Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 5. Fastensonntag 2021

Datum:
So. 21. März 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 5. Fastensonntags:

Zur 1. Lesung (Jer 31, 31-34)

Obwohl das Fundament des Glaubens der Israeliten der Bund Gottes mit seinem Volk ist (der erste Bund mit Noach (vgl. Gen 9, 9), und schließlich mit Abraham (vgl. Gen 15, 18)), brechen sie (natürlich! Vgl. Gen 3, 6) immer wieder diesen Bund, weil die Menschen ja gerade nicht immer auf Gott hören!

Jeremia erkennt und prophezeit, dass Gott seinen Bund erneuert, indem und weil er die Schuld der Menschen verzeiht (dieses immerwährende Vergebungsangebot Gottes wird dann in Jesus Christus verkörpert!).

Lesung aus dem Buch Jeremia:

„Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich ihr Gebieter war – Spruch des Herrn. Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe – Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein. Keiner wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, Klein und Groß, werden mich erkennen – Spruch des Herrn. Denn ich verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.“

Zur 2. Lesung (Hebr 5, 7-9)

Im Neuen Testament gibt es drei Stellen, in denen zum „Gehorsam Jesu“ etwas gesagt wird: „Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden“ (Hebr 5, 7f, die heutige Lesung), „Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen, er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht“ (Phil 2, 6-9a), und: „Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden“ (Röm 5, 19). Die tiefste, aber auch schwierigste Aussage ist meines Erachtens die aus dem Hebräerbrief. Obwohl Jesus der Sohn Gottes ist, musste er durch seine Leidenserfahrungen Gehorsam lernen – welchen Gehorsam? Der Liebe (Gottes / zu den Menschen) treu zu bleiben (darauf gehe ich dann in der Predigt zum heutigen Evangelium noch ein). Die Liebe erfüllt sich also, wenn man ihr gerade in schweren Zeiten, in Anfechtungen, im Leid, treu bleibt, denn nur dann (!) bleibt sie die größte Kraft im und zum Leben und zur Gemeinschaft. Und letztendlich kann auch nur die Liebe und Gemeinschaft von Angst befreien (vgl. Vers 7).

Lesung aus Hebräerbrief:

Liebe Schwestern und Brüder!

„Als Christus auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden.“

Zum Evangelium (Joh 12, 20-33)

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes:

In jener Zeit „traten einige Griechen, die beim Paschafest in Jerusalem Gott anbeten wollten, an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus. Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren. Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen. Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet. Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch. Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.“

Liebe Schwestern und Brüder!

