alle Zöllner und Sünder kamen zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.“

Liebe Schwestern und Brüder,

… das ist es also: das wichtigste Gleichnis Jesu! Es gibt wohl nur wenige Erzählungen im Neuen Testament, die auch bei denen, die nicht in die Kirche gehen, so bekannt sind wie das Gleichnis vom verlorenen Sohn, wie es früher hieß, oder besser: vom barmherzigen Vater – denn, in der Tat, um den, d.h. um seine Barmherzigkeit geht es. Für mich ist nur die Frage: Wenn wir vom verlorenen Sohn reden, welcher der Söhne ist damit eigentlich gemeint? Natürlich zunächst der Jüngere, der, der ausbricht, der seine Freiheit genießen will, sein Erbe verjuckst und in der Not wieder angekrochen kommt. Aber, wie wir gehört haben, ist das mit dem älteren Sohn auch nicht so einfach. Alle Gleichnisse Jesu sind ja dazu da, damit wir uns damit identifizieren, uns angesprochen fühlen mit einer bestimmten Rolle oder Person, wir sind mit und in den Gleichnissen Jesu gemeint. Bei diesem Gleichnis ist es vielleicht schwieriger als sonst, in welchem der Söhne wir uns eher wiederfinden, eher bei dem, der Umwege macht, oder eher bei dem, der seinen Aufgaben nachgeht? Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn das zweite, der ältere Sohn, „besser“ wäre, auf jeden Fall nicht so problematisch, aber das stimmt nicht. Das Missverständnis, und damit der Irrweg des älteren Sohnes ist, dass man Liebe verdienen könnte! Alles so machen, wie gewünscht, wie gefordert, seine Pflicht tun, sich nicht irgendwelchen Eskapaden hingeben – alles gut und richtig, aber bitte das nicht mit Liebe verwechseln! Wenn ich das tue, um dadurch eine Gegenleistung zu erwarten, dann – sagt uns das Gleichnis: „Sei nicht enttäuscht, wenn du damit – vor Gott – nicht besser dastehst als die anderen, die sich haben gehen lassen“. Entscheidend ist – und da haben beide Söhne die gleiche Ausgangsposition – ob ich die Liebe (Gottes) annehme?! Meiner Erfahrung nach sind wir alle immer wieder in der Gefahr, gerade das Gute, Schöne und Starke in unserem Leben als selbstverständlich zu übergehen, auf jeden Fall nie genügend wertzuschätzen. Wenn wir dazu befragt werden, natürlich nicht: Wenn einer fragt, bist du dankbar oder froh darüber, dass du Familie hast oder gesund bist oder genug zu essen und zum Anziehen oder ein Heim, dann sagt jede/r natürlich: „Ja klar bin ich dankbar und froh darüber“. Aber was ist, wenn wir nicht danach gefragt werden? Der ältere Sohn wurde nicht gefragt, der Jüngere zwar auch nicht, aber der ist einen Weg gegangen, bei dem diese Fragen die Wegweiser waren und ihn schließlich zurückgeführt haben: Die Barmherzigkeit des Vaters konnte sich erst ereignen, erst wirksam werden, als der Sohn sich der Liebe (des Vaters) öffnete, wie man so schön sagt, als der sich auch danach gesehnt hat und sich dem zuwandte. Das gilt aber genauso für den anderen Sohn, daher kann man das Gleichnis auch das von den „verlorenen Söhnen“ nennen, und deshalb gilt es für uns alle. – Für Jesus war dieses Gleichnis das Gleichnis für Gott: Sobald wir Menschen uns (seiner) Liebe und Kraft zuwenden, wird sie uns zuteil, ist sie schon (in ihrer Wirkmacht) da! Und dieses Zuwenden vollzieht sich wie immer in den vier existentiellen Lebensbereichen des Menschen: in der Beziehung zu mir selbst, zu anderen Menschen, zu Gott, und zur Umwelt. Wie bewusst nehmen wir da die Kraft und Stärke und Schönheit auch tatsächlich in unserem Alltag wahr? Wie und wie stark lebe ich bewusst und achtsam aus dem, was mich täglich trägt, mir Hoffnung und Ideen, Heimat und Gemeinschaft bringt?! Wie sehr doch Dankbarkeit und Wertschätzung mein Leben täglich verändern können – und damit zur größten Kraft, Wege „nach Hause“ zu finden, zu dem, was ich als Energie für eine gewissenhafte, kreative und solidarische Lebensentfaltung brauche: die Liebe!