Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 4. Sonntag der Osterzeit

Datum:
So. 25. Apr. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 4. Sonntag der Osterzeit

Liebe Schwestern und Brüder,

ein „Eckstein“ hat beim Bau eines Gebäudes eine wichtige Bedeutung: Er muss von besonderer Festigkeit sein, da er die Wände miteinander verbindet, und er ist Orientierungslinie, er gibt sozusagen den „Rahmen“ für das Gebäude an.

Im Alten Testament wird der „Eckstein“ (u.a.!) zum Symbol für Jerusalem (Zion) als Stadt Gottes (vgl. Jes 28, 16: „Darum – so spricht Gott, der Herr: Sehr her, ich lege einen Grundstein in Zion, einen harten und kostbaren Eckstein, ein Fundament, das sicher und fest ist: Wer glaubt, der braucht nicht zu fliehen“). In Psalm 118, 22 ist der Eckstein ein Bild für den verfolgten und verkannten „Gerechten“ (Apg 4, 11 ist genau nach Ps 118, 22 formuliert). Jesus hat diese Psalmstelle nach Aussagen der Evangelien mehrfach zitiert und sich dadurch damit identifiziert (vgl. Mk 12, 10; Mt 21, 42; Lk 20, 17). Auch 1 Petr 2, 6 und der heutige Abschnitt aus der Apostelgeschichte verweisen auf Christus als „den Eckstein“ Gottes.

  • Wenn wir die folgende Lesung gerade in Bezug auf den „Eckstein“ auf uns beziehen, stellt sich die Frage, was wir von dem, was Jesus sagt und verkörpert, verwerfen, weil es uns nicht passt, weil es nicht unseren Vorstellungen und (bisherigen) Mustern entspricht, in Wahrheit aber unser Leben zusammenhält?

Welche entgegengestreckte Hand, welches liebe Wort, welche wichtige Herausforderung und Entwicklung schlagen wir aus?

Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 4, 8-12)

In jenen Tagen „sagte Petrus, erfüllt vom Heiligen Geist: Ihr Führer des Volkes und ihr Ältesten! Wenn wir heute wegen einer guten Tat an einem kranken Menschen darüber vernommen werden, durch wen er geheilt worden ist, so sollt ihr alle und das ganze Volk Israel wissen: im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat. Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch. Er (Jesus) ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.“

Zur 2. Lesung (1 Joh 3, 1-2)

„Kinder Gottes“ (Vers 1) zu sein, ist die größte Würde und der größte Auftrag des Menschen! Nach der Überzeugung Jesu gilt das natürlich für alle Menschen – die Frage ist, wie ihnen das vermittelt wird, wodurch wird ihnen das zugesprochen? Nach unserem Glauben durch die Taufe, vgl. die Taufe Jesu: „Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Mk 1, 11).

Lesung aus dem 1. Johannesbrief:

Liebe Schwestern und Brüder,

„Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Liebe Schwestern und Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 10, 11-18)

In jener Zeit sprach Jesus: „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.“

Liebe Schwestern und Brüder, haben Sie schon mal einen Hirten gesehen oder vielleicht sogar beobachtet? Im Fernsehen habe ich das schon mal gesehen, aber an ein persönliches Erleben kann ich mich nicht erinnern. Ich vermute mal, wir alle haben eine Vorstellung von einem Hirten mit seiner Schafherde, aber wirklich geläufig ist uns das wahrscheinlich nicht (mehr). Das war zur Zeit Jesu komplett anders; fast auf jedem Feld waren welche zu finden. Und deswegen gehörten Hirten und Herden zu den alltäglichen Erfahrungen und Bildern der damaligen Zeit. –

Was wir gerade aus dem Johannes-Evangelium gehört haben, ist – so finde ich – ein ganz wunderbares Bild, welche konkrete Bedeutung Jesus für uns als „seine Herde“ hat: Er ist der gute Hirte. Diese Beschreibung wird übrigens in der jungen Kirche so wichtig, dass es nach dem Fisch (griech. ichthýs = IChThYS = Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser) und dem Christusmonogramm (Chi-Rho) zunächst das Symbol für das Christentum ist (vgl. z.B. Wandmalereien der Domitilla-Katakomben in Rom, 1.-4. Jh.. Das Kreuz ist erst ab dem 5. Jh. das Symbol des Christentums!).

