Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 6. Sonntag im Jahreskreis 2021

Datum:
Sa. 13. Feb. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 6. Sonntags im Jahreskreis 2021:

Liebe Schwestern und Brüder,

der Mainzer Bischof Paul Leopold Haffner (1886-99) betonte in einer Predigt am Fastnachtssonntag: „ ... dass die Fastnacht eine höchst christliche und wahrhaft katholische Institution ist, und es würde fast einer Ketzerei gleichkommen, wenn man sie abschaffen wollte.“ Auch wenn ich nun wirklich kein Fastnachter bin und auch keine Predigt in Reimform verfassen kann, so möchte ich aber das, worum es dabei eigentlich geht, sehr gerne näher beleuchten: Lachen und Humor. Die Namen für „Fastnacht“ legen dies zunächst nicht nahe, sondern drücken ihren Sitz und ihre Bedeutung im Kirchenjahr aus: „Fastnacht“ = die Nacht vor der Fastenzeit, „Fasching“ = süddt. Fasten-Schank = Austeilen des Fastentrunks, „Karneval“ = lat. carnis vale = Fleisch, lebe wohl.

Lachen ist angeboren und gehört zu den wichtigsten emotionalen Ausdrucks- und Bindungsverhalten des Menschen! Schon sechs bis acht Wochen nach der Geburt fangen Säuglinge an zu lächeln als emotionale Reaktion auf ein menschliches Gesicht und / oder auf die menschliche Stimme, ab dem vierten Lebensmonat kann ein Mensch herzhaft lachen. Das ist uns also buchstäblich in die Wiege gelegt, dass wir durch Lächeln / Lachen wesentlich soziale Bindungen aufbauen und gestalten, es schafft Gemeinschaft und bedeutet (Lebens-)Freude, Nähe, Vertrauen und dadurch Sicherheit. Diese Bedeutung wird es ein Leben lang behalten. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz (1903-89) hat eine interessante Erklärung dafür, dass wir beim Lachen „die Zähne zeigen“: Wir zeigen damit unser (gesundes) Gebiss und demonstrieren nicht nur unsere Kraft, sondern – wenn es gegenseitig geschieht – auch unsere Zugehörigkeit / Gleichberechtigung zu einer starken Gruppe / Gemeinschaft. Biologisch ist es wohl mess- und nachweisbar, dass Lachen die Produktion von Abwehrstoffen anregt und somit zur Stärkung des Immunsystems und Gesunderhaltung des Organismus führt.

Jemand hat einmal behauptet, dass es die schlimmste Strafe für Kinder sei, wenn sie Eltern hätten, die nicht lachen könnten – ich bin sicher, dass das stimmt! Der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) empfiehlt, mindestens drei Mal am Tag mit seinem Kind zu lachen, der britische Komiker Charlie Chaplin (1889-1977) behauptete: „Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag“, und für den russischen Dichter Fjodor M. Dostojewski (1821-81) ist das Lachen die sicherste Probe auf einen Menschen!

Lachen und Humor gehören wesentlich zusammen, doch ist Humor eine Grundhaltung / Lebensein-stellung, wie man mit Erfahrungen des Alltags umgeht. Entwicklungspsychologisch ist Humor ein wichtiger Abwehrmechanismus, der Leichtigkeit, Heiterkeit, Gelassenheit, Lebensfreude und Freiheit ausdrückt und auch dazu befähigt, sich zu distanzieren, auch von sich selbst, daher stimmt der Satz: Humor bedeutet v.a., über sich selbst lachen zu können. Er ist ein Perspektivenwechsel (bei all den unterschiedlichen Formen wie Ironie, Witz, Komik, Spott, Zynismus u.ä.), der erleichtern und unbeschwerter machen, aber (damit) auch Nähe und Gemeinschaft schaffen soll. In unseren pastoralen Ausbildung hat jemand einmal in Bezug auf Predigten und Katechese (!) gesagt: „Wenn die Leute lachen, sind sie bereit, ihre Meinung zu ändern“! Es gibt Untersuchungen, die festgestellt haben, dass Humor auch wesentlich für Partner- bzw. Freundschaftsbeziehungen ist. Wenn man nicht miteinander lachen kann, kann man schwerlich gemeinsam durchs Leben gehen!

