Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 6. Sonntag im Jahreskreis 2022

Datum:
So. 13. Feb. 2022
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 6. Sonntag im Jahreskreis

Zur 1. Lesung (Jer 17, 5-8)

Das sind schon drastische Worte, die wir gleich vom Propheten Jeremía hören, wahrscheinlich sind sie gegen den letzten König des Südreiches Juda, Zidkija (eigentlich Mattanja, König von 597-586 v. Chr.), gerichtet. 597 v. Chr. besetzt der babylonischen König Nebukadnezzar II. Juda und Jerusalem. Nachdem sich die Stadt ergeben hat, wird die Königsfamilie (und u.a. der Prophet Ezéchiel) nach Babylon deportiert und von Nebukadnezzar ein neuer König, Zidkija, eingesetzt, der ganz von ihm abhängig ist und vom jüdischen Volk nicht anerkannt wird (vgl. Jer 37, 1-2). Als dieser sich acht Jahre später mit Hilfe der Ägypter doch gegen Babylon auflehnt (vgl. 2 Kön 25, 1-7), belagert Nebukadnezzar erneut Jerusalem und schlägt die Ägypter zurück. Nachdem Jerusalem drei Jahre später erobert und zerstört ist (vgl. 2 Kön 25, 8-13), erfolgt als Vergeltung für diese Auflehnung die zweite Deportationswelle (586 v. Chr.), wobei auch Zidkija und der Großteil der jüdischen Bevölkerung nach Babylon verschleppt werden. Juda ist danach babylonische Provinz (vgl. 2 Kön 25, 22). Vor dieser Eskalation warnt Jeremía (erfolglos) (vgl. Jer 37, 6-10).

In Vers 7 hören wir, zusammengefasst: „Gesegnet, dessen Hoffnung der Herr ist“! Das kann uns zu der Frage führen, welche Hoffnungen wir haben, auf was oder wen wir unsere Hoffnung setzen?

Lesung aus dem Buch Jeremía:

„So spricht der Herr: Verflucht der Mann, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt und dessen Herz sich abwendet vom Herrn. Er ist wie ein kahler Strauch in der Steppe, der nie einen Regen kommen sieht; er bleibt auf dürrem Wüstenboden, im salzigen Land, wo niemand wohnt. Gesegnet der Mann, der auf den Herrn sich verlässt und dessen Hoffnung der Herr ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, unablässig bringt er seine Früchte.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 15, 12.16-20)

Kann man die Ethik und die Botschaft Jesu für richtig halten, auch wenn man ihn nicht für den Sohn Gottes hält? Schon, aber für Paulus fehlt dann die entscheidende Dimension, die die Auferstehung Jesu bedeutet: In ihr erweist sich Jesus als der Christus, der einzige Sohn des lebendigen Gottes (vgl. Joh 1, 14.18), und eröffnet uns den Glauben nicht nur an ihn, sondern auch an das ewige Leben.

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder! „Wenn verkündigt wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 6, 17-18a.20-26):

In jener Zeit, „stieg Jesus mit seinen Jüngern den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seiner Jünger stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon strömten herbei. Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht. Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.“

Liebe Schwestern und Brüder! Wie immer, ganz ehrlich: Zu welcher Gruppe möchte Sie gehören? Zu denen, die arm, hungrig oder traurig sind, oder zu den Reichen, Satten und Angesehenen? Ich bin davon überzeugt, die meisten Menschen wollen zur zweiten Gruppe gehören und meiner Wahrnehmung nach zielt so gut wie die gesamte Werbung und viele Shows und Influencer genau darauf. Laut Jesus ist das aber gefährlich, denn den Erfolgreichen und Unbeschwerten prophezeit er, dass sie alles verlieren werden. Geht es hier wirklich um zwei Lager von Menschen? Die, die jetzt nichts zu lachen haben, werden sich freuen, und die, die jetzt lachen, werden enttäuscht werden? Auch wenn das vielleicht radikal klingt, ich denke, es gibt wirklich zwei grundsätzlich verschiedene Lebensperspektiven: Das Leben vieler Menschen zeichnet sich dadurch aus, dass sie leiden, dass sie sich nach etwas sehnen, das über das hinausgeht, was sie jetzt haben, die arm, krank und hungrig sind. Das steht im krassen Widerspruch zu denen, die satt sind und sich selbst genug, deren vielleicht primäre Sorge ist, das Erreichte nicht mehr zu verlieren, und das geht letztlich nur durch Absicherung (und Abschottung?). So sehr vermutlich Reichtum, Macht und Schönheit zu Egoismus verführen (können), die Empörung und der Aufruf Jesu zielt noch mehr auf die Hartherzigkeit der Menschen, denen es „gut“ geht, die reich und satt sind und lachen, obwohl es so viel Leid und Not in der Welt gibt. An sie richtet sich sein Mahnruf und es entspricht der Essenz seines Lebens und seiner Botschaft: Sammelt „Schätze im Himmel“ (Mt 6, 20), die wir nicht mehr verlieren können, und „liebt einander so, wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15, 12), weil nur so Entfaltung, Glück und Frieden für alle Menschen möglich wird. – Die grundlegende Frage dahinter ist m. E., worauf ich mein Lebensgefühl wirklich aufbaue, was das Glück meines Lebens ist oder sein soll. Und da kann man schon deutlich unterscheiden, wofür sich jemand primär einsetzt: Geht es da in erster Linie um den persönlichen Erfolg, um Ansehen und Aussehen, damit ich gut bzw. besser dastehen kann, oder beziehe ich „meinen Nächsten“ immer in meine eigene Wahrnehmung, meine Alltagsziele und Handlungsoptionen mit ein? Jesu Ziel war / ist doch, das Herz des Einzelnen so zu weiten, dass die Not anderer nicht nur wahr-, sondern ernstgenommen wird und sich daraus Taten ergeben, die dieser Ver-Antwortung gerecht werden wollen, indem sie helfen. Der erste Johannesbrief beschreibt das sehr gut: „Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Schwestern und Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod. Daran haben wir die Liebe erkannt, dass Christus sein Leben für uns hingegeben hat. So müssen auch wir für die Schwestern und Brüder das Leben hingeben. Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Nächsten verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben?“ (1 Joh 14.16). Wir sind berufen, alles, was wir haben und sind, mit denen zu teilen, denen es hilft – will ich so leben?