Junge Erwachsene aus dem Bistum Mainz auf den Spuren der deutsch-polnischen Geschichte und Gegenwart:DENKmal-Fahrt nach Polen

Junge Erwachsene aus dem Bistum Mainz auf den Spuren der deutsch-polnischen Geschichte und Gegenwart

Dies nur in Grundzügen ahnend machten sich die jungen Erwachsenen in den frühen Morgenstunden am 19. Oktober auf den Weg in Richtung Polen. Das erste Ziel der Reise war die Stadt Breslau, die mit der wechselhaften deutsch-polnischen Geschichte einen guten Einstieg in das Thema der Woche ermöglichte. Nicht zuletzt durch eine Stadtführung zu besonderen Orten der Stadt und einen abendlichen Vortrag eines polnischen Publizisten wurde bereits zu Beginn der Reise deutlich, dass es verschiedene Sichtweisen und Interpretationen von historischen Ereignissen gibt, die abhängig von Weltanschauung, Nationalität und Sprache je anders gedeutet und gewichtet werden können. Allein die Geschichte Schlesiens mit ihren verschiedenen nationalen Zugehörigkeiten im Laufe der Jahrhunderte hält dafür einige Beispiele parat und wird teilweise bis heute diskutiert.
Auschwitz - Ort der Fragen
Über die Person Edith Stein, die vor über 100 Jahren in Breslau aufwuchs, wurde am nächsten Tag eine ganz spezielle und persönliche Perspektive eingenommen. Durch den Besuch des Edith Stein-Hauses konnten sich die Teilnehmer/innen über die Biographie der jüdischen Philosophin informieren, die zum Christentum konvertierte und 1945 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Der kurze persönliche Einblick in ihr Leben und Wirken, ließ die Geschichte und das Schicksal vieler in der damaligen Zeit konkret werden. Durch ihre Biographie ist thematisch auch das angeklungen, was uns am Folgetag beschäftigen sollte - die Gräueltaten und massenhafte Vernichtung von Menschen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern von Auschwitz. Eine intensive, an mancher Stelle auch sehr ergreifende vierstündige Führung informierte über die Maschinerie der Vernichtung und das Leben der Häftlinge im Lager. Trotz der vielen Zahlen und den vielen persönlichen Schicksalen, von denen in der Führung berichtetet wurde, blieb die Dimension des Grauens und Leidens doch irgendwie unbegreiflich. Das anschließende Treffen mit Dr. Manfred Deselaers, Auslandsseelsorger der Dt. Bischofskonferenz und Mitarbeiter des Zentrums für Dialog und Gebet, versuchte die Erfahrungen aufzufangen und ins Wort zu bringen. Neben der Frage, wo Gott in Auschwitz gewesen war, kam auch hier die Frage nach der Perspektive mit der man auf geschichtliche Ereignisse und Orte schaut, wieder auf. Wie geht es uns als Deutschen in Auschwitz? Mit welchen Perspektiven besuchen andere Nationalitäten wie Israelis oder Polen diesen Ort? Die Erfahrung, dass die jungen Israelis den Ort heute mit einem durchaus stolzen Bewusstsein betreten, weil sie den Versuch der Vernichtung als Volk überlebt haben, sowie die Polen den Ort im Kontext ihres Kampfes um die nationale Existenz wahrnehmen, in dem einige aus der damaligen politischen Führungsschicht umgebracht wurden, sich aber auch viele christliche Glaubenszeugnisse (zum Beispiel durch Maximilian Kolbe) zugetragen haben, erweiterte die Perspektive auf Auschwitz. Es wurde deutlich, dass für alle Völker dieser Erde Auschwitz bis heute eine „Wunde" im Miteinander darstellt, die herausfordernd und über die nationale Perspektive hinaus persönlich anfragend ist: Wer, wie, wo wäre ich damals gewesen? Woran orientiere ich mich, woran glaube ich wirklich? Wer bin ich in meiner Verantwortung vor den Menschen und vor Gott?