In der Bibel gibt es leider kaum Textstellen über das Lachen. Im Alten Testament haben sie meist den Charakter des Spotts (vgl. Gen 17, 17; 18, 12; Ps 2, 4; 59, 9). Im NT gibt es eine Stelle in Lk als Pendant zum Weinen („Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen“, Lk 6, 21b). Der hl. Paulus beschreibt dann aber in seinem Brief an die Galater die „Freude“ als zweite (!) Frucht des Hl. Geistes: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5, 22f). Leider gibt es keine Textstelle im NT, die berichtet, dass Jesus gelacht hat, was nicht verwunderlich ist, wenn man die Intention der Evangelien bedenkt, doch hat Jesus – wie jeder Mensch – mit Sicherheit viel gelacht, sonst hätte auch seine „Frohe Botschaft“ wohl kaum jemanden emotional erreicht (die Frage ist da eher, ob wir ein solches „Bild“ von Jesus haben?!).

Ich glaube, es ist eine sehr hilfreiche und bedeutsame Reflektion des Tages, wenn man sich abends auch fragt, worüber man heute lachen konnte.

Wenn Sie mögen, denken Sie daran, jeden Tag, nicht nur an Fastnacht!

Zur 1. Lesung (Lev 13, 1-2.43ac.44ab.45-46)

Die erste Lesung vom heutigen Sonntag ist alles andere als zum Lachen, im Gegenteil! Es geht um die Behandlung von „Aussätzigen“. Damit waren alle Menschen gemeint, die eine Hautkrankheit hatten und daher v.a. kultisch „unrein“ waren, weswegen sie aus der sozialen und religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen wurden! Zusätzlich erschwert wurde das Schicksal dieser Kranken und Ausgestoßenen durch den Tun-Ergehen-Zusammenhang, den wir schon öfters besprochen haben, d.h. Krankheiten wurden eben nicht auf eine biologische / medizinische Ursache zurückgeführt, sondern wurden als körperlicher Ausdruck von Sünde interpretiert, womit die Betroffenen gänzlich „abgeschrieben“ wurden.

Lesung aus dem Buch Levitikus:

„Der Herr sprach zu Mose und Aaron: Wenn sich auf der Haut eines Menschen eine Schwellung, ein Ausschlag oder ein heller Fleck bildet, liegt Verdacht auf Hautaussatz vor. Man soll ihn zum Priester Aaron oder zu einem seiner Söhne, den Priestern, führen. Der Priester soll ihn untersuchen. Stellt er Schwellung fest, die wie Hautaussatz aussieht, so ist der Mensch aussätzig; er ist unrein. Der Priester muss ihn für unrein erklären. Der Aussätzige, der von diesem Übel betroffen ist, soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungepflegt lassen; er soll den Schnurrbart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein! Solange das Übel besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.“

2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther (1 Kor 10, 31 – 11, 1):

Liebe Schwestern und Brüder!

„Ob ihr also esst oder trinkt oder etwas anderes tut: Tut alles zur Verherrlichung Gottes! Gebt weder Juden noch Griechen, noch der Kirche Gottes Anlass zu einem Vorwurf! Auch ich suche allen in allem entgegenzukommen; ich suche nicht meinen Nutzen, sondern den Nutzen aller, damit sie gerettet werden. Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 1, 40-45):

In jener Zeit „kam ein Aussätziger zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es – werde rein! Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz und der Mann war rein. Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein: Nimm dich in Acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis (meiner Gesetzestreue) sein. Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.“

