Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 5. Sonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 6. Feb. 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 5. Sonntag im Jahreskreis

Zur 1. Lesung (Jes 6, 1-2a.3-8)

Aus dem Propheten Jesája hören wir gleich die Schilderung seiner Berufungserfahrung. Der darin beschriebene dreimalige Ruf der Serafim hat deswegen eine besondere Relevanz, weil es nicht nur im jüdischen Gottesdienst am Sabbatmorgen übernommen, sondern auch schon früh von Christen in ihr Gemeindegebet integriert wurde und schließlich (ab dem 4. / 5. Jh.) seinen Platz im Eucharistischen Hochgebet fand, woher es uns geläufig ist. Dieses (lat.) „Sanctus“ ist eine Komposition aus zwei Bibeltexten: „Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit [Jes 6, 3]. Hosanna in der Höhe. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe“ [Messianischer Begrüßungsruf nach Ps 118, 25f, wie er beim Einzug Jesu in Jerusalem überliefert ist (vgl. Mt 21, 9)].

Lesung aus dem Buch Jesája:

„Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt. Die Türschwellen bebten bei ihrem lauten Ruf und der Tempel füllte sich mit Rauch. Da sagte ich: Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen. Da flog einer der Serafim zu mir; er trug in seiner Hand eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Er berührte damit meinen Mund und sagte: Das hier hat deine Lippen berührt: Deine Schuld ist getilgt, deine Sünde gesühnt. Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich!“

Zur 2. Lesung (1 Kor 15, 1-11)

Paulus erinnert die Gemeindemitglieder in Korinth im folgenden Auszug aus seinem Brief an das „Evangelium“ als die Grundlage unseres Glaubens. Aber was ist „die Frohe Botschaft“? Obwohl Gott wusste, dass sein Sohn gekreuzigt wird, schickt er ihn / sich in diese Welt, um seine Liebe zu uns zu zeigen (bis zum Tod – und darüber hinaus!). In der Auferstehung Christi zeigt sich für die Gläubigen, dass er „wahrhaftig Gottes Sohn war“ (vgl. Mk 15, 39) – damit wir durch den Glauben an ihn bei / in seinem Auftrag mitwirken: die Liebe Gottes weiter in die Welt zu tragen und so zu verändern!

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

„Ich erinnere euch, Schwestern und Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe. Oder habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen? Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Als Letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der «Missgeburt». Denn ich bin der geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht – nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir. Ob nun ich verkündige oder die anderen: das ist unsere Botschaft, und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 5, 1-11):

In jener Zeit, „als Jesus am Ufer des Sees Gennesaret stand, drängte sich das Volk um ihn und wollte das Wort Gottes hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in das Boot, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen. Das taten sie, und sie fingen eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. Deshalb winkten sie ihren Gefährten im anderen Boot, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und gemeinsam füllten sie beide Boote bis zum Rand, sodass sie fast untergingen. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder. Denn er und alle seine Begleiter waren erstaunt und erschrocken, weil sie so viele Fische gefangen hatten; ebenso ging es Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach.“

