Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Jungs Wort zu Pfingsten 2020

Datum:
Sa. 30. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ulrich Jung

Liebe Mitglieder und Freunde der Gemeinde St. Marien,

hier ist mein 11. Wort in der Corona-Zeit, es sind ein paar Gedanken zum Pfingstfest.

"Corona" bedeutet einen tiefen Einschnitt: politisch, gesellschaftlich, finanziell, wirtschaftlich, kulturell und auch religiös. Wir werden - was die Gottesdienste betrifft - vermutlich noch monatelang oder sogar noch länger mit den Einschränkungen leben müssen (maximal 40 Personen in der Kirche St. Franziskus, festgelegte Plätze, Anmeldelisten, Desinfektion...).

Aber das ist nur ein Aspekt. Wie sich die Kirche weiter verändern wird, ist noch kaum abzusehen.

Das christliche Leben wird auf unabsehbare Zeit wohl  viel weniger als bisher von direkten Erfahrungen von Gemeinschaft geprägt sein. Und es wird immer mehr auf jeden einzelnen Christen ankommen: ist das wirklich mein Glaube, meine tiefe innere Überzeugung? Binde ich mein Leben ganz bewusst an diesen Gott, an diesen Christus, an diesen neuen, heiligen und heilenden Geist?

Das "Mitschwimmen" in einer gewissen Gewohnheit, in einer (natürlich auch schönen) Tradition wird in Zukunft noch weniger möglich sein als bisher. Das sind große Herausforderungen.

Ich lade Sie alle zu einer persönlichen Besinnung und Reflexion dazu ein: Was glaube ich, wem vertraue ich, wer oder was trägt mich? Wo ist mein Herz "zuhause"?

Noch ein paar praktische Hinweise:
Unsere Gottesdienste finden bis auf weiteres (auch in der Ferienzeit ab Juli) immer samstags um 18.00 und sonntags um 10.30 in St. Franziskus statt. Man muss sich nach wie vor im Pfarrbüro (Tel. 71519)  zu den Sprechzeiten dazu anmelden (Name, Adresse, Telefon). Die Anmeldelisten müssen von uns vier Wochen lang aufbewahrt werden.

Zu Fronleichnam wird es zwei Gottesdienste geben:

Die Vorabendmesse am Mittwoch, 10. Juni um 18.00  und die Messe am Festtag selbst, Do., 11. Juni um 10.30, beide in St. Franziskus. Eine Prozession kann es dieses Jahr nicht geben, leider können wir wegen "Corona" auch kein Pfarrfest feiern.

Ich wünsche Ihnen allen trotz aller Schwierigkeiten und Einschränkungen ein frohes Pfingstfest und danke allen, die sich auch in der Krisenzeit engagieren und sich viele Gedanken machen, wie die nächsten Schritte sein können.

Ihr Pfarrer Ulrich Jung

Wort zum Pfingstfest, 31.05.2020

Liebe Mitchristen,

das Pfingstfest (50 Tage nach Ostern, das Wort „Pfingsten“ vom griechischen „Pentekoste“ bedeutet einfach „fünfzig“) gilt als der „Geburtstag der Kirche“. Menschen, die Jesus gekannt hatten, durch seinen Tod schockiert und wie gelähmt  waren und dann erfahren hatten, dass er auf eine neue Weise lebt, machen eine weitere tiefe Erfahrung mit Gott: Sie empfangen den Heiligen Geist. Sie werden innerlich reich beschenkt mit Kraft, Trost, Freude, Ermutigung, innerer Freiheit und dem Impuls, hinauszugehen und den Glauben an den auferstandenen Jesus weiterzugeben.

In ihr Leben kommt tatsächlich ein anderer Geist. Damit beginnt die Kirche, eine Gemeinschaft, in der ein „neuer Geist“ herrscht.

