St. Kilian Nierstein

Zur Geschichte der Pfarrkirche St. Kilian

Kilianskirche

Schon zur Römerzeit, vielleicht auch sogar schon bei den Germanen, war der Kiliansberg eine Kultstätte. 742 wird in einer Schenkungsurkunde des Karlmann eine Marienbasilika genannt. Das heutige Patrozinium des Hl. Kilian geht auf die Schenkung an das neu errichtete Bistum Würzburg und dessen erstem Bischof Burkard zurück. Nach den vorliegenden Zeugnissen wurde die Kirche dreimal neu- bzw. wiederaufgebaut, bevor sie am 23. Mai 1767 aufgrund eines Blitzeinschlags ein Raub der Flammen wurde. Die feierliche Konsekration der neuen Kirche war an Pfingsten 1776, also am 26. Mai, fast genau neun Jahre nach dem großen Brand. Damals schon hatte die Bergkirche ihre heutige Gestalt bis auf die Sakristei und die Taufkapelle, die 1902 bzw. 1963 angebaut wurden.

Heute bietet sich dem Besucher eine einschiffige Kirche mit schlichtem barocken Langhaus, einer angebauten Taufkapelle (die heutige Marienkapelle), die sich gut zwischen Kirche und Eingangsbereich einfügt, und einem wuchtigen Chorturm, dessen Untergeschosse wohl noch aus der Karolingerzeit stammen. Der Zwiebelturm und die Laterne stammen dagegen aus dem Jahr 1776. Den Turm der Kirche schmückt eine ausgeprägte so genannte "Welsche Haube", also eine mehrfach geschweifte, oben in einer Laterne endende Dachform, die typisch für den Barock ist.

Das Innere der heutigen Kirche ist vor allem durch drei große Renovationen gestaltet worden.Die eine Renovation, die Pfarrer Wolfgang Müller (Pfarrer in Nierstein 1949-1974) durchführen ließ, fand im Wesentlichen in den Jahren 1959 bis 1966 statt. Es würde den Rahmen dieses kurzen Abrisses sprengen, alles aufzuzählen, was Pfr. Müller mit seiner Gemeinde geleistet hat. Als besondere Baumaßnahme wurden die Ministrantensakristei sowie eine Taufkapelle mit Atrium angebaut.

1979/1980 leitete Pfarrer Edmund Heiser (Pfarrer in Nierstein 1975-1985) die zweite große Renovation, bei der die Altäre restauriert und die Bergkirche im Innern neu angelegt wurde. Ebenfalls wurde der neue Zelebrationsaltar, als Anregung aus dem II. vatikanischen Konzil, aufgebaut.

Nach dem Abriss des Atriums im Jahr 2001 (aus statischen Gründen), schloss sich unter der Leitung von Pfarrer Johannes Gans (1992 - 2005) eine weitere Renovierungsmaßnahme des Kircheninnern an. Neben der Neugestaltung der Wände wurde als Abschluss im hinteren Bereich ein schmiedeeisernes Gitter eingebaut. Hiermit ist eine "offene Kirche" tagsüber gegeben.

Übrigens waren damals die Niersteiner Katholiken zu Gast in der Ev. Martinskirche. Dieses freundliche Angebot von evangelischer Seite hat schon eine lange Tradition. Bereits in den Jahren 1767 bis 1769, 1782 bis 1784, im Sommer 1845, als der Dachstuhl der St. Kilianskirche abgebrannt war, und 1979/1980 konnten die Katholiken die Martinskirche mitbenutzen. 

 

Das Kircheninnere 

 

Beim Blick in das Chor fällt sofort der Hochaltar auf. Der Bildhauer Georg Busch aus Groß-Steinheim schuf ihn im neugotischen Stil. Die Predella zeigt links das letzte Abendmahl, rechts wird das Hochzeitsmahl zu Kanaa dargestellt. Zu beiden Seiten des Tabernakels finden wir Nischen, die die Büsten heiliger Kirchenväter beherbergen. Es sind dies Augustinus, Gregor, Chrysostomus, Cyrill, Hieronymus und Ambrosius (v.l.n.r.). Das Kreuz über dem Tabernakel wurde 1826 zusammen mit sechs Leuchtern gestiftet. Der Unterbau des Altares aus weißem französischem Kalkstein zeigt Reliefdarstellungen aus dem alten Testament, Vorbilder für das Opfer des Neuen Bundes. Rechts ist Abraham (Gen 22, 1-18), wie er seinen Sohn Isaak opfert, dargestellt, in der Mitte sehen wir Moses mit der ehernen Schlange in der Wüste (Num. 21, 4-9) und links das Opfer des Hohenpriesters Melchisedek (Gen. 14, 17-20).