Krakau - Gastgeber des nächsten WJT
Inhaltlich diesen Fragen noch nachhängend, ging es nach einem langen und intensiven Tag weiter ins etwa eine Autostunde entfernte Krakau, um dort am nächsten Tag mit dem Besuch in der ehemaligen Fabrik Oskar Schindler, der durch persönlichen Einsatz über tausend Juden vor der Vernichtung bewahrte, eine von vielen menschlichen Antworten auf die Gräuel des NS-Regimes kennenzulernen. Neben dem Schicksal der so genannten Schindler-Juden informierte das Museum sehr eindrücklich und medial in Szene gesetzt über die Geschehnisse in Krakau während der verschiedenen Besatzungen im 20. Jahrhundert. Schließlich war die deutsche Besatzung nicht die einzige, unter der die Polen zu leiden hatte. Nahtlos ging die Besatzung von den Deutschen auf die Russen über, die bis Fall des Kommunismus das Land regierten. In die Zeit russischer Besatzung fiel auch das Wirken Johannes Paul II - zunächst als Krakauer Bischof, ab 1978 als Papst. Und dieses Wirken findet bis heute in der polnischen Öffentlichkeit sein Echo. Egal ob auf dem berühmten Wawel, dem über der Weichsel gelegen Hügel mit der Krönungskirche und dem Schloss, auf dem mittelalterlichen Marktplatz mit den Tuchhallen und der berühmten Marienkirche oder im Krakau umgebenden Grüngürtel - überall kann Johannes Paul II einem in Form von Erinnerungs-Tafeln, Bildern oder Stauen begegnen. Diese Wertschätzung für den inzwischen sogar heiliggesprochenen Papst mag auf einige seltsam gewirkt haben, wurde aber durch die besondere spirituelle und politische Rolle des polnischen Papstes als Widerpart zum Kommunismus im Kennenlernen nachvollziehbar. Ein kurzer Besuch im Weltjugendtagsbüro, der unter anderem dazu genutzt wurde mit polnischen Voluntärinnen ins Gespräch zu kommen, und der Besuch des neu gebauten Zentrums Johannes Paul II in der Nähe von Krakau half die Bedeutung des Papstes für Polen zu verstehen. Außerdem wurde deutlich wie sehr die Polen sich auf das große Event im nächsten Jahr freuen und welche Ehre es für sie ist, Gastgeber zu sein.
Diese polnischen Gastgeberqualitäten durfte die Reisegruppe an verschiedenen Stellen der Fahrt immer wieder kennenlernen - bei Bigos, Pierogi, Zrazy oder auch bei einem Gläschen Wodka. So auch bei der letzten Station, die zum Ende der Fahrt inhaltlich ganz im Zeichen der gegenseitigen Verständigung und der Suche nach Wahrheit in politischen Systemen stand. Durch die Ausstellungen in Kreisau, wo während des Zweiten Weltkrieges eine Widerstandsgruppe trotz unterschiedlicher gesellschaftlicher Herkunft und Lebensweise, einen gemeinsamen Entwurf für ein neues politisches System und eine gesellschaftliche Ordnung in Deutschland nach Überwindung der NS-Diktatur erarbeiteten und nach dem Fall des Kommunismus die so genannte deutsch-polnische Versöhnungsmesse stattfand, wurden die Erlebnisse der Woche um weitere Perspektiven ergänzt und an verschiedenen Beispiel deutlich, dass es neben einem Ideal vor allen Dingen Mut braucht, um aktiv zu werden. Nur so kann Versöhnung gelingen. Die Teilnehmer/innen der DENKmal-Fahrt haben diesen Mut bewiesen und einen ersten Schritt in Richtung Versöhnung über Nationengrenzen hinweg und in Richtung Zukunft gemacht. Es wird ein Weg, der in Bezug auf das Zusammenleben von Menschen verschiedener Nationen und Kulturen immer wieder neue Fragen aufwerfen wird. Aber es wird zugleich ein Weg sein, der aus den Erfahrungen der Vergangenheit, sich der Gegenwart stellt, um dann die Zukunft positiv zu gestalten. Das Geschehene dabei nicht nur aus der eigenen sondern auch aus der Perspektive der anderen zu betrachten, scheint dabei unabdingbare Voraussetzung einer wirksamen Versöhnung und Gestaltung der Zukunft zu sein!

