Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Jungs Wort zum 3. Sonntag der Osterzeit

Datum:
Sa. 25. Apr. 2020
Von:
Pfarrer Ulrich Jung

„Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn“ (Lukas 24, 31)

Liebe Mitchristen,

die „Corona - Zeit“ zieht sich hin. Es sieht nicht danach aus, dass wir demnächst wie aus einem bösen Traum erwachen werden -  und alles ist wieder wie vorher. 

Immer wieder kann man in diesen Tagen den ernsten und nachdenklichen Satz hören: „Es wird nichts mehr so sein wie zuvor“. Vieles wird sich auf Dauer in unserem Leben, in unserem Umgang miteinander ändern. In vielen Forschungslabors in der ganzen Welt wird mit aller Kraft an der Entwicklung eines Impfstoffs gearbeitet, der möglicherweise in etwa einem Jahr zur Verfügung stehen könnte. Aber es ist noch lange nicht soweit. Es wird in diesem Jahr z.B. keine „normale“ Urlaubssaison geben, mit selbstverständlichen Reisen zu beliebten Zielen (Die Älteren erinnern sich allerdings daran, dass es in früheren Jahren keineswegs „normal“ war, jedes Jahr ein- oder gar zweimal in Urlaub fahren zu können). Seit dem großen „Wirtschaftswunder“ in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts haben wir uns in Deutschland ziemlich schnell daran gewöhnt, dass es (wenn auch mit gelegentlichen Stockungen) immer nur „aufwärts“ geht. Wir haben aber auch in den letzten Jahren - noch vor „Corona“-  gelernt (zumindest hätten wir es lernen können), dass dieses „Aufwärts“, dieser immer noch mehr gesteigerte und verfeinerte Konsum seine massiven Schattenseiten hat: dass der „westliche Lebensstil“ (den der „Osten“ ja längst auch übernommen hat) zu Lasten der Umwelt geht, zu Lasten der Armen in der „Dritten Welt“ und zu Lasten der kommenden Generationen. Ich hatte schon seit Jahren oft das Gefühl: „Das kann so nicht weitergehen, irgendwann gibt es mal einen großen Knall“. Vielleicht ist mit „Corona“ dieser „Knall“ jetzt da, nicht spektakulär zerstörerisch wie bei einer nuklearen Katastrophe, vielmehr „leise“ – aber in den Konsequenzen nicht weniger dramatisch. Erst nach und nach wird sichtbar und spürbar, welche ungeheuren Folgen dieses mikroskopisch kleine Virus nach sich zieht: Wirtschaftliche, finanzielle, politische, gesellschaftliche, psychologische, aber auch religiöse Folgen: wie können Gottesdienste in „Corona-Zeiten“ aussehen, wie wird in Zukunft das Gemeindeleben gestaltet werden können, welchen neuen Fragen und Herausforderungen müssen sich Christen in Zukunft stellen? Welche Haupt-Aufgabe wird die Kirche in Zukunft haben? Ganz sicher wird es nicht die Aufgabe sein, sich intensiv mit sich selbst zu beschäftigen und „im eigenen Saft zu schmoren“…

Im Neuen Testament gibt es einen sehr bekannten Text, der im Blick auf diese Fragen Mut machen kann, die Geschichte der „Emmausjünger“ im Lukas-Evangelium (24, 13-35). Für Kleopas und seinen namentlich unbekannten Freund ist eine Welt zusammengebrochen: Jesus, ihr Meister, ihr Vorbild, ihre Hoffnungsgestalt ist tot, grausam am Kreuz gefoltert und ermordet. Sie reden über ihn, ihr Blick ist rückwärts gewandt: „Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte.“(Lk 24,14) Da kommt einer zu ihnen und geht mit, den sie zunächst nicht erkennen. Sie erzählen ihm traurig und bedrückt von ihrem Jesus, von dem Bild, das sie sich von Jesus gemacht hatten: „Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem Volk … Wir hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde.“ (Lk 24, 19.21) Auch das Gerücht um seine Auferstehung erwähnen sie, aber es bleibt unsicher: „Ihn selbst aber sahen sie nicht.“(Lk 24,24). Die beiden Freunde - so könnte man das interpretieren – sind in ihrer Vorstellung von Jesus gefangen. Sie hatten ein bestimmtes Bild von ihm und dieses Bild ist jetzt kaputt. Es ist Vergangenheit, unwiderruflich vorbei. – Behutsam erschließt ihnen aber der fremde Weggefährte eine andere Sichtweise: „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen“ (Lk 24,26) So fangen sie an, Jesus anders zu sehen und es wird ihnen dabei warm ums Herz (vgl. Lk 24,32).

Sie bitten den Fremden, bei ihnen zu bleiben und sie erkennen ihn, als er mit ihnen das Brot bricht (der biblische Ausdruck für die Eucharistie). - Ein Bild geht zu Bruch, eine bestimmte Lebensweise ist nicht mehr lebbar, Pläne werden zunichte, Hoffnungen zerstört; ja möglicherweise geht eine ganze Epoche zu Ende. Aber Gott ist nicht am Ende! Er zeigt sich nur in einer neuen Weise, in einer neuen Gestalt… Vielleicht will uns die österliche Emmaus-Erzählung genau das zeigen. Jesus lebt – aber eben nicht so wie in der Vergangenheit. Man kann ihn nicht „konservieren“, man kann eine bestimmte Vorstellung von ihm nicht für alle Zeiten festhalten. Er, der Lebendige, überschreitet alle von Menschen gezogenen Grenzen. Das ist zunächst schwer zu verstehen. Die beiden Jünger haben eine ganze Zeit gebraucht, bis es „Klick“ gemacht hat. Aber dann brechen sie auf, treffen sich mit den anderen und teilen miteinander das umwerfende Erlebnis „Der Herr ist wirklich auferstanden“ (Lk 24, 34), er ist ganz neu und ganz anders präsent. Vielleicht lässt uns „Corona“ langsam verstehen, dass wir Jesus ganz woanders suchen und finden können als an den bisher gewohnten Orten. Die „zwei Männer in leuchtenden Gewändern“ sagen zu den Frauen, die zum Grab kommen: „Was sucht ihr den, der lebt bei den Toten?“ (Lk 24,5)

Einen gesegneten Sonntag und eine gute Zeit! 

Ihr Pfarrer  Ulrich Jung