Die Schlosskapelle St. Ludwig in Braunshardt

Das Schloss in Braunshardt wurde in den Jahren 1760 bis 1763 von Prinz Georg Wilhelm, dem zweiten Sohn von Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt als ein Lustschlösschen gebaut. Im Jahr 1926 ging es in das Eigentum des Caritasverbandes der Diözese Mainz über.

Im Zuge eines größeren Um- und Ausbaus des Schlosses und seiner Nebengebäude entstand 1929 die St. Ludwigs-Kapelle mit Kirchturm, die im selben Jahr von Bischof Dr. Ludwig Maria Hugo eingeweiht wurde.

In dieser Zeit bewirtschafteten 60 Benediktinerinnen der ewigen Anbetung das Anwesen. Der Besitz ging später zu den Englischen Fräulein, danach im Jahr 1936 bis heute zum Johannesbund über. Genutzt wurden die Räumlichkeiten als Exerzitienhaus mit bis zu 40 Einzelzimmern.

Heute ist ein Flügel des Schlosses die Heimat des Altenheims St. Ludwig. Ein Teil des Schlosses ist im Besitz der Gemeinde Weiterstadt und als solches Ort für kulturelle Veranstaltungen und standesamtliche Trauungen. Ein weiterer Teil des Schlosses wird von der Kirchengemeinde genutzt als Gruppenräume für kirchliche Veranstaltungen und für einen offenen Jugendtreff der Gemeinde Weiterstadt. Im Obergeschoß gibt es außerdem ein paar Wohnungen, die vermietet werden.

Ein paar Eindrücke zu unserer Schlosskapelle

Die Glocken von St. Ludwig

Glockenweihe St. Ludwig Braunshardt (c) Kirchengemeinde Weiterstadt

Die drei neuen Glocken wurden am 07.05.1959 durch Bischof Dr. Albert Stohr in Braunshardt geweiht.

Die Orgel von St. Ludwig

Aktuell noch eine Baustelle.

Bilder von der Schlosskapelle St. Ludwig

4 Bilder

Das Braunshardter Schloss und die Kapelle St. Ludwig von 1926 - 1936

1926 - Die Zeit der Weimarer Republik. Der Reichskanzler ist Wilhelm Marx.Die Hyperinflation liegt drei Jahre zurück, die damals eingeführte Rentenmark wurde 1924 durch die Reichsmark abgelöst. Gut 63 Millionen Menschen 1) leben in Deutschland, davon sind 2,3 Millionen Menschen arbeitslos 2). Die Arbeitslosigkeit steigt 1926 auf 10% 3).

Dr. Ludwig Maria Hugo ist Bischof von Mainz.  Ein besonderes Anliegen von Bischof Hugo war die Förderung und Pflege religiösen Lebens und der Ausbau des Caritas-Verbandes im Bistum Mainz. 4)

Der Caritas-Verband  unter  der Leitung von Aloys Strempel, dem ersten hauptamtlichen Caritasdirektor des Diözesancaritasverbandes Mainz, wollte für Mädchen, die in dieser schwierigen Zeit den Halt verloren haben, ein Heim gründen, in dem sie sich wohl fühlen können und beruflich ausgebildet werden. Die Ausbildung sollte in Gartenbau und allen Bereichen der Hauswirtschaft erfolgen, so dass die Mädchen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können und eine  Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten. 5)6)

 Für 200.000 Reichsmark (heute ca. 55 600 Euro 7)) kaufte der Caritasverband 1926 das Schloss Braunshardt samt Anwesen von seinem damaligen Besitzer Professor Dr. Eduard von Bamberg 8)9). Braunshardt war zu der Zeit ein 510 Seelendorf 10), darunter neun Katholiken 11). Es gehörte seit 1922 als Pfarrkuratie zur Pfarrei St. Ludwig in Darmstadt, zu der auch Schneppenhausen und Weiterstadt gehörten.12)

 Um das Schloss, den heutigen Nordflügel, in ein Fürsorgeheim für 130 Mädchen und deren Betreuerinnen aus- und umzubauen sowie einzurichten, wurden weitere 200.000 Reichsmark veranschlagt. Zu den Einrichtungen zählte auch eine Wäscherei und eine  Gärtnerei zur Bearbeitung des 30 Morgen großen Schlossgartens (30 Hessische Morgen entsprechen ca. 75.000 m2 13)), in dem Gemüse und Obst angebaut werden sollten.  „Leider wissen wir heute noch nicht, wie wir diese 200.000 RM aufbringen können.“ wird in der Caritas-Chronik der Tätigkeitsbericht des Caritasverbandes 1925-27 zitiert, aber „die Anstalt ist notwendig.“ 6)

