Das Leben ist eine Berufung
Für uns Christen ist das Leben ein langer Prozess der Berufung. Das lateinische Verb „vocare“ kann dabei als rufen übersetzt werden. Gott ruft uns ständig! Die erste große Berufung (oder auch der erste große Ruf), den Gott an uns richtet, ist zum Leben!
Berufen zum Sein, zum Existieren und natürlich auch mit anderen zu sein. Mit der Konzeption des Lebens wird die Möglichkeit verwirklicht und die schöpferische sowie kreative Dynamik Gottes macht nunmehr einen weiteren Schritt in die Geschichte. Mit der Geburt bekommt das erzeugte Leben ein Gesicht, eine Identität (und daher auch einen Namen), weshalb es ebenso eine Persönlichkeit entwickeln wird. Und all dies wird im ersten Moment in einem engeren Kreis geschehen, in familiärer Umgebung mit jenen, die am nächsten stehen.
Der erste Schritt für die unzähligen Berufungen, die im Laufe des Lebens noch kommen werden, ist somit getan, denn schließlich sind Leben und Berufung Synonyme.
Die erweiterte Familie
Die Taufe ist eine jener Berufungen, welche die Handlung des Lebens beschreiben und, die uns dabei hilft, die individuelle Identität und Persönlichkeit zu formen. In der christlichen Tradition hat dieser Moment eine besondere Bedeutung, denn während dadurch die Beziehung zu Gott gestärkt wird, beginnt gleichzeitig auch das Leben in der erweiterten Familie: die Familie der Gläubigen, der Kirche.
Wenn wir durch den Glauben davon überzeugt sind, dass jeder Mensch ein Geschöpf ist, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde, dann akzeptieren wir durch die Taufe auch die Rolle der Söhne und Töchter anzunehmen. Dies geschieht, weil Jesus die Verbindung ist, die für den Zugang zu dieser neuen Identität sorgt und, wieso es auch nicht aussprechen: zu Lebensqualität. Er selbst sagt es: „Mein Vater und Euer Vater” (vgl. Jo 20, 17).
Gottes Vaterschaft und die Brüderlichkeit in Christus nehmen eine neue Beziehung zwischen den Menschen ein. Die Kirche ist die Gemeinschaft an Personen, die sich dessen bewusst ist. Die Identität des Sohnes und der Tochter zu übernehmen, bedeutet daher gleichzeitig auch die Identität eines Bruders und einer Schwester zu übernehmen, welche sich in erster Linie auf diejenigen erweitert, die den gleichen Glauben bekennen. Aus diesem Grund stellt die Taufe eine Eingangstür dar.
Eingangstür
Die Taufe ist eine Eingangstür zur Kirche, zum Leib Christi und zu Gottes Volk. Daher ist es das erste Sakrament zur christlichen Initiation (neben der Eucharistie und der Firmung). Die Person wird daher im Glauben der Kirche getauft; derselben Kirche, der sie auch angehören wird, samt der Rechte sowie Verpflichtungen, die zu dieser Entscheidung dazugehören.
Wenn der Täufling erwachsen ist, dann wird die Entscheidung eigenständig getroffen und durch die gläubige Gemeinde unterstützt, wobei diese Beziehung sofort durch den Paten und/ oder der Patin sichtbar wird. Wenn es sich hingegen um ein Kind handelt, so nehmen die Eltern die fundamentale Rolle ein, da sie die Hauptverantwortlichen für die Erziehung, das Wohlergehen und die Glückseligkeit des Kindes sind und somit beabsichtigen, dass es Teil derselben, erweiterten Familie wird, wie sie es auch selbst bereits tun. Sie sind daher nicht nur die Hauptverantwortlichen, sondern auch die Hauptinteressierten daran, dass ihr Kind mit den gleichen Werten, dem gleichen Lebensstil und den gleichen fundamentalen Entscheidungen aufwächst, wie auch sie es schon taten.
Gegenseitige Erwartungen
Heutzutage (und zufälligerweise schon seit jeher) ist es wichtig, über die gegenseitigen Erwartungen zu sprechen. Uns ist bewusst, dass die Taufe in vielen Fällen eher wie ein Fest oder eine Tradition angesehen wird. Und das ist auch gut so solange es bedeutet, die wesentlichen Werte werden konstant weitervermittelt. Aber das allein reicht nicht aus. In erster Linie ist die Taufe eine Handlung der Kirche, weshalb während der Feier zunächst gefragt wird: „Was erbittest du der Kirche?“. Mit der Handlung der Kirche ist es daher einerseits wesentlich, dass die zu empfangende Gemeinde ihr Interesse und Engagement zeigt. Andererseits ist es ebenso wichtig, dass die Taufbewerber*innen, wenn es Erwachsene sind sowie die Eltern, wenn es Kinder sind, dieses Bewusstsein entwickeln.
Die Erwartungen der Kirche sowie die der Gemeinde an Gläubigern besteht darin, dass die Taufe der erste Schritt in das christliche Leben darstellt, welches vollkommen ausgelebt wird und durch eine schrittweise Annäherung an Christus durch die Kirche gekennzeichnet ist.