Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 4. Sonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 30. Jan. 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 4. Sonntag im Jahreskreis

Zur 1. Lesung (Jer 1, 4-5.17-19)

Der Prophet Jeremía wirkt von etwa 626 bis 585 v. Chr. im Südreich Juda. Seine Schrift ist eine wichtige Quelle über diese Zeit des ausgehenden Königtums bis zur Eroberung von Juda und Jerusalem 586 v. Chr. durch den neubabylonischen König Nebukadnezar II. (605-562 v. Chr.), wovor Jeremía gewarnt hat und was er noch miterlebt. Heute hören wir von seiner Berufung zum Propheten.

Lesung aus dem Buch Jeremía:

In den Tagen „Joschíjas, des Königs von Juda, erging das Wort des Herrn an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt. Gürte dich, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage. Erschrick nicht vor ihnen, sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken. Ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer gegen das ganze Land, gegen die Könige, Beamten und Priester von Juda und gegen die Bürger des Landes. Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des Herrn.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 13, 1-8a.13)

Der heutige Auszug aus dem ersten Korintherbrief wird das „Hohelied der Liebe“ genannt und er verdient diesen Titel!

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder! „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und gar der Engel reden könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre das wie das Spielen auf Instrumenten ohne Melodie. Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.  Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts. Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn hinreißen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. Unser Leben ist bestimmt von Glaube, Liebe und Hoffnung, doch am wichtigsten ist die Liebe.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 4, 21-30):

In jener Zeit „begann Jesus in der Synagoge in Nazareth darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt. Seine Rede fand bei allen Beifall; sie staunten darüber, wie begnadet er redete, und sagten: Ist das nicht der Sohn Josefs? Da entgegnete er ihnen: Sicher werdet ihr mir das Sprichwort vorhalten: Arzt, heile dich selbst! Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, wie wir gehört haben, dann tu sie auch hier in deiner Heimat! Und er setzte hinzu: Amen, das sage ich euch: Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt. Wahrhaftig, das sage ich euch: In Israel gab es viele Witwen in den Tagen des Elija, als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und eine große Hungersnot über das ganze Land kam. Aber zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt, nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon. Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa. Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman. Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut. Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen. Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg.“

Liebe Schwestern und Brüder,

… na, das war ja dann wohl doch ein Missverständnis, oder?! Erst findet die Rede Jesu „bei allen Beifall“ (Vers 22a), und ein paar „Sätze“ weiter wollen sie ihn den Abhang hinabstürzen, wieso? Mit Sicherheit haben sich viele, ich glaube alle Einwohner von Nazareth, wohl so sehr auf ihn gefreut: Jetzt kommt der Wunderheiler endlich in seine Geburtsstadt (zurück), jetzt wird er auch hier alle gesund machen, wie erzählt wird. Jetzt ereignet sich das, wonach sich vielleicht alle Menschen sehnen: `Da ist jemand für mich greifbar, der mich heilt. Und ich muss gar nichts dafür tun, nur da sein, und ER / SIE wird es schon richten. Ich muss nichts verändern, nichts hinterfragen, nichts korrigieren, es wird schon für mich alles in Ordnung gebracht´. – Von wegen! Was macht der „Wunderheiler“, der ersehnte „Medizinmann“? Zunächst bestätigt er „schriftlich“, d.h. anhand der Heiligen Schrift, dass er der Verheißene ist. Das ruft schon bei einigen Widerstand hervor: „Ist das nicht der Sohn Josefs?“ (Vers 22c), `den haben wir doch heranwachsen sehen, den fanden wir doch immer schon ein wenig komisch, und seine Familienverhältnisse waren uns auch nicht geheuer. Und der maßt sich an, der verheißene Retter Gottes zu sein? Unerhört!´ Und Jesus „setzt noch einen drauf“: Er legt anhand biblischer Beispiele dar, dass das Heil nur die erreichen kann, die sich dafür bereiten, ob das z. B. beim Propheten Elíja oder bei Elíscha war. Es gibt nach der Überzeugung Jesu also Bedingungen für Heilung! Nicht die Güte Gottes, denn der „lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5, 45), sondern den Glauben (vgl. u.a. auch Mk 5, 34) und die Mitwirkung des Menschen. Was hat Jesus den offensichtlich blinden Bartimäus gefragt, als der vor ihm stand (was ja auch schon eine schwierige Herausforderung für den Blinden war): „Was soll ich dir tun?“ (Mk 10, 51). Und erst als der antwortet: „Meister, ich möchte wieder sehen können“, erfüllt sich seine Sehnsucht, weil er beide Bedingungen für Heilung verwirklicht: Er glaubt an Jesu Wirkmacht („Meister“) und er steht zu seiner Schwäche. – Dass das also doch nicht so einfach ist, wie es von den Heilungen und Wunder Jesu erzählt wird, dass es da eine Vorbereitung und Nachsorge geben muss, damit haben die meisten Bewohner von Nazareth wohl nicht gerechnet – und dann auch noch die vermeintliche Anmaßung in der Synagoge, das wollen die meisten in Nazareth nicht wahrhaben. Einen Wunderheiler wollen sie schon – wer will den nicht?! – aber jemanden an sich heranlassen, weil man an ihn glaubt, das geht nur, wenn man alte Bilder (von sich und dem anderen) zurücklässt und sich bedingungslos sehnt nach Genesung, nach Heilung. Jesus kann nur heilen, wenn der Mensch frei und offen ist für seine Lehre und ein bereites Herz hat, das nicht besetzt ist von z.B. Vorurteilen oder Klischees, die – wie wir heute gesehen haben – Jesu Heimatstadt gegen ihn hat. Deswegen kann Jesus dort kein Wunder tun (vgl. Mk 6, 5), „und er wunderte sich über ihren Unglauben“ (Mk 6, 6a). Und sie treiben ihn zur Stadt hinaus, weil sie spüren, dass er sie entlarvt hat, denn Jesus sucht keine Patienten, er sucht Partner – für Heilung(en)! Wer sich darauf nicht einlässt, wer nicht von sich aus alles geben mag, um „heil“ zu werden, wer nur passiv konsumieren will, den wird Jesus enttäuschen. – So stellen sich uns einige wichtige Fragen: Wo möchte ich geheilt werden? Was muss ich dafür tun? Und wer kann mir dabei helfen?

Ich bin davon überzeugt, darüber mit unseren Lieben ins Gespräch zu kommen und zu bleiben und aktiv Veränderungen (von was auch immer) umzusetzen, ist ein Garant für persönliche Heilung und Erlösung, denn es bedeutet frei werden zu können von Mustern, die gefangen halten und positive Entwicklung behindern. Für diese Freiheit hat Jesus sein Leben eingesetzt, das macht die Kraft des Heiligen Geistes aus, der genau dafür stärken will.