Liebe Schwestern und Brüder,

wie funktioniert eigentlich Werbung? Warum spricht uns das an, oder es wird wenigstens versucht, aufmerksam zu machen mit dem Ziel, dass wir uns damit identifizieren sollen (um es wahrscheinlich zu kaufen). Wenn Sie jetzt mal an die Bilder denken, die Ihnen einfallen, was Sie in letzter Zeit an Werbung gesehen haben: da geht es meistens um Freiheit, um Schönheit, um Ästhetik, um Erfolg. In diesem Zusammenhang hat jemand mal gesagt: „Nichts ist erotischer als Erfolg“. Was Werbung betrifft, scheint es zuzutreffen: Ob es Rasierwasser, Gummibärchen oder ein Mittel gegen Verstopfung ist, ob Salatmayonnaise oder die neue Pauschalreise – unsere Werbung zielt darauf, Erfolg zu versprechen und zu vermitteln. Und das soll bei uns „das will bzw. muss ich auch haben“ auslösen, und oft tut es das auch, denn wir wollen ja schließlich dazu gehören bei den Schönen, Erfolgreichen und Strahlenden, bei denen, die sagen: „Wo ich bin, ist oben, ich bin ein Gewinner!“ Auf den ersten Blick könnte man auch den Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium, den wir gerade gehört haben, so verstehen. Ich habe mir mal überlegt, wie man aus dieser Geschichte einen Werbespot drehen könnte. Stellen Sie sich die erste Einstellung vor: Die wind- und wettergegerbten Gesichter der Jünger, die nach einer erfolglosen Nacht müde und abgekämpft in den Hafen zurückkehren. Niedergedrückte, breite Schultern, interessante Gesichter, ein bisschen zerlumpte Kleidung. Zweite Einstellung: Jesus als strahlender Held, Großaufnahme, leuchtende, durchstechende Augen, elegante Gestalt, der den Fischern sagt, wo's lang geht. Und zum Schluss die fast berstenden Netze mit in vielen Farben schillernden Fischen. Darunter dann der einprägsame Slogan: „Jesus macht den Weg frei – mit Christus zum Erfolg“. Das wäre vielleicht wirklich keine schlechte Idee und womöglich würden sich auch Menschen daraufhin melden, wenn wir die Kontaktadresse unserer Kirche miteinblenden würden. Es gibt dabei nur ein Problem: In dieser Geschichte geht es gar nicht um Erfolg – im Gegenteil! Die Männer, von denen berichtet wird, waren die ganze Nacht unterwegs und haben keinen einzigen Fisch mit nach Hause gebracht – was für Versager! Das ist die Situation, völlige Erfolglosigkeit. Was will ich mit Fischern, die keine Fische fangen?! Aber zu denen steigt Jesus ins Boot. Mit Sicherheit waren da noch andere, Boote von erfolgreichen, cleveren und angesehenen Fischern, denn wie wir am Ende der Geschichte sehen, gab es ja noch Fische. Aber warum setzt sich Jesus gerade zu denen ins Boot, die müde, abgekämpft und bestimmt auch enttäuscht sind? Vielleicht, weil solche Menschen mehr Sehnsucht haben als die, die von ihrem Erfolg begeistert sind. Ich glaube, in dieser Geschichte geht es um Zuspruch und Zutrauen! Jesus traut diesen erfolglosen Fischern mehr zu, als diese sich vorstellen können. Und Jesus muss gerade von diesen den Eindruck gehabt haben, dass die sich auch darauf einlassen, dass die mehr auf ihr Herz hören als auf ihren Verstand, denn vom Verstand her kann man ja wirklich nur sagen: Was soll das denn bringen, wenn man die ganze Nacht nichts gefangen hat, warum denn auf einmal jetzt?! Aber sie glauben Jesus und lassen sich auf ihn ein, und auf das Gefühl, dass er ihnen vermittelt haben muss, denn – wie gesagt – rationale Gründe gibt es nicht, nochmal zum Fischen rauszufahren. Diese unvermutete Wende, dieses „Wunder“ hat dann offenbar so viel in Simon und seinen Gefährten bewirkt, dass sie alles stehen und liegen lassen und Jesus nachfolgen. – Wie könnte man diese entscheidende Szene nun in einem Werbespot umsetzen? Mein Bild dazu ist, dass man sieht, wie Menschen aufgerichtet werden, wie einer diese Niedergedrückten an den Armen fasst, damit sie ihren Kopf heben, und so wieder ein Gefühl von Würde und Kraft bekommen.

Liebe Schwestern und Brüder, ganz offensichtlich sucht Jesus für seine Gemeinschaft keine Superstars und wir müssen auch nicht erst eine Casting-Show durchlaufen, um dazuzugehören. Jesus will das, was jeder von sich aus (bewusst) mitbringt, was er gut kann und was ihm Freude macht, was sein bzw. ihr „Leben“ ist. Dabei traut er uns mehr zu, als wir uns vorstellen können, gerade dann, wenn wir uns abgemüht haben, wenn wir scheinbar erfolglos und erschöpft sind. Vielleicht können wir dann aber erst hellhörig werden, wenn einer / Jesus sagt: „Versuchs noch einmal, aber diesmal in meinem Auftrag! Mach es nicht nur für dich selbst, sondern für mich, mach es für Gott!“ Gott setzt – nach der Botschaft und dem Leben Jesu – auf andere Qualitäten als die, die man braucht, um in Galiläa ein angesehener Fischer zu sein, auf andere Qualitäten als sie in unserer Gesellschaft verlangt werden und wie sie uns im Fernsehen begegnen. Erfolg spielt dabei keine Rolle, sondern Herzlichkeit, Mut und Vertrauen. Jesus will uns gerade da begegnen, er holt uns gerade da ab, wo wir (seine) Kraft brauchen, damit wir unser Können in den Dienst (an den Menschen) stellen. Wenn wir das tun, ist das der beste Werbespot für unseren Glauben!