Computerprogramme beenden, Computer runterfahren, Tonanlage ausschalten und alles abschließen. Heute hat Andreas Artiaga Hahn die Sonntagsmesse von St. Bartholomäus im Netz übertragen und kann den weiteren Sonntag mit seiner Familie verbringen. Er und drei weitere Gemeindemitglieder gestalten ehrenamtlich das Projekt „Livestream“ in St. Bartholomäus. Im Klartext: Sie übertragen die Sonntagsmesse um 11 Uhr auf dem YouTube-Kanal „Pfarrgruppe Oppenheim“ im Netz. Teilnehmen kann jeder Besitzer eines internetfähigen Gerätes (Smart-TV, Computer, Tablet oder Handy).
Entstanden ist das Projekt im strengen Corona – Lockdown im Frühjahr 2020. Auch Gemeindegottesdienste waren „verboten“ und die Kirchen abgeschlossen. Doch Pfarrer Johannes Kleene hatte den dringenden Wunsch, treuen Gottesdienstbesuchern wenigstens digital die Teilnahme an der Eucharistiefeier in St. Bartholomäus zu ermöglichen. Bis heute ist er beeindruckt, dass er dazu vier Männer aus der Gemeinde gewinnen konnte, die sich eigenständig um die Technik und die Übertragung kümmern. Inzwischen können im Sommer auch Gottesdienste aus dem Pfarrgarten übertragen werden. Im strengen Lockdown waren es ungefähr 50 Zuschauer live. Inzwischen hat es sich bei 15 bis 30 live Mitfeiernden eingependelt. Mit denen, die den Gottesdienst oder Teile davon erst am Abend oder an folgenden Tagen anschauen, sind es 100 bis 150 Aufrufe.
Was anfänglich eine Notlösung war, hat sich inzwischen zu einem neuen seelsorglichen Format in St. Bartholomäus entwickelt. So verstehen es auch die Teamer von „Livestream“. Bernhard Fuchs sieht es als Hilfsmittel, wenn Kirchengemeinden künftig nicht allein räumlich verstanden werden. Er wünscht sich dringend weitere Mitstreiter im Team. Markus Huf versteht das Angebot besonders für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Kirche kommen können. Er berichtet von Menschen, die sich vom Videostreaming ermuntern ließen, wieder mal persönlich mitzufeiern. Dr. Hans Eckert ist es wichtig, mit dem Videostreaming die Schockstarre und Vereinzelung im Lockdown zu durchbrechen. Aber er sieht darin auch eine Möglichkeit künftiger Glaubensverkündigung. Andreas Artiaga Hahn hält das Livestreaming auch jetzt für sinnvoll, wo die strengen Hygienevorschriften weggefallen sind. Er hat viel Spaß an der Aufgabe und nutzt die Übertragung auch selbst gern mit seiner Familie.
Freilich, das Projekt Livestream wäre ohne Pfarrer Johannes Kleene gar nicht entstanden. Im Frühjahr 2020 waren sogar Gemeindegottesdienste „verboten“. Schon bald hat er mit den gewählten Räten überlegt, wie St. Bartholomäus dennoch mit den Menschen Kontakt halten, Glauben verkündigen und miteinander Gottesdienst feiern könnte. Bei anderen Seelsorgern stieß er dabei auf Skepsis und Bedenken, das solle man lieber dem ZDF überlassen als amateurhafte Qualität zu liefern. Immerhin bot die Journalistenschule der Bischofskonferenz damals dazu Onlineschulungen an. Pfarrer Kleene blieb bei seinem Vorhaben, organisierte Spendengelder und gewann den Verwaltungsrat dafür.
Bescheidener Anfang war die Übertragung von Gottesdiensten über Telefonkonferenz; nach Wochen der Distanz waren wieder vertraute Stimmen zu hören. Am Palmsonntag 2020 wurde dann recht einfach per Laptop und lose verlegten Ethernet Kabeln aus der leeren Oppenheimer St. Bartholomäuskirche der erste Gottesdienst im Netz übertragen. Die Rückmeldungen gaben Pfarrer Kleene recht und bestätigten: „Es hat einen Wert in sich, vertraute Orte und Gesichter zu sehen und bekannte Stimmen zu hören“. Und der konkrete Nutzen für manche Familien: „Wir konnten Großeltern und Familien trösten, denen so über Internet eine Mitfeier von Erstkommunion, Firmung und Trauung möglich war“. Ab Mai 2020 wurde eine Kamera fest installiert, deren Bewegung über eine Fernbedienung gesteuert wird und die Tonanlage wurde professionalisiert. Fast nebenbei weist der Pfarrer auf die Kosten dieser Ausrüstung hin. Auch er wünscht sich Verstärkung für das „Livestream“ – Team. Pfarrer Kleene will mit Gottes Hilfe das Projekt weiterführen und jetzt nach dem Lockdown an die Gegebenheiten anpassen. „Schauen wir mal, wie sich die digitale Gemeinde weiterentwickelt“.
Hermann Josef Zorn