Als Besucher der Kirche ahnt man wohl kaum, dass sich unter dem Hochaltar noch eine kleine Krypta befindet, die erst in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts wieder entdeckt wurde. In dem niedrigen, nur etwa 25 Quadratmeter großen Raum ist die Verrohrung der Kirchenheizung untergebracht. Hier haben wir es wohl mit der ältesten christlichen Kultstätte auf dem Kiliansberg zu tun.

Neben der Wandkanzel, die nicht mehr benutzt wird bzw. dem Missionskreuz, finden wir insgesamt sechs Heiligenfiguren. Links sind die Darstellungen des hl. Rochus und des hl. Antonius sowie des hl. Sebastian angebracht; rechts finden wir den hl. Georg und den Kirchenpatron, den hl. Kilian. Auf der Kanzel sehen wir Christus als den guten Hirten.

Der Zelebrationsaltar aus Natursandstein im vorderen Teil des Chores wurde 1979 aufgemauert. Die beiden Seitenaltäre sind dem hl. Kilian (links) und der Gottesmutter Maria (rechts), triumphierend über die teuflische Schlange und den Welterlöser in den Armen, geweiht. Neben diesen Heiligenfiguren in der Mitte der jeweiligen Altäre sehen wir die Gefährten des hl. Kilian, den Priester Kolonat und den Diakon Totnan beziehungsweise die Eltern der Gottesmutter, den hl. Joachim und die hl. Anna (mit der Gottesmutter im Kindesalter). Diese vier Nebenfiguren haben seit 1980 ihren Platz hier gefunden; dagegen wurden der Hochaltar und die beiden Seitenaltäre schon 1902 aufgestellt.

Die 14 Stationen des Kreuzweges sind seit 1904 angebracht.

Die Fenster der Kirche wurden von dem Mainzer Kirchenmaler Alois Plum entworfen und wurden im Sommer 1961 eingesetzt. Es handelt sich bei den gewählten Motiven um Symboldarstellungen. Die beiden Fenster der Orgelempore weisen Ornamente auf, während in den nächsten beiden Fenstern vor der Empore (der Betrachter ist im Folgenden immer dem Chorraum zugekehrt) Vorbilder der eucharistischen Opfergaben im Alten Testament dargestellt sind. So sehen wir rechts das Manna in der Wüste (Ex 16, 1-35), links das von Mose aus dem Felsen geschlagene Wasser (Ex 17, 1-7). Die beiden nächsten Fenster rechts und links neben dem Missionskreuz zeigen die Opfergaben der Eucharistie, Brot und Wein. Diesen Fenstern gegenüber finden wir links und rechts der Kanzel das Marien- und Kreuzigungsfenster. Maria ist hier durch das Symbol der Rose versinnbildlicht. Der dornengekrönte Christus steht im Mittelpunkt des anderen Fensters, umschlossen von fünf weinroten Farbflächen, die die fünf Wunden Christi anzeigen. Die beiden Fenster im Chorraum bringen uns die Auferstehung Christi sowie die Offenbarung des Johannes näher. Links sind noch einmal die fünf Wunden Christi dargestellt, jedoch erfasst von einer nach oben immer heller werdenden Lichtführung und aufstrebenden Linien, die das Passionsmotiv relativieren. Das rechte Fenster zeigt die Verherrlichung des Lammes, Gegenstand der Apokalypse.

1894 wurde die Orgel von Balthasar Schlimbach aus Würzburg als mechanische Kegellade mit fliegenden Wellen erbaut. Sie besitzt 17 Register und 2 Manualen und Pedal, sowie eine Transmission und wurde 1934 mit einem neubarocken Prospekt versehen.

Die Eingangstüre wurde 1960 angebracht. Die Flügel zeigen den Gang der Frauen am Ostermorgen zum leeren Grab, die Innenseite Christus als den Pantokrator (Darstellung des thronenden und herrschenden Christus).

Im Rahmen des 40-Jährigen Jubiläums der Kolpingsfamilie im Jahr 2006 wurde ein Portraitkopf in Bronze, auf einer Stele stehend, von Adolph Kolping in der rechten Chornische ausgestellt. Die künstlerische Gestaltung wurde von dem Mainzer Bildhauer Karlheinz Oswald vorgenommen. 

 

Text von Stefan Reis (Februar 1987); überarbeitet von Hermann Reis (September 2006)