Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Jungs Wort zum Palmsonntag

Datum:
So. 5. Apr. 2020
Von:
Pfarrer Ulrich Jung

Liebe Mitchristen,

mit diesen Zeilen erreicht Sie schon der dritte Sonntagsgruß von mir in „Corona-Zeiten“. Heute ist Palmsonntag. In „normalen“ Zeiten hätten wir diesen Tag auf dem Lerchenberg  mit einer kleinen „Palmprozession“ vom „Wäldchen“ in die Kirche St. Franziskus bzw. mit der größeren Prozession in Drais von der Maria-Hilf-Kapelle zur Kirche Maria Königin begangen, begleitet von der Kirchenmusik.

Wir hätten den Einzug Jesu in Jerusalem „nachgespielt“, mit Buchszweigen in den Händen, die Kommunionkinder mit bunt geschmückten „Palmstöcken“. Vor zwei oder drei Jahren ist sogar ein Esel mitgelaufen… An all das ist in diesem Jahr nicht zu denken, die leider notwendige Kontaktsperre macht alle Veranstaltungen in Gemeinschaft unmöglich. Es bleibt uns nur der Fernsehgottesdienst oder eine kleine selbstgestaltete Hausandacht, vielleicht das Lesen der Matthäus-Passion (Mt 26, 14 – 27, 66) in Ruhe in der eigenen Wohnung. Oder das Hören der berühmten Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach.

Ein kleines Internet-Video aus „Maria Königin“ mit einigen Elementen der Palmsonntagsliturgie finden Sie auch auf unserer Homepage www.st-marien-mainz.de unter dem Menüpunkt "Aktuelles".

Hier geht es zu den Videos

Was mich schon immer am Palmsonntag berührt hat, ist der harte Kontrast zwischen „Hosanna“ (Mt 21,9) und „Kreuzige ihn!“ (Mt 27, 22 und 23).

Jesus wird bejubelt, als er – demütig und friedfertig – auf einem Eselsfohlen reitend  in Jerusalem einzieht. Vielleicht spüren die Menschen wirklich für einen Moment: Da kommt der wahre König, der ganz anders ist als Herodes oder der Kaiser in Rom. Da kommt endlich einer „im Namen des Herrn“ (Mt 21,9) und nicht, um seinen eigenen Namen groß rauszubringen. Da wird endlich in einem Menschen Gottes Güte und Gerechtigkeit sichtbar…

Aber die Stimmung schlägt sehr schnell um. Menschen sind wankelmütig und  manipulierbar; die Menge  schreit nach, was einige vorschreien; aus „normalen Leuten“, die zunächst vielleicht nur neugierig oder indifferent sind, wird ein fanatischer Mob: „Ans Kreuz mit ihm“ (Mt 27,22) und „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ (Mt 27, 25). In der späteren Geschichte hat sich das leider oft wiederholt… Wo so gebrüllt wird, haben Vernunft und Barmherzigkeit keine Chance mehr.

Jesus brüllt nicht zurück, er geht still und entschieden seinen Weg. Es gibt Situationen, wo Menschen, die an Menschlichkeit, Menschenwürde und Nächstenliebe festhalten, sehr allein sind…

Mir fällt dazu das „Lied der Minderheit“ von Lothar Zenetti ein, dem Frankfurter Pfarrer, von dem z.B. auch das schöne Lied „Das Weizenkorn muss sterben“ (Gotteslob 210) stammt:

 

Geh nicht den Weg, den alle gehn,
die Mehrheit hat nicht recht.
Die Masse geht den breiten Weg,
und dieser Weg ist schlecht.

Schrei das nicht nach, was alle schrein,
was man so heute schreit.
Die Wahrheit zieht auf schmalem Pfad
durch diese laute Zeit.

Mach das nicht mit, was alle tun,
zieh nicht in ihr Gefecht,
und sind es auch nur wenige:
Die Minderheit hat recht!

 

Jesus war absolut in der Minderheit, er war völlig allein; sogar von Gott fühlte er sich total verlassen (vgl. Mt 27, 46). Aber ER ist die Wahrheit… (vgl. Joh 14,6)

Einen gesegneten Palmsonntag und eine Karwoche, die Sie innerlich berührt, wünscht Ihnen

 Ihr Pfarrer Ulrich Jung