Das Schloss wurde erweitert, und dazu mussten alte Anbauten abgerissen werden. Damit beauftragt wurde der Architekt Paul Meissner, der damals an der Technischen Hochschule in Darmstadt Architektur lehrte und Denkmalpfleger für die Provinz Rheinhessen war. Das einstige Gartenschlösschen wurde von ihm zu einer „Vierflügelanlage mit mittlerer Kirche mit dominatem Turm im barocken Stil erweitert.“ 14)  Die ursprüngliche Gestalt des Schlosses blieb erhalten, der neue Teil zur Dorfseite hin angebaut, wobei sich der Neubau äußerlich nicht vom ehemaligen Schloss unterscheidet. In seiner „Chronik der  Gemeinde Weiterstadt“ 9) beschreibt Dr. Günther Hoch das neue Gebäude: „Die Nebengebäude wurden jedoch auf die gleiche Höhe und Gestalt geführt und mit dem Schloß verbunden. Auch nach Wesen wurde die Anlage im Jahre 1927 um das Dreifache der ursprünglichen Größe erweitert.“ In einem Brief an seine Schwester im Dezember 1927 schreibt Paul Meissner, dass die Einweihung für April 1928 geplant sei und er ein paar Fotos des Rohbaus beilege.15)

Im Feuerversicherungsbuch der Gemeinde Braunshardt 8) wurden 1927 für die Schloßgartenstr. 9 die Einträge verändert. Als Eigentümer wurde der Caritasverand für die Diözese Mainz eingetragen, in der Rubrik zum Gebäude, seiner Bezeichnung nach Bestimmung und Benutzung steht: „Wohnhaus, 1 ½ Stock (das Schloß)-  jetzt: Wohnhaus, 1 St. mit Holl. Dach. Unter  a) Nebenbau mit Küche, Remise u. Pferdestall, öftl. – jetzt: Flügelbau, 1 St. m. Holl. Dachstuhl, und unter b): 1921 Schuppen – jetzt: Kirchengebäude.“ Die baulichen Veränderungen haben stattgefunden, seit 1928 bestanden Feuerversicherungen.

Am 12. Januar 1929 wurde das neue Kirchengebäude im erweiterten Braunshardter Schloss von Bischof Dr. Ludwig Maria Hugo zu Ehren des Hl. Ludwig (Ludwig IX., König  von Frankreich) geweiht.  5)6)9)  Das Caritasheim erhielt ebenfalls den Namen „St. Ludwig“, zu Ehren des Bischofs.6)

Im Herbst desselben Jahres, am 1. November 1929, wurden Braunshardt, Schneppenhausen und Weiterstadt von der bisherigen Pfarrei St. Ludwig in Darmstadt der Kuratie St. Fidelis, ebenfalls in Darmstadt zugeteilt.12)

 

In einer Broschüre „Schloss Braunshardt“ 17), herausgegeben vom Exerzitiensekretariat der Diözese Mainz, werden unter anderem das Innere des neuen Heims und die Kapelle folgendermaßen beschrieben: „Ein großes Kreuz befindet sich über dem Tabernakel. Es gibt zwei einfache Seitenaltäre, einen zu Ehren der Mutter Gottes und einen für den Hl. Josef.  Die Kapell hat 250 Sitzplätze und 100 Stehplätze.“ 18) Erwähnt wird in der Broschüre17)  auch ein Fugelscher Kreuzweg.

Gebhard Fugel  (1863 -1939) 19) war ein Maler, der sich schon während seiner Studienzeiten auf christliche Motive spezialisierte. Sein Malstil war von der Historienmalerei und den Nazarenern beeinflusst. Er lebte seit 1890 im München und gründete dort die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst, die es auch heute noch gibt. Auf eine Anfrage (2021) bei der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, ob es möglich sei, dass ein Kreuzweg von Gebhard Fugel – eventuell als Kopie – in der Schlosskapelle in Braunshardt hängen könne, antwortete Dr. Gebhard Streicher 20)21). Er ist Kunsthistoriker und betreut den künstlerischen Nachlass seines Großvaters Gebhard Fugel. Auf der Basis von drei Aufnahmen der Kreuzwegstationen, die er erhielt, gelangte Dr. Streicher zur Ansicht, dass es „nicht uninteressante Kompositionen [seien]. Wer der Autor gewesen sein könnte, dazu bin ich leider überfragt. Mir kamen auch keine Assoziationen. Die Bilder sind aus meiner Sicht eine Besonderheit vielleicht der 30er Jahre, aber definitiv keine Fugels.“ 22)

