Sexueller Missbrauch in der Kirche – Aufklärungsstudie wird veröffentlicht
Jedes Verbrechen erzeugt Opfer. Nicht nur diejenigen, an denen die Untat unmittelbar verübt wird, sondern auch die der Person nahestehende Menschen. In den Fällen des sexuellen Missbrauchs an Kindern, Jugendlichen und auch hilfebedürftigen Erwachsenen durch kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen die Taten, auch wenn sie manchmal schon lange her sind uns alle noch heute betroffen, wie beispielsweise dieser Vorfall:
Missbrauch im Zeltlager 1974
1974 veranstaltete die Pfarrgemeinde St. Josef ein Zeltlager. Die Lagerfreizeit wurde vom damaligen Hausener Kaplan Otmar Germeyer geleitet. Es ist erwiesen, dass Germeyer während dieser Lagerfreizeit einen Jungen sexuell missbrauchte und dies als medizinische Leibesuntersuchung tarnte. Das Opfer hat sich bereits 2010 an das Bistum Mainz gewandt. Der Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber, der aktuell eine unabhängige Studie zum Thema sexueller Missbrauchs und seiner Aufarbeitung im Bistum erstellt, hat den Übergriff Germeyers telefonisch bestätigt. Durch Vermittlung des damaligen Mainzer Generalvikars wechselte Germeyer in den Dienst des Erzbistums München - Freising und war dort als Kranken- und Altenheimpfarrer eingesetzt. Die Personalie Germeyer wird anonymisiert auch im Münchener Gutachten zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum München - Freising aufgeführt, dass im Januar 2022 veröffentlicht wurde. Germeyer lebte zuletzt in Österreich, wo er 2019 verstarb.
Der Pfarrgemeinde St. Josef ist sehr daran gelegen offen und transparent mit diesem Vorfall umzugehen.
Es macht mich als Pfarrer sehr betroffen und es ist beschämend, dass ein Kind Opfer eines solchen Übergriffs geworden ist. Kirchliche Zeltlagerfreizeiten sollen für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen eine schöne und prägende Zeit sein, an die sie gerne zurückdenken. Gemeinschaft, Vermittlung von positiven Werten, Spiel und Freude sind zentrale Werte. Für die Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern, sowie den Verantwortlichen hat das Kindeswohl oberste Priorität.
Als Pfarrer bitte ich das Opfer um Entschuldigung, dass er einem Erwachsenen ausgesetzt und nicht genug geschützt worden ist. Ich hoffe, dass bereits Wege gefunden wurden das Erlebte heilsam aufzuarbeiten.
Es sind Geschehnisse wie dieses, die seit 2019 durch Rechtsanwalt Weber aus Augsburg untersucht und in der Aufklärungs-Studie „Erfahren, Verstehen, Vorsorgen“ (EVV) gesammelt werden. Die Untersuchung befasst sich mit drei zentralen Fragestellungen, auf die Antworten gefunden werden sollen:
Die Ergebnisse der Untersuchungen werden am 03. März den Bistumsverantwortlichen und der Öffentlichkeit vorgestellt. Auch Bischof Peter Kohlgraf kennt bis dahin keine Details der Studie. Deshalb wird eine öffentliche Stellungnahme der Bistumsleitung erst in der Woche darauf erfolgen.
Es ist davon auszugehen, dass sich durch die Studie das Konzept zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und hilfebedürftigen Erwachsenen vor sexuellem Missbrauch noch einmal verändern wird. Seit 2011 unterliegen alle Mitarbeitenden im Bistum der Präventionsverordnung, die Maßnahmen und Meldewege zum Schutz der genannten Gruppen beschreibt.
So sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal ob haupt- oder ehrenamtlich durch die Präventionsordnung verpflichtet an Schulungen teilzunehmen, wenn sie mit den oben genannten Personengruppen in ihrer Tätigkeit in Kontakt kommen. Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter, die sich regelmäßig mit Kindern treffen oder gar mit ihnen übernachten, nehmen an einer eintägigen Intensivschulung teil, alle anderen besuchen eine Abendveranstaltung. Mitarbeitende, die mit Kindern, Jugendlichen oder hilfebedürftigen Erwachsenen intensiv zu tun haben, sind zudem verpflichtet ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen – alle drei Jahre neu. Alle Tätigen müssen zudem eine Selbstauskunft und einen Verhaltenskodex in der sogenannten Selbstverpflichtungserklärung unterzeichnen.
Zum Schutzkonzept gehören zudem die Präventionsbeauftragten, die es in allen pastoralen Einheiten geben soll. Diese pastoralen Mitarbeitenden (keine Priester) sind als erste Ansprechpartner vor Ort und sorgen sich im Auftrag des Verwaltungsrates um die Umsetzung der Präventionsverordnung.
Damit, wie in der Vergangenheit geschehen, keine Meldung am ‚Machtapparat‘ hängen bleibt, sind die Meldewege von der Bistumsleitung insofern abgekoppelt, als dass ein Vorfall bei unabhängigen Kontaktpersonen zu melden ist und innerhalb kürzester Zeit von einem Gremium die nötigen Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Schäden ergriffen werden. Dazu gehört auch die Meldung an die Staatsanwaltschaft.
Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser oder weitere Personen aus der Pfarrgemeinde Übergriffe durch einen Priester, einen Hauptamtlichen oder einer Ehrenamtlichen Personen erlitten haben, melden Sie sich bitte bei einer dieser Stellen:
Kontakte zur Meldung
Unabhängige Ansprechpersonen
Ute Leonhardt
0176 / 12 53 91 67
ute.leonhardt@missbrauch-melden-mainz.de
Postfach 1421, 55004 Mainz
Volker Braun
0176 / 12 53 90 21
volker.braun@missbrauch-melden-mainz.de
Postfach 1105, 55264 Nieder-Olm
Koordinationsstelle Intervention im
Bischöflichen Ordinariat:
Lena Funk, Anke Fery
06131 / 253 - 848
intervention@bistum-mainz.de
Postfach 1560, 55005 Mainz
Bevollmächtigte des Generalvikars im
Bischöflichen Ordinariat:
Stephanie Rieth
06131 / 253 - 113
generalvikar@bistum-mainz.de
Postfach 1560, 55005 Mainz
Sollten Sie telefonisch niemanden erreichen,
hinterlassen Sie bitte eine Nachricht auf dem
Anrufbeantworter oder schreiben Sie eine Mail.
Wir melden uns dann bei Ihnen zurück.
Kontakte zur Beratung
Hilfe-Portal sexueller Missbrauch
0800 / 22 55 530
Telefonzeiten:
Mo., Mi., Fr.: 9.00 bis 14.00 Uhr
Di., Do.: 15.00 bis 20.00 Uhr
Wer steht hinter dem Hilfe-Portal?
Das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch ist ein Angebot der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM).
Präventionsbeauftragter für die Pfarreien St. Lucia, St. Josef und St. Sebastian
ist Gemeindereferent Dirk Stoll.
Tel.: 06108/ 792349
Mobil: 0175/ 5150891
E-Mail: dirk.stoll@bistum-mainz.de
Infos zur Studie und ein Blatt mit Infos zum „Was passiert, wenn etwas passiert ist?“ liegen in unseren Kirchen aus und Sie finden sie hier: https://nc.bistum-mainz.de/index.php/s/59P2k6YeTrbr9td
Pfarrer Christoph Schneider und Gemeindereferent Dirk Stoll