Liebe Schwestern und Brüder,

was mich an der Geschichte von Jesus und dem Aussätzigen, am meisten begeistert, ist der Mut und der Glaube des kranken Mannes, dass er sich traut, auf Jesus zuzugehen und ihn um Hilfe zu bitten. Er fällt sogar vor ihm auf die Knie mit den Worten: „Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde“ (Mk 1, 40b) – woher will der Mann das eigentlich „wissen“? „Aussätzige“, das ist ein Sammelbegriff für Menschen mit unterschiedlichen Hautkrankheiten, was sie genau hatten, war der damaligen Gesellschaft nicht wichtig, denn das ent-scheidende war ihre Absonderung, ihr Ausgestoßenwerden auf Grund ihrer vermeintlichen, unterstellten „Sünde“, deren körperlicher Ausdruck eben der „Aussatz“ war. So wurden sie nicht nur aus der kultischen Gemeinde ausgeschlossen, sondern auch von ihrer Familie verstoßen und lebten einsam in Höhlen außerhalb der Stadt. Aber dieser Mann hat irgendwie von Jesus gehört und fasst jetzt seinen ganzen Mut zusammen, um von ihm geheilt zu werden. Wenn ich mir solche Menschen und ihr Leben vorstelle, dann glaube ich, dass die Einsamkeit vielleicht noch schlimmer war als die eigentliche Krankheit: Ausgestoßen zu sein, niemanden mehr zu haben, der bei einem ist, mit dem man reden kann, der für einen sorgt, bei dem man zu Hause ist, vielleicht ist das sogar das schlimmste, was einem Menschen überhaupt passieren kann, viel schlimmer als irgendeine Krankheit. Dieser Mann fällt nun vor Jesus auf die Knie, und Jesus hat „Mitleid mit ihm“, d.h. Jesus ist zutiefst bewegt und ergriffen von dem Schicksal des Mannes und von seinem Glauben – und er berührt ihn! Bestimmt ist es das erste Mal seit Jahren gewesen, auf jeden Fall seit seiner Erkrankung, dass dieser Mann von einem anderen Menschen berührt wird – und er ist wieder gesund! Aber wie? Es sind nach dieser Erzählung wohl sieben Faktoren, die dafür Not-wendig sind:

Ein Hilfesuchender muss um Hilfe bitten (= sich für Hilfe öffnen) (1),

er muss das auch (äußerlich) zeigen (= als deutliches Zeichen für seine Bereitschaft, Hilfe auch wirklich anzunehmen / umzusetzen) (2),

er muss an die (Heilungs-)Fähigkeiten des anderen glauben und sie ihm zusprechen (3),

ein Helfender muss Mitleid haben (= berührt werden / sich öffnen für die Not des anderen) (4),

er muss dem anderen seine Hand-lungsfähigkeit anbieten (5),

ihn damit „berühren“ (= erreichen) (6)

und aussprechen, was passieren soll (= Handlungsanweisungen / Strategien) (7).

Das ist m. E. wiederum (vgl. das Evangelium vom letzten Sonntag, Mk 1, 30f: Da ging es darum, wenn jemand aus Angst / Sorge „daniederliegt“) eine richtige, umfassende und daher geniale (göttliche) Abfolge von Einzelschritten, wie jemand, der am „Rande der Gesellschaft“ steht, der wegen irgendeines Merkmales „ausgestoßen“ wird, von dem man sich distanziert, weil man ihm die Schuld für etwas zuschreibt, für das er jedoch gar nicht verantwortlich ist, „geheilt“ werden kann – was auch immer das dann konkret bedeutet.

Wenn wir mögen, stellen sich uns durch das heutige Evangelium zumindest drei wichtige Fragen:

In der Rolle des Hilfesuchenden:

1) Wie ausgeprägt ist unser eigener Mut und unser Vertrauen in die Hilfe anderen, wenn wir etwas an uns verstecken mussten, um von anderen nicht abgelehnt zu werden?

2) Lassen wir uns durch andere dort berühren / lassen wir andere dort zu, wo wir uns bisher so alleine und abgewertet fühlten?

3) In der Rolle des Helfenden: Inwieweit wollen wir anderen, die (dafür) unsere Hilfe und Unterstützung brauchen, tatsächlich helfen (uns wahrscheinlich die „Finger schmutzig machen“, denn so ist das nun mal, wenn man einen „Aussätzigen“ mit seiner „Hand“ berührt, vgl. die Fußwaschung Jesu beim Letzten Abendmahl, Joh 13, 1-17)?