Die Orgel in St. Ludwig hat Denkmalcharakter. 1929 wurde das Instrument von der Firma Johann Klais aus Bonn erbaut. 23)24)  Der Orgelsachverständige des Bistums Mainz, Dr. Achim Seip, kommt im August 1999 zu der Einschätzung: „Das Instrument ist nahezu vollständig original erhalten und besitzt aufgrund seines Alters und seiner geschlossenen Substanz Denkmalcharakter.“  25)

Viele Fragen zur Kapelle bleiben offen. Oft lautet die Antwort auf eine Anfrage: Im 2. Weltkrieg sind alle Unterlagen verbrannt.

Noch 1926 begann der Caritas-Verband damit, Schwestern zu suchen, die sich um die Erziehung von Mädchen bemühen. Eine Anfrage (2021)bei den Schwestern vom Guten Hirten,  das im Schloss Braunshardt zu gründende „Heim für gefährdete und gefallene Mädchen“ zu übernehmen, führte zu keinem Ergebnis. Das Apostolat kam nach Aussagen des Ordens nicht zustande. 26)

In ihrem Jahrbuch von 1851-1951 finden die Schwestern von der Göttlichen Vorsehung einen Eintrag, demzufolg sie sich zwischen 1928 und 1930 um die Erziehung und Anleitung der Fürsorgekinder im Braunshardter Schloss kümmerten.27)

Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament waren seit dem Umbau in Braunshardt tätig  5)9)16).  Im Handbuch der Diözese Mainz von 193111) ist zu Braunshardt „Kloster der Benediktinerinnen von der Ewigen Anbetung (60 Schwestern)“  vermerkt. Sie betreuten die Mädchen und bewirtschafteten mit ihnen Grund und Boden des Anwesens. Sie verwandelten den einst englischen Park in einen Gemüsegarten.

Aber auch die Benediktinerinnen waren nicht lange in Braushardt. Am 27. Juni 1932 unterzeichneten die Generaloberin der Englischen Fräulein, Mutter Paula Rang, und der Caritasdirektor Aloys Strempel den Vertrag, dass das Mutterhaus der Englischen Fräulein, Mainz, mindstens acht Schwestern für das Caritasheim „St. Ludwig“ zur Verfügung stellt. 28) – Die Englischen Fräulein 29), nach ihrer Gründerin Mary Ward auch Maria-Ward-Schwestern genannt, sind die Mitglieder der Congregation Jesu, einem 1609 gegründeten Frauenorden. Sein Schwerpunkt ist die Mädchenbildung. - Laut Vertrag mit dem Caritasverband sollen die Englischen Fräulein höchstens 80 , vom Freiwilligen Arbeitsdienst überwiesene Mädchen erziehen und betreuen. In einer Tätigkeitsbeschreibung 30) heißt es: „Leitung des freiwilligen Arbeitsdienstlagers für die kath. weibliche Jugend, (120-150 Mädchen)“. -  Die Arbeitslosigkeit war seinerzeit auch unter den jungen Menschen sehr groß. Die Reichsanstalt für Arbeit führte daher 1931 den Freiwilligen Arbeitsdienst 31) ein, ein Beschäftigungsprogramm für junge Menschen ohne Arbeit. – Aus der Tätigkeitsbeschreibung  geht weiter hervor, dass dieses Arbeitslager, das die Englischen Fräulein im Caritasheim leiteten, von der NSDAP-Regierung im April 1933 aufgelöst wurde. Die Schwestern boten dann Umschulungskurse in Haus- und Landwirtschaft für Mädchen an, die bereits eine Ausbildung hatten und nach einer Berufstätigkeit arbeitslos geworden waren. Ein Jahr später, 1934, wurde das Caritasheim zum Exerzitienhaus für alle Stände für die Diözese Mainz. Die Englischen Fräulein gaben ihre Niederlassung im Schloss Braunshardt Ende Februar 1936 auf, da der Caritasverband das Haus an den Johannesbund Leutesdorf verkaufte. Eine Ordensgemeinschaft des Johannesbundes sind die Johannesschwestern von Maria Königin, die ihre Arbeit im Schloss Braunshardt in den Dienst von Exerzitien stellten.

Dr. Heike Schrod

 

1)

de.statista.com/statistik/daten/studie/1084743/umfrage/einwohner-der-weimarer-republik-in-den-jahren/

2)

de.statista.com/statistik/daten/studie/277373/umfrage/historische-arbeitslosenzahl-in-der-weimarer-republik/

3)

www.gewerkschaftsgeschichte.de/nach-waehrungsreform-1923-lohne-steigen-langsam.html#:~:text=Arbeitslosigkeit%20bleibt%20hoch,-Die%20Stabilisierung%20des&text=Schon%201923%20steigt%20die%20Zahl,10%20Prozent%20im%20Jahr%201926.

