Schmuckband Kreuzgang

Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter

Datum:
Do. 4. Jan. 2024
Von:
Pfr. em. Kurt Sohns

Mit der Taufe Jesu endet liturgisch die Weihnachtszeit. In den biblischen Erzählungen der Weihnachtszeit wird uns Jesus als Geschenk Gottes nahe gebracht. Diese biblischen Erzählungen wollen uns nicht historische Fakten präsentieren. Vielmehr kreisen sie um ein Geheimnis, das mit Geschichtszahlen, mit Ortsnamen, mit protokollartigen Dokumenten nicht festgelegt werden kann.

Was uns erzählt wird, soll ein Staunen in uns erwecken. Es soll uns ahnen lassen, dass im Alltäglichen verborgen ist, was alles andere als alltäglich ist. Da wird von Engelerscheinungen erzählt, von geheimnisvollen, von Gott gewirkten Träumen. Und wer sich ihnen öffnet, sich von ihnen leiten lässt, macht die Erfahrung, dass es in der Verworrenheit der Welt Orientierung gibt und in der Ausweglosigkeit Wege, die weiter führen.

Weihnachten spricht unsere Gefühle, unser Herz an. In der Zeit nach Weihnachten darf das nicht wie eine schöne, aber lebensfremde Idylle vergessen werden. An Weihnachten sollen die Sinne eröffnet, bleibend eröffnet werden für das Geheimnis, dass die Kraft Gottes uns in einem schwachen Kind begegnet und dass alles, was wir tun im Leben, daran zu messen ist, ob es bestehen kann vor dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz.

Was wir von uns aus nicht leisten können, was uns aber von Gott her als Möglichkeit geschenkt ist, hat Paul Gerhardt die sehnsuchtsvollen Worte finden lassen:

O dass mein Sinn ein Abgrund wär

Und meine Seel ein weites Meer,

dass ich dich möchte fassen!

Diese sehnsuchtsvollen Worte sollten nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr in dieser oder in einer anderen Form Inhalt unsres Betens sein. So wichtig es ist, dass wir im ethischen Sinn uns an Gottes Weisungen orientieren, der Hintergrund, aus dem das ver-antwortungsvolle Handeln seine Kraft empfängt, ist das Geheimnis Gottes, in das Er uns hineinruft. Der Theologe Hans Urs von Balthasar weist in seinem großen Werk „Herrlichkeit“ darauf hin, wenn er schreibt: „In einer Welt ohne Schönheit – auch wenn die Menschen das Wort nicht entbehren und es dauernd missbrauchend im Munde führen-, in einer Welt, die vielleicht nicht ohne Schönheit wäre, sie aber nicht mehr zu sehen, nicht mehr mit ihr zu rechnen vermag, hat auch das Gute seine Anziehungskraft, die Evidenz seines Getan-werden-müssens eingebüßt“.

Das Schöne, das Geheimnis wahrzunehmen, kann nicht erzwungen werden. Es ist schade, dass es ein Kirchengebot geben „muss“, das am Sonntag zur Feier der Eucharistie einlädt. Schon die Einladung zu Gottesdiensten sollte nicht überschrieben sein mit dem Wort „Gottesdienstordnung“. Wir wollen ja nicht zur Ordnung gerufen, sondern eingeladen werden zur Eucharistie, zur Danksagung. Wir wollen, wenn wir begreifen, worum es geht, etwas empfangen und mitnehmen aus dem Alten und dem Neuen Testament, das Hermann Hesse be-schreibt als „ein(en) Behälter der kostbarsten und gefährlichsten Wahrheiten“. Wir werden in der Liturgie herangeführt an das unfassbare Geheimnis, das uns erfassen will. Ein deutlicher Hinweis darauf ist die Präfation, in der wir einbezogen werden in das Lob der Engel, das dreimal Heilig, das mit dem Bekenntnis verbunden ist: „Erfüllt sind Himmel und Erde von Deiner Herrlichkeit“. Das dürfen ja keine leeren Worte sein. Da ist es zu verstehen, dass wir vor diesem Bekenntnis angerufen werden: „Erhebet die Herzen“. Wenn wir bedenken, mit wie viel Sorgen und Not wir oft beladen sind, wenn wir zur Eucharistie zusammenkommen, dann gewinnt die Antwort: „Wir haben sie beim Herrn“-, Wir haben unser Herz bei Gott-, eine große Bedeutung.

