Lieber Herr Pfarrer Sohns,
vor rund 40 Jahren sind Sie nach Offenbach zur Gemeinde St. Paul gestoßen und ebenfalls vor 40 Jahren habe ich Offenbacher Bub sonntags katholische und evangelische Pfarreien in unserer Stadt abgeklappert, um eine geistige Wahlheimat zu finden.
Bei Ihnen bin ich hängen geblieben, weil Ihre Worte und Ihre Authentizität mich regelmäßig sehr berührt haben.
Ich danke Ihnen für unendlich viele geistliche Impulse und Anregungen. Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie schon früh erkannt und bekannt haben, dass sich unsere katholische Kirche von innen heraus erneuern muss, wenn sie Zukunft haben will.
Die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche war für Sie ein bedeutendes Anliegen. Dementsprechend war Gott für Sie schon immer nicht nur Vater, sondern auch Mutter. Die Briefe an die frühen Christengemeinden richteten sich in Ihrer Lesart nicht ausschließlich an Brüder, sondern stets auch an Schwestern.
Zum Pflichtzölibat hatten Sie, seit ich Sie kenne, eine liberale Haltung.
Den Klerikalismus bezeichneten Sie zurecht als schlimme Sache, weil er einen inner circle schafft und die Eitelkeit fördert.
Bereits anlässlich Ihres 50. Priesterjubiläums äußerten Sie gegenüber der Frankfurter Rundschau: Es geht nicht ohne eine grundlegende Reform! Wie Recht Sie doch hatten, lange bevor dies die Mehrheit Ihrer Kollegen bemerkt hat. Gerade weil Sie die Kirche lieben, haben Sie immer wieder an ihr gelitten. Vielen haben Sie aus dem Herzen gesprochen, wenn Sie beklagt haben, dass die Kirche zwar Göttliches verkündet, es aber gleichzeitig durch ihr eigenes Handeln verdeckt.
In vielen Predigten und Schriften haben Sie die Bedeutung des Gebets hervorgehoben, denn ein auf Gott ausgerichtetes Leben könne kein langweiliges, kein inhaltsarmes Leben sein. Als ganz besonders erlebte ich Ihre Bußgottesdienste, in denen Sie im Rahmen der Gewissenserforschung die großen Fragen der Schuld, nämlich unser Verhältnis und unser Verhalten zu Gott und unsere Mitmenschen in den Focus gerückt haben.
Für Karl Rahner, den Sie sehr schätzen, hieß Glauben, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten. Gerade auch als Suchender waren und sind Sie mir ein Vorbild, das mich seit 40 Jahren immer wieder innehalten lässt.
Ich wünsche Ihnen, und dabei spreche ich zweifellos für alle Ihrer Weggefährtinnen- und Gefährten, noch viele fruchtbare Jahre seelsorgerisches Wirken, persönliches Glück und Gottes reichen Segen!
Christoph Schaaf, Dr. jur. Rechtsanwalt