Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Jungs Wort zum Fronleichnamsfest 2020

Datum:
Mi. 10. Juni 2020
Von:
Pfarrer Ulrich Jung

Liebe Mitchristen,

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein…“ – ein sehr bekannter Spruch aus der Bibel, der im Alten und Neuen Testament mehrmals vorkommt (Deuteronomium 8,3; Matthäus  4,4; Lukas  4,4). Dieser Satz ist ein Protest gegen den geistlosen und gefühllosen Materialismus, den es auch schon vor einigen tausend Jahren gab.

Offensichtlich gab es immer schon Menschen, denen das Materielle genügte – und es gab Menschen, die „mehr“ suchten. Das Wort „Brot“ steht in dem biblischen Satz für das, was materiell unmittelbar zum physischen Leben notwendig ist: Essen und Trinken, Kleidung, Wohnung…

Nun sollte man das nicht gering schätzen. Vor allem steht es Menschen, die in Wohlstand und Sicherheit leben und die sich vielerlei Kultur- und Luxusgüter gönnen können, wirklich nicht gut an, von oben herab auf die zu schauen, denen es „nur“ ums physische (Über-)Leben geht. Sehr krass hat vor fast 100 Jahren der Dramatiker Bert Brecht in der „Dreigroschenoper“ formuliert: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“.

In der Bibel geht es aber nicht um die Abwertung des „nur Materiellen“. Brot ist notwendig und es ist eine „himmelschreiende Sünde“, den Armen und Bedürftigen das notwendige Brot vorzuenthalten (vgl. Jakobusbrief 5,4).

Brot ist notwendig – aber es genügt nicht!

Es genügt auch den Armen nicht! Gerade sie brauchen mehr als Brot!

Die evangelische Theologin Dorothee Sölle hat den pointierten Ausdruck vom „Tod am Brot allein“ geprägt. Sie wollte damit wohl sagen: Menschen verfehlen ihr Leben, wenn sie sich nur mit „Brot“ begnügen! Menschen sind innerlich tot, wenn sich alles in ihrem Leben nur um das „Haben“, um Geld, Besitz und Genuss dreht, wenn sie nicht  offen sind für das „Mehr“. Was ist aber dieses „Mehr“? Die Bibel sagt: „Jedes Wort, das aus dem Munde Gottes kommt“ (Mt 4,4 und Dtn 8,3). Also das Wort der Ermutigung, des Vertrauens, der Hoffnung, der Liebe. Das Wort, das ich mir nicht selbst sagen kann, sondern das mir von einem anderen, letztlich von Gott, gesagt werden muss. Menschen brauchen oft sehr lange, bis sie merken, dass sie „mehr“ brauchen, dass sie von „mehr“ leben als vom „Brot allein“. Eine symbolische Zahl dafür in der Bibel sind die „40 Jahre“, die das Volk Israel durch die Wüste wandern musste, um endlich ins „Gelobte Land“ zu kommen. Mose sagt es eindrücklich im Buch Deuteronomium (1. Lesung vom Fronleichnamsfest): „Du (er meint das Volk Israel) sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während der vierzig Jahre in der Wüste geführt hat, um dich gefügig zu machen und dich zu prüfen. Er wollte erkennen, wie du dich entscheiden würdest: ob du auf seine Gebote achtest oder nicht. Durch Hunger hat er  dich gefügig gemacht…Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund des Herrn hervorgeht.“ (Dtn 8, 2-3).

Der Hunger nach physischem Brot ist direkt spürbar; er ist schlimm, er „nagt“ und „beisst“ im Magen und mir wird schlecht, wenn ich längere Zeit nichts zu essen bekomme.

Der Hunger nach Gott ist nicht so unmittelbar zu spüren, nur  eher „leise“ im „Hintergrund der Seele“: eine innere Unruhe und Unzufriedenheit, eine Einsamkeit und Verlorenheit, auch vielleicht eine ziellose Langeweile und Frustriertheit. Irgendetwas fehlt mir, aber ich kann es nicht so recht fassen. Irgendwie spüre ich, dass meine Seele hungert, blind ist und friert, aber es braucht – wie gesagt – oft eine lange Zeit („40 Jahre“), um zu erkennen, dass sie nach Gott hungert, dass sie sich nach dem Licht und der Wärme Gottes sehnt.

Was hat all das mit dem Fronleichnamsfest zu tun?

An Fronleichnam geht es um das „Brot für die Seele“, um das „himmlische Brot“, um das „Brot“, das nur Gott geben kann: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben“ (Johannes 6, 51 – Evangelium vom Fest). Das sagt Jesus von sich, der Sohn Gottes, das „Wort Gottes“, das „Fleisch geworden ist“ (vgl. Joh 1, 14). Die Eucharistie, die kleine heilige Hostie, in der der auferstandene Jesus gegenwärtig ist, macht nicht körperlich satt, sie stillt nicht den Hunger nach physischem Brot. Aber sie ist „ein Wort, das aus dem Mund Gottes kommt“ (!!!). Wenn ich die Heilige Kommunion empfange, sagt mir Gott durch sein Wort Jesus: „Ich bin bei dir, ich liebe dich, ich tue alles für dich!“

In der Eucharistie wird uns das „Mehr“ geschenkt, das wir über das physische Brot hinaus brauchen; ein Bild dafür könnte die „Rose“ sein. Wir brauchen (physisches) Brot und „Rosen“ für unser Leben als Menschen, die eine körperliche, eine seelische und eine geistige/geistliche Dimension haben. In einem modernen Lied von Wilfried Röhrig, das wir manchmal im Familiengottesdienst singen, heißt es: „Brot und Rosen, Rosen und Brot, Gaben der Liebe gegen die Not. Brot und Rosen, Rosen und Brot, Gaben des Lebens gegen den Tod“ (Liederbuch „Beherzt“ Nr. 20).

Es ist schön, dass es immer wieder Menschen gibt, die uns „Rosen“ schenken, wenn wir in der Gefahr sind, zu meinen, wir könnten „vom Brot allein“ leben…

Einen gesegneten Feiertag „Fronleichnam“! 

Ihr Pfarrer Ulrich Jung