Die Einladung, mit den Engeln das Heilig zu singen, lässt mich an die Einladung des Märtyrer-Bischofs Ignatius von Antiochien (~107) den-ken: „Nehmt Gottes Melodie in euch auf“.
Von Gottes Melodie schreibt der Evangelist Lukas in der Verkündigung der Geburt Jesu:

„Herrlichkeit Gott: in den Höhen!

Und auf Erden: Friede den Menschen Seines Gefallens!“

Das Evangelium des Festes „Erscheinung des Herrn“ ist eine der schönsten Stellen der Frohbotschaft. Es erzählt in der Gestalt der Sternkundigen von Menschen, die sich aus der Sicherheit des Vertrauten herausrufen lassen auf einen Weg, der sich ihnen erst erschließt, indem sie ihn gehen-, indem sie sich leiten lassen von einem Stern. Das Symbol des Sterns, der zu „sehen“ ist, entspricht der Melodie Gottes, die zu „hören“ ist.
Die biblische Erzählung von den Sternkundigen, aus denen -ausgelöst durch die Dreizahl der Geschenke und den Wert der Geschenke- drei Könige wurden, hat deshalb eine so große Bedeutung gefunden, weil der weite, mit viel Beschwernis gezeigte Weg die Menschen den eige-nen Weg dabei erkennen ließ und im Suchen nach dem das Leben erfüllenden Ziel die eigene Sehnsucht spüren ließ.

Das Fest, das die Kirche feiert: die Taufe Jesu, ist ein Fest, das den Menschen im Allgemeinen nicht so nahe geht. Zur Deutung der Per-son Jesu aber hat es eine wichtige Funktion. Dem Evangelium von der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer ist die Lesung aus dem Propheten Jesaja zugeordnet. Darin wird der von Gott gesandte Helfer so be-schrieben, wie später die Menschen Jesus erfahren haben. Er ist als der Gesandte Gottes erfüllt mit Gottes Geist. Die Mitteilung des Geistes wird im Taufbericht als erfüllt gezeigt. Das Auftreten des Gesandten Gottes erscheint in aller Einfachheit. Er macht keine Reklame für Gott, vielmehr bezeugt er Ihn durch sein Leben. Die ihr Leben als gescheitert angesehen haben-, die schuldig geworden waren-, alle, die arm dran waren-, sie konnten wieder zum Leben finden-, sie konnten zu sich selbst finden, weil er das geknickte Rohr nicht gebrochen hat und den glimmenden Docht nicht gelöscht hat. Ihm ging es darum, wie es Gott darum geht, Leben zu retten.

In der Übersetzung von Martin Buber heißt es weiter vom Knecht Gottes, als den wir den Messias Jesus sehen: „Er selber verglimmt nicht und knickt nicht ein, bis das Recht er setzte auf Erden und seine Weisung die Ozeanküsten erwarten“. Am Leben Jesu ist abzulesen, wie er das Licht war, das die Wahrheit aufscheinen ließ. In den Versuchungserzählungen-, in der Auseinandersetzung mit denen, die ihm folgten, aber seinen Weg zu verwirren drohten (vgl.Mk 8,33)-, vor Pilatus, dem weltlich Mächtigen-, nie ist Jesus eingeknickt.

Weil Jesus dieses Zeugnis für die Wahrheit gelebt hat und weil er es gelebt hat in Solidarität zu uns, aber nicht ausgestattet mit weltlicher Macht, mit Privilegien, mit Geld, ist es uns möglich, in seiner Nach-folge zu leben. Und wir dürfen im Vertrauen leben, dass Gott die Worte, die er zu Jesus gesprochen hat, auch zu uns spricht und schon gesprochen hat: „Du bist mein Sohn, mein geliebter, du bist meine Tochter, meine geliebte. An dir habe ich Gefallen“.
Um dieser Wahrheit nahe zu kommen, ist es gut, mit dem Fest der Taufe Jesu vertraut zu werden.


Kurt Sohns