Allein die äußere Größenrelation zwischen Kirchenraum und Orgel ist schon auffallend. Die Reaktion vieler auswärtiger Kirchenbesucher zeigt immer wieder ungläubiges Erstaunen, dass eine so berühmte Kirche nur über ein solch kleines, unbedeutendes Instrument verfügt.
Der Grund, dass wir heute noch auf dieses vor mehr als 40 Jahren als Provisorium angeschaffte Instrument angewiesen sind, ist die Zerstörung der Kirche im 2. Weltkrieg, der die damalige große Orgel zum Opfer fiel. Die Anschaffung einer neuen Orgel fällt also auch noch in die Kategorie „Beseitigung von Kriegsschäden".
Das Spielen von Orgelliteratur und die Improvisationsmöglichkeiten sind auf dem vorhandenen Instrument mit seinen elf Registern vielfaltigen Einschränkungen unterworfen. Für Orgelmusik der Romantik, französische Orgelmusik und moderne Orgelwerke, die heute regelmäßiger Bestandteil der meisten Orgelkonzerte von Rang geworden sind, ist das Instrument von seiner Disposition und der Technik her völlig ungeeignet.
Klangliche Abstufungsmöglichkeiten sind bei diesem Registerumfang kaum zu erzielen. Raumeffekte, die gerade bei der Akustik der St. Stephanskirche sehr reizvoll eingesetzt werden könnten, sind nicht darstellbar. Es fehlt der derzeitigen Orgel alleine schon wegen ihrer Größe, aber auch wegen der Qualität der Register an Glanz und Mächtigkeit, den Raum einer gotischen Kirche von der Größe unseres Gotteshauses wirklich zu füllen. Dies sind Merkmale, die sich nicht nur im Konzert, sondern überwiegend auch bei der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste bemerkbar machen.
Nach der Aussage des II. Vatikanischen Konzils, das der Kirchenmusik eine eigenständige liturgische Funktion zugewiesen hat, ist es die Aufgabe der Orgel, „den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben." Damit werden nicht nur Anforderungen an das Können des Spielers, sondern auch an die Qualität des Instruments gestellt.
In der heutigen Zeit müssen vielfältige Zugänge zu religiösen und Glaubensfragen und damit auch zur Kirche angeboten werden. Die Bilder in den Fenstern von Marc Chagall in unserer Kirche sind Tag für Tag ein solcher Zugang. Doch ebenso gibt es auch viele Menschen, die über die Geistliche Musik diesen Zugang finden. Mit einem adäquaten Instrument und entsprechenden Interpreten gelingt es, durch Orgelmusik auch und gerade jungen Menschen einen Weg in die Kirche anzubieten. Das zeigen mannigfaltige Beispiele hier in Mainz und anderswo.