Wie der „alte Geist“ sich auswirkt, erzählt in bildhafter Sprache eine bekannte Geschichte aus dem Alten Testament (Genesis 11, 1-9): der „Turmbau zu Babel“. Da wollen sich die Menschen „einen Namen machen“, sie wollen „einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel“ bauen. Sie wollen sein wie Gott, sie wollen selbst nach ihren Vorstellungen allmächtig sein und alles im Griff haben (vgl. Gen 11,6). Das führt dazu, dass „keiner mehr die Sprache des anderen versteht“ (Gen 11,7): die Kommunikation, der Austausch, die Beziehung untereinander ist schwer gestört, wenn keiner mehr auf den anderen hört, jeder selbst das letzte Wort haben will, jeder nur seine Sprache, seine Gedanken, seine Vorstellungen durchsetzen möchte. „Babel“ ist der symbolische Name für Nicht-Verstehen, für gestörte und verweigerte Kommunikation, für Verwirrung und Blockierung.

Das biblische  Gegenbild zu „Babel“, zur gestörten Kommunikation, ist „Pfingsten in Jerusalem“ (vgl. Apostelgeschichte 2, 1-11). Da werden durch den neuen Geist fremde Sprachen verstanden. Da entsteht eine Kommunikation, eine Beziehung zwischen Menschen, die niemand für möglich gehalten hätte: „Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören? (Apg 2, 7b.8). „Wir alle“ (und jetzt folgen die zungenbrecherischen Namen der verschiedenen Völker, zum  Schrecken aller, die an Pfingsten Lektorendienst haben, z.B. die „Phrygier und Pamphylier“…) „hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“(Apg 2,11).

Das bewirkt der neue Geist: Verstehen, Beziehung, Gemeinschaft, Lösung von Ängsten und Blockaden.

Alter Geist und neuer Geist…

Wollen wir in Verständnislosigkeit, Misstrauen, Angst, Abgrenzung und Abgeschlossenheit leben oder in Austausch, Begegnung, Offenheit und gegenseitiger Achtung, ja sogar in Liebe zueinander?

Alter Geist und neuer Geist…

Es wäre einfach, wenn wir in der Kirche nur den „neuen Geist“ spüren würden, wenn dieser Geist sich „flächendeckend“ in allem zeigen würde, was in der Kirche  geschieht. Aber wie wir alle wissen, ist das leider nicht so. Der „alte Geist“ ist in vieler Hinsicht noch spürbar, er hält sich oft zäh in den Köpfen und Herzen der Christen. Das Leben aus dem „neuen Geist“ funktioniert nicht automatisch, auch nicht automatisch durch Taufe und Firmung. Der „neue Geist“  hat es oft schwer, weil das Alte viel „normaler“, realistischer und plausibler erscheint.

Der „neue Geist“ hat es auch schwer, weil er sich nicht mit den Mitteln des „alten Geistes“ durchsetzen kann: mit Gewalt, Lüge, List und Manipulation, Drohung und Einschüchterung. Der „neue Geist“ erscheint dem „alten Geist“ gegenüber oft schwach und hilflos…

Und doch!

Ihm, dem „neuen Geist“ gehört die Zukunft!

Ihm, dem „neuen Geist“ dürfen wir trauen. Er wird am Ende Sieger sein. Das dürfen wir glauben, weil wir auf Jesus schauen. In seinem „Scheitern“, in seinem Leiden und seinem qualvollen Tod hat sich der „alte Geist“ von seiner brutalsten Seite gezeigt, hier hat sich der „alte Geist“ bis zum Exzess „ausgetobt“. Aber dieser „Sieg“ des „alten Geistes“ war nicht das letzte Wort. Der Evangelist Johannes deutet den (scheinbaren) Sieg des „alten Geistes“ als Voraussetzung dafür, dass der „neue Geist“ kommen kann, wenn er Jesus sprechen lässt: „Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand (= der Heilige Geist) nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.“ (Johannes 16,7)

Also: obwohl der „alte Geist“ auch jetzt noch sehr mächtig erscheint – er hat trotzdem keine Zukunft! Er hat vor allem keine ewige Zukunft – die gehört dem „neuen Geist“, der an Pfingsten angefangen hat, in der Kirche zu wirken (sein Wirken ist aber nicht auf die sichtbare Kirche beschränkt!).

An Pfingsten wünsche ich mir und  allen Christen den Mut, sich für den neuen Geist zu öffnen!

Ein frohes Pfingstfest!

Ihr Pfarrer Ulrich Jung