Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Jungs Wort zum 6. Sonntag der Osterzeit

Datum:
Sa. 16. Mai 2020
Von:
Pfarrer Ulrich Jung

Liebe Mitglieder und Freunde der Gemeinde St. Marien,

ich schicke Ihnen zum 9. Mal ein "Wort zum Sonntag" in der Corona-Zeit.
Heute und morgen finden zum ersten Mal seit dem 8. März wieder öffentliche Sonntagsgottesdienste in unserer Gemeinde statt.
Zu diesen Gottesdiensten (zunächst nur in der Pfarrkirche St. Franziskus immer samstags um 18.00 und sonntags um 10.30) muss man sich im
Pfarrbüro anmelden, es müssen einige  Auflagen beachtet werden.
Ich lade Sie herzlich dazu ein!

Ausführliche Informationen dazu finden Sie auf unserer Homepage.
Wieder möchte ich allen danken, die sich um das Gemeindeleben in dieser Krisenzeit sorgen,
sich etwas einfallen lassen und  andere im Glauben begleiten.
Zum Fest " Christi Himmelfahrt"  in der kommenden Woche ist keine Eucharistiefeier vorgesehen.
Ich möchte Sie aber einladen, an diesem Tag einen kleinen Spaziergang ins Feld zu machen: zur "Stele" zwischen Drais und Lerchenberg,
an der wir uns in den letzten Jahren immer zum Bittgottesdienst getroffen haben. Dort gibt es um  14.00, 15.00 und 16.00 kurze Impulse zum Fest. Es wäre schön,
wenn viele von Ihnen mal vorbeikämen.
Außerdem beginnen wir an Christi Himmelfahrt mit der Gebetsnovene auf Pfingsten hin: 9 Tage Gebet um den Heiligen Geist, den "Beistand", den
wir immer, aber in diesen Zeiten nochmal ganz besonders brauchen. Ich danke Marlene Hang und den Mitgliedern des Liturgiekreises für die Idee und die Gestaltung
der Impulse und Gebete! Angeregt wurden die Gebetszeiten durch die Pfingstnovene der Aktion "Renovabis" für unsere Glaubensgeschwister in Osteuropa.
Ihren Beitrag für Renovabis können Sie an Pfingsten in das Spendenkörbchen legen oder  sehr gerne direkt auf das Spendenkonto überweisen:
IBAN: DE 24 7509 0300 0002 2117 77 (Liga-Bank)
IBAN: DE 17 3706 0193 3008 8880 18 (Pax-Bank)

Vielen herzlichen Dank!

Wort zum 6. Sonntag der Osterzeit

Liebe Mitchristen,

ABSTAND – Dieses Wort ist in den letzten Monaten ständig zu hören. Überall müssen wir Abstand halten, mindestens 1,50 m, besser 2 m. Nur so kann die Corona-Pandemie einigermaßen beherrschbar bleiben. Auch in der Kirche, in den Gottesdiensten, die jetzt wieder stattfinden können, müssen wir (leider!) auf Abstand achten. Ich habe mir mal ein paar Gedanken gemacht über den „Abstand“…

Der größte Abstand, den man sich überhaupt vorstellen kann, ist der Abstand zwischen Gott und Mensch. Dieser Abstand ist so groß, dass er auf keine Weise überbrückt werden kann. Wir können Gott nicht sehen, nicht fühlen, nicht verstehen, nicht berechnen, nicht in den Griff bekommen. Wir kriegen ihn nicht zu fassen, er entzieht sich allen unseren Bemühungen. Wir können ihn auch mit größten moralischen Anstrengungen, mit größter Askese, mit größter Frömmigkeit nicht erreichen. Er bleibt immer größer und anders als alles, was Menschen verstehen, sich vorstellen und ausdrücken können.

Also: Abstand, unüberwindlicher Abstand. In der Bibel wird das drastisch ausgedrückt  mit dem Gedanken, dass der, der Gott zu sehen bekommt, sterben muss. Das hält kein sterbliches Wesen aus.

Im Buch Jesaja heißt es:  „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege... So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken“ (Jes 55, 8-9)

So ist es, und so ist auch die Erfahrung, die wir immer wieder machen, wenn wir nach Erklärungen  suchen für das, was wir einfach nicht verstehen können: Warum gibt es so viel Schlimmes auf der Welt, so viele Katastrophen, so viel Angst und Elend, soviel Schuld und Leid? Wir können uns den Kopf zerbrechen und finden doch keine Lösung. Gott scheint unendlich fern: Abstand!

Gott ist der ganz Andere, der Fremde, der Ferne, der nicht Verstehbare. Das ist die eine Seite, die wir (gerade jetzt auch in Corona-Zeiten) sehr ernst nehmen müssen und die wir nicht beiseite schieben können und dürfen.

Aber es gibt auch die andere Seite!

Gott überwindet von sich aus den Abstand. Gott kommt auf die Menschen zu. Gott lässt sich von Menschen erfahren. Gott kommuniziert mit Menschen. Die ganze Bibel spricht immer wieder von dieser Begegnung Gottes mit Menschen. Besonders eindrucksvoll z.B. in der Vision des Propheten Jesaja (im 6. Kapitel seines Buches), wo Jesaja den Herrn „auf seinem hohen und erhabenen Thron“ sieht, mit Erschrecken seine unfassbare Heiligkeit erfährt , sich dabei völlig verloren fühlt und doch am Leben bleibt, ja sogar einen großen Auftrag von Gott bekommt: „Hier bin ich, sende mich!“ (Jes 6,8)

Schon im Alten Testament wird der Abstand also überwunden, in vielfältigen Begegnungen Gottes mit den Menschen.

Erst recht im Neuen Testament: hier kommt Gott den Menschen auf eine geradezu unglaubliche Weise nah – er wird selbst Mensch in Jesus von Nazareth. In und durch  Jesus ist der Abstand vollständig aufgehoben. Gott kommt uns nicht nur auf 1,50 m nah, sondern er ist uns näher als unser Innerstes, wie es der Hl. Augustinus ausdrückt. Jesus sagt es bei Johannes zu seinem Jünger Philippus:  „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9) und an einer anderen Stelle: „Ich und der Vater sind eins“.

Ein riesiger unüberwindlicher Abstand auf der einen Seite – und gar kein Abstand, sondern größte Nähe zu den verlorenen Menschen bis hin zum vollständigen Sich-Eins-Machen mit den Gott-Fernen, bis hin zur  Gottverlassenheit des Sohnes Gottes am Kreuz  auf der anderen Seite: wie kriegen wir das zusammen? In unserem Kopf, in unseren Gedanken kriegen wir das gar nicht zusammen. Wir müssen die Spannung aushalten: Auf der einen Seite der Gott, der uns fremd und unverständlich ist, von dem wir gar nichts spüren  und verstehen – und auf der anderen Seite die Nähe Gottes in dem Menschen Jesus Christus und durch ihn in allen Menschen. Wer hilft uns dabei?

Es ist der Heilige Geist, der uns geschenkt wird. Dieser liebevolle Geist Gottes lässt uns verstehen, dass Gott uns bei allem Abstand, bei allem, was wir auf Erden nie verstehen werden dennoch gleichzeitig ganz nahe ist: Jesus sagt bei Johannes (heutiges Evangelium vom 6. Sonntag der Osterzeit): „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit… An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch.“ (Joh 14, 16.17a. 20).

 Der Beistand lässt uns den Abstand ertragen…

Ihnen allen einen gesegneten Sonntag!

Ihr Pfarrer Ulrich Jung