4)

regionalgeschichte.net/bibliothek/biographien/hugo-ludwig-maria.html; Verfasser: Werner Marzi

Quelle: 2000 Jahre Mainz - Geschichte der Stadt digital

5)

100 Jahre Caritasverband für die Diözese Mainz, 1927-2017; Hrsg. Caritasverband der Diözese Mainz e.V., S. 17.

6)

100 Jahre Caritasverband für die Diözese Mainz, 1927-2017; Hrsg. Caritasverband der Diözese Mainz e.V., S. 67.

7)

dm-euro-rechner.de/die-reichsmark/

8)

Feuerversicherungsbuch der Gemeinde Braunshardt (Signatur: StadtA Wei B.01 Nr. 631):

9. Schloßgartenstraße, S. 262.

9)

Dr. Günther Hoch, Chronik der  Gemeinde Weiterstadt und ihrer Ortsteile, Hrsg. Gemeindevorstand Weiterstadt, Druck- und Verlags-Gesellschaft mbH, Darmstadt 1988, S. 212-213.

10)

lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/13587

11)

Handbuch der Diözese Mainz von 1931, S. 290.

12)

Handbuch der Diözese Mainz von 1931, S. 291.

13)

dewiki.de/Lexikon/Morgen_(Einheit): Hessischer Morgen

14)

Paul Meissner (1868-1939) Ein Architekt zwischen Tradition und Aufbruch, Hrsg. Annegret Holtmann-Mares, Christine Salge, Spurbuchverlag, Baunach 2019; S. 25.

15)

TU Darmstadt, Universitätsarchiv. UA  Darmstadt 900 Nr. 129-29, Brief von Paul Meißner an Emmy vom 22.12.1927.

16)

Die Pfarrchronik von St. Ludwig in Darmstadt 1790-1945,Hrsg. August Schuchert, Matthias-Grünewald-Verlag Mainz, 1957; S. 95.

17)

Schloss Braunshard, Hrsg. Exerzitiensekretariat der Diözese Mainz, Mainz: Falk & Söhne, [um 1938]  8 S.; Martinus-Bibliothek Kapsel B-41.

18)

Kleines Handbuch für das Bistum Mainz, Bischöfliche Kanzlei, Mainz 1963; S. 253.

19)

de.wikipedia.org/wiki/Gebhard_Fugel

20)

de.wikipedia.org/wiki/Gebhard-Fugel-Kunstpreis

21)

traunsteiner-tagblatt.de/das-traunsteiner-tagblatt/chiemgau-blaetter/chiemgau-blaetter-2020_ausgabe,-ein-bauernbub-der-die-bibel-bebilderte-_chid,1169.html

22)

E-Mail vom 21.April 2021 von Gebhard Streicher an Heike Schrod

23)

Inventarisierung der Orgeln des Bistums Mainz durch Adam Gottron, Die Orgeln des Bistums Mainz 1936:

Gemeinde: ExerzitienhausBraunshardt. Orgel gebaut ewa 1928 – 30 von Johann Klais aus Bonn.

24)

Kleines Handbuch für das Bistum Mainz, Bischöfliche Kanzlei, Mainz 1963; S. 253.

25)

Gutachten über die Orgel in der Kirche des Altenpflegezentrums St. Ludwig in Weiterstadt-Braunshardt, Dr. Achim Seip, Orgelsachverständiger, Mainz, 17. August 1999. Brief an das Kath. Pfarramt St. Johannes Der Täufer, Berliner Str. 1, 64331 Weiterstadt.

26)

E-Mail vom 8. Mai 2021 von Sr. M.Cordis Ganslmeier an Heike Schrod.

27)

Karl Philipp Preller. 100 Jahre Mainzer Schwestern von der Göttlichen Vorsehung. Mainz 1951, S. 117.

28)

Archiv der Congregatio Jesu MEP – AIMZ, Vertrag zwischen den Englischen Fräulein und dem Caritasdirektor Strempel, Mainz, den 27. Juni 1932.

29)

de.wikipedia.org/wiki/Congregatio_Jesu

30)

Archiv der Congregatio Jesu MEP – AIMZ, Braunshardt, Datenblatt und Tätigkeiten.

31)

jugend1918-1945.de/portal/Jugend/thema.aspx?bereich=projekt&root=26636&id=1611&redir=