 „Mein Gott, ist das herrlich“, das haben Sie sicher auch schon mal gesagt. Können Sie sich erinnern, wann das das letzte Mal war und in Bezug auf was? Was ist denn herrlich in unserem Leben? Als erstes fiel mir das Wetter ein, ein Essen kann herrlich sein, Schmuck, eine Reise oder eine tolle Aussicht. Übrigens – was Reisen und Tourismus betrifft, das ist keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, wie wir ja gerade gehört haben. Schon in der Antike gab es Leute, deren Reiselust geradezu sprichwörtlich war: das waren die Griechen! Besonders die bereisten alle möglichen Länder, nicht nur, um Handel zu treiben, sondern auch, um andere Religionen, Weltanschauungen oder Philosophien kennenzulernen. Deswegen sind – wie das Johannes-Evangelium das beschreibt – jetzt vor dem Paschafest auch einige Griechen in Jerusalem, die einfach mal den Tempelbetrieb, die Spannung vor dem Fest und natürlich das Paschafest selbst miterleben wollen. Offensichtlich haben die auch schon von Jesus gehört, sonst würden sie nicht direkt nach ihm fragen und ihn sehen wollen. Möglicherweise hat das was mit der Tempelreinigung zu tun, als Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertreibt, was wir vor zwei Wochen, am dritten Fastensonntag, gehört haben (vgl. Joh 2, 13-22). Und offensichtlich wollen die Griechen diesen Mann mal sehen. Ich finde es nicht überraschend, dass Jesus da überhaupt nicht drauf eingeht. Er ist ja ohnehin schon von Anfang seines öffentlichen Wirkens an damit beschäftigt, den Leuten klar zu machen, dass er eben nicht der „Wunderheiler“ ist, sondern vor allem das Reich Gottes, d.h. seine Liebe und Kraft, verkündet, lebt und bringt. Schon ganz am Anfang des Markus-Evangeliums sagt Jesus daher: „Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen“ (Mk 1, 38). Deswegen geht Jesus auf diese neugierigen Griechen auch nicht ein, vielmehr sagt er diesen eigentümlichen Satz, den er dann noch weiter ausführt: „die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird“ (Vers 23). Wenn „herrlich“ schon ein Wort ist, das wir weniger benutzen, dann ist „verherrlichen“ noch ungewohnter. „Herr-lich“ leitet sich übrigens nicht von Herr ab, sondern von hehr, wovon dann auch Herr abgeleitet ist, und das bedeutet erhaben, vornehm, heilig. Verherrlichen heißt also, etwas erhaben, vornehm, heilig machen. Und wer macht das wie mit wem? Jesus bittet Gott darum, dass sein Name, also der Name Gottes, verherrlicht wird. Wie ist denn der „Name“ Gottes? Ich befürchte, dass wir das immer wieder vergessen: Am brennenden Dornbusch offenbart sich dem Mose die „Natur“ Gottes, sein Wesen, seine Identität (wenn wir Menschen darüber überhaupt irgendwelche bruchstückhaften Angaben machen können): „Ich bin der Ich-bin-da“ (Ex 3, 14), d.h. „Ich bin für Euch da“! Das ist (der Name unseres) Gott(es)! Und der soll jetzt durch Jesus verherrlicht, heilig gemacht werden. Wie geht denn das? Wie kann man denn dieses Ich-bin-immer-für-dich-da heilig machen? – In dem man voll darauf vertraut, in dem man gerade dann daran nicht zweifelt, wenn es brenzlig wird. Jeder von uns, der in Liebe mit einem anderen Menschen verbunden ist, heiligt diese Liebe also, macht sie zu etwas unvergleichbar Kostbarem, in dem er ihr treu bleibt, gerade dann, wenn es schwierig wird! Zu lieben und dieser Bindung treu zu sein, wenn man gemeinsam glücklich ist, ist doch wohl nicht die Kunst. Was ist, wenn es schwierig wird? Ist dann alles weg? „Man sieht ja, wir streiten nur noch!“ Aha – und das ist dann Liebe? Nicht im Sinne Jesu! Da wird es ent-scheidend, wenn es aufs Ganze geht. Für den anderen da-Sein ist am wertvollsten, wenn es am meisten gebraucht wird. Dann wird es zu etwas Heiligem, zu etwas Göttlichem, weil es anderen – eben göttlichen – Maßstäben folgt. Letztendlich bitte Jesus um nichts anderes als um Mut und Kraft, dieser Liebe und dem Vertrauen zu Gott treu zu bleiben, wo es jetzt bald aufs Ganze geht: „Mache für alle sichtbar, dass du immer bei uns bist, auch wenn wir voller Angst sind, und dass nur die Liebe (!) über alles hinwegträgt, auch über den Tod!“ Und Jesus wird dabei bewusst, dass Gott ihm in den letzten Jahren schon so treu geblieben ist. So ist diese „Stimme vom Himmel“ zu verstehen: „Ich habe ihn [also Gottes Namen] schon verherrlicht und ich werde ihn wieder verherrlichen“ (Vers 28b). Was ich auch noch so spannend finde, dass Jesus auch seinem Namen treu bleibt, und der ist: „Gott ist die Rettung / der Herr hilft“.

Und was heißt das jetzt für uns? Wenn Sie mögen, auf jeden Fall schon mal zweierlei: Einmal die Gewissheit, dass die Erfüllung der Liebe die Treue ist, und dann ist die Frage, welche Bindungen für unser Leben herrlich sind: Gerade eben nicht das Wetter, das Essen, die Aussicht, sondern welche Menschen sind herrlich für uns, welche Situationen, vielleicht sind auch der Beruf oder Talente oder bestimmte Erfahrungen eigentlich herrlich für uns, auch wenn das sicher nicht unser Sprachgebrauch sein wird. Doch entscheidend ist das Bewusstsein, was und wer alles so kostbar in unserem Leben ist, dass es heilig ist, d.h. über alles andere erhaben! Und diese Basis und Kraft für unser Leben wird und wirkt dadurch noch stärker, wenn wir ihr besonders auch in schlechten Zeiten treu bleiben. Nehmen wir die Frage mit: Wer ist heilig in meinem Leben und wie kann das durch mein Vertrauen und meine Treue noch deutlicher werden – gerade auch in schwierigen Zeiten?!