Ein Hirte zeichnet sich dadurch aus, dass er vertrauenswürdig ist, dass er sich liebevoll und fürsorgend um seine Schafe kümmert, und dass er sie gegen Gefahren (= wilde Tiere) verteidigt. Im Psalm 23 wird mit diesen Eigenschaften Gott selbst identifiziert („Der Herr ist mein Hirte“). Nach Hebr 13, 20 und 1 Petr 2, 25 ist Christus der einzige, dessen Führung man sich anvertrauen kann! Und im heutigen Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium hören wir, was Christus als Hirten auszeichnet: Es gibt eine gegenseitige Bindung und Vertrautheit zwischen Hirte und Schafen (Vers 14), die im Kampf gegen das Böse sogar bedeutet, dass der Hirte sein Leben für seine Schafe hingibt (Vers 11). Diese freiwillige Aufopferung ist nicht nur der Auftrag Gottes an Jesus, sondern auch die Basis und Quelle der Nähe und Liebe zwischen Gott und ihm. Die Frage, die sich dadurch für uns als seine Herde stellt ist, ob wir uns tatsächlich von ihm führen lassen, ob wir auf ihn „hören“ (Vers 16), um dadurch das „Leben in Fülle zu haben“ (Joh 10, 10b). Von daher müssen wir auch schauen, was uns als „Schafe“ ausmacht oder ausmachen kann. Sie kennen bestimmt die Redewendung: „Sei kein Schaf!“, was meint, dass man sich nicht dumm verhalten soll. Diese Bedeutung hatten Schafe im Alten Israel bzw. Orient nicht: Da hatten sie das Image von hilfsbedürftig, gutmütig und gewaltlos. So sollen wir also sein, wenn wir das Bild vom guten Hirten und seinen Schafen weiter ernst nehmen wollen: Hilfsbedürftig, gutmütig und gewaltlos. Na, da sieht unsere Realität schon ganz anders aus, aber – das war früher genauso: Kriege, Macht, Bosheit, Ausbeutung und alles Mögliche sonst noch – das steht nach wie vor auf der Tagesordnung. Ich bin sicher, die meisten Menschen, ob in früheren Zeiten oder heute, sehnen sich eigentlich und so sehr nach Frieden, nach Gerechtigkeit und Versöhnung, aber das wirklich auch im eigenen Umfeld zu tun und umzusetzen und es nicht auf die anderen, die Politik oder den Staat zu schieben, das gehört doch wohl zu unseren größten Heraus-forderungen! Daher passt das eigentliche Image eines Schafes sehr gut: Wenn wir gutmütig sind, wenn wir ohne Aggression, Abwertung und Überheblichkeit leben wollen, und wenn wir zu unseren eigenen Schwächen und Bedürfnissen stehen, dann kann uns die „Frequenz“ Jesu erreichen, dann können und wollen wir seine Stimme hören, dann lauschen wir auf das, was er sagt – in der Bibel (vgl. Lk 11, 28: „Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen“), in unserem Herzen durch den Heiligen Geist, durch unser Gewissen und durch Menschen guten Willens. Und was brauchen wir noch, um auf den Guten Hirten Jesus zu hören: Wir brauchen Besinnung, wir brauchen Zeiten der Stille, in denen wir bewusst nach dem Wort, der Kraft und den Impulsen Gottes / Christi suchen.

Liebe Schwestern und Brüder, nur wenn wir wie Schafe sein wollen, d.h. nicht dumm, sondern hilfsbedürftig, gutmütig und gewaltlos, nur dann werden wir auch einen Hirten wollen und brauchen!

Dann werden wir auf seine Worte und auf unsere innere Stimme horchen, die uns zum Guten führen will, zu dem, was mehr Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung bringt – in uns, in unseren Familien, in unserer Kirche und in unserer Welt. Die Frage ist, was jeder von uns braucht, um mehr darauf zu achten und es auch zu leben?