Schmuckband Kreuzgang

Predigt zum Requiem von Pfarrer em. Kurt Sohns
/ Joh 20, 11-18 (von Diakon Oliver Schäfer)

Datum:
Mi. 27. März 2024
Von:
Oliver Schäfer

Liebe Paulaner, liebe Schwestern und Brüder im Altarraum und in den Bänken

 

Das Osterevangelium, das wir eben gehört haben, war Kurt Sohns sehr wichtig. Das weiß ich aus persönlichen Gesprächen, und viele von Euch haben seine Predigten darüber gehört. Im Mittelpunkt der Erzählung des Johannes steht Maria. Sie als Frau ist die erste Zeugin der Auferstehung Jesu. Das war Kurt Sohns wichtig. Die Rolle der Frau in der Kirche war ihm sehr wichtig. Er hat sich schon für die Weihe von Frauen zu Diakoninnen und Priesterinnen ausgesprochen, da war das Wort „Synodaler Weg“ noch nicht so populär wie heute. Jeder, der schon einmal in seinem Büro war, kennt das Hungertuch mit den biblischen Frauengestalten.

 

Der zentrale Punkt des Evangeliums aber ist ein anderes Thema. Es ist die Auferstehungserfahrung, die diese Maria macht. Sie ist verwirrt, weil das, was da geschehen ist und durch das leere Grab symbolisiert wird, einfach nicht in ihren Erfahrungshorizont passt: Das Grab ist leer. Und für sie ist so etwas wie Auferstehung noch so fern von dem, was sie aus ihrem Alltag kennt, dass sie nur spürt: Der geliebte Mensch ist fort. Ja, auch den Auferstandenen selbst kann sie in ihrer Trauer nicht erkennen. Aber wann erkennt sie ihn? Erst, als Jesus sie beim Namen nennt. Jesus fragt Maria, wen sie sucht. Erst, als sie beim Namen genannt wird, als sie merkt, dieser da meint mich, da geschieht die echte Begegnung zwischen ihnen. Schließlich kann sie gestärkt glaubend ihren Weg gehen, sie wird selbst zur Glaubensbotin. Sie hat selbst so etwas wie eine Auferstehung ihres Glaubens erlebt.

 

Kurt Sohns hat vielen Menschen aufgezeigt, dass sie von Gott beim Namen gerufen sind. Die Treppenstufen im Pfarrhaus sind abgewetzt von Menschen, die ihn aufgesucht haben und erfahren durften, dass sie von ihrem Pfarrer und von Gott angenommen sind, so wie sie sind. Vielen Menschen, die sich innerlich von einer formalistischen und klerikalen Kirche nicht mehr gesehen fühlten, die aber trotzdem, ähnlich wie Maria, Gott gesucht haben, haben durch ihn einen neuen Weg gefunden, Kirche zu sein. Das galt besonders für die Kleinen, die Benachteiligten und die durch die Gesellschaft und durch die Kirche Verwundeten. Mutig hat er sich auch für das Ansehen gleichgeschlechtlicher Beziehungen eingesetzt – lange bevor das Wort „queer“ erfunden wurde. Viele Menschen, die aus irgendeinem Grund ausgegrenzt wurden, haben in der Dunkelheit ihres Lebens selbst so etwas wie eine Auferstehung in ein neues Selbstbewusstsein hinein erlebt. Von nicht wenigen Menschen wurde er, vor allem im Internet, dafür angefeindet. Seinem Einsatz für die Schwachen hat das keinen Abbruch getan.

Triumphal war das Christentum, das er vertrat nie. In der Theologie von Johann Babtist Metz und der Philosophie und den Liedern von Huub Oisterhuis, die er immer wieder singen ließ, zeigte sich sein Glauben, der die Dunkelheiten und Todesnächte dieses Lebens zur Sprache brachte, ihnen aber ein Vertrauen entgegensetzte, das stark und Mut machend war.

 

Kehren wir zurück zum Evangelium:

Maria, so heißt es, steht weinend am Grab. Diese Trauer teilen wir heute. Ein Mensch, der uns wichtig war, ist gestorben und das erzeugt Traurigkeit, Trauer. „Warum weinst Du?“, so fragt Jesus Maria und auch uns. Natürlich weiß Jesus, warum Maria weint und er weiß auch, warum wir traurig sind. Wir dürfen dankbar sein: Kurt Sohns durfte 88 Jahre alt werden, durfte in seiner Kirche sterben, bis zum Schluss in seinem Dienst an den Menschen. Das darf uns froh und dankbar machen. Dennoch sind wir traurig, denn, er wurde uns genommen. Da machen wir die gleiche Erfahrung wie Maria.

Maria erhält in dieser Phase ihrer Trauer eine wichtige Botschaft: „Halte mich nicht fest“, sagt Jesus. Denn erst, wenn sie ihn dorthin gehen lässt, in das „Reich, das keine Grenzen kennt“, kann sie weitergehen und die Botschaft in seinem Sinn weitertragen und weiterleben.

Das, was wir von Pfarrer Kurt Sohns festhalten dürfen, über die persönlichen Erfahrungen hinaus, da sind sicher diese Botschaften: „Lest in der Bibel und macht euch ein eigenes Bild!“ „Vertraut in euch selbst und vertraut Gott.“ „Und kümmert euch um die, die euch brauchen“. Und vor allem: „Haltet Frieden.“

In seinen Predigten war er ein Freund von Zitaten. Deshalb lasst mich ein Zitat von Charles Dickens einfügen, das eher eine Frage ist: „Was ist besser, etwas Gutes gehabt zu haben und es zu verlieren – oder etwas Gutes nicht gehabt zu haben?“ Ich glaube, unsere Antwort ist klar, auch wenn dieser Verlust Trauer bedeutet.

 

Vor einigen Wochen bin ich ihm noch einmal begegnet. Der Mann in blauer Cordhose und Baumwollhemd kam mir in zur Seite gebeugter Haltung entgegen – und fragte mich zu meiner Meinung über den pastoralen Weg. Ich wusste damals nicht, dass ich mich zum letzten Mal mit ihm unterhielt. Aber ich spürte mal wieder: Dieser Mann ist vom Alter gebeugt, aber er hat sich niemals gegen seine Überzeugung verbiegen lassen und sich nicht unter Autoritäten gebeugt. Sein Leben war eher eine Verbeugung vor den Armen in seiner Stadt. In ihnen ist er Christus begegnet. Und jetzt begegnet er ihm im Reich des Friedens und der Gerechtigkeit.

Kurt Sohns hat seinen Glauben vor allem in seinem Leben für die Menschen bekannt. Das Glaubensbekenntnis, das er gerne sang, werden wir auch im Anschluss singen.

Und ich schließe meine Gedanken indem ich die Worte der 4. Strophe Pfarrer Kurt Sohns in den Mund legen möchte:

Ich glaube an Gemeinschaft, mit Gott als Fundament. Ich glaube an die Liebe, die einigt, was uns trennt. Wir werden auferstehen, wie Christus es getan; die Schuld wird uns vergeben. Ich glaube daran.“

 

(Predigt von Oliver Schäfer zum Requiem von Pfr. Kurt Sohns am 22.03.2024)