Mitteilungen vom 21. Dez. 26. Jan.

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Datum:
Mo. 23. Dez. 2024
Von:
KKH

Der Riss

Es wird einsamer um Menschen, die glauben. Schnell werden sie in eine Schubladegesteckt: Traumtänzer. Störenfriede. Mitglieder einer fragwürdigen Gemeinschaft namens Kirche. In dieser oberflächlichen Art und Weise, mit anderen umzugehen, die immer symptomatischer für unsere Gesellschaft wird, fällt unter den Tisch, was für ein Geschenk der Glaube an Gott im Tiefsten ist. Tobias Haberl, dessen Buch „Unter Heiden“ ich auf den Innenseiten empfehle,schreibt dazu: „Mein Glaube macht mein Leben sinnlicher und festlicher, verleiht ihm Beständigkeit, einen letzten Grund. Er ist immer da, wenn eine Herausforderung zu meistern, ein Schmerz zu ertragen, ein Verlust zu überwinden ist. Die Gewissheit, wahrgenommen zu werden, ohne mich darstellen, beweisen oder rechtfertigen zu müssen, ist ein großes Geschenk. Mein Leben fühlt sich leichter an…“

Wir feiern in diesen Tagen ein Fest des Glaubens, Weihnachten. Sie haben das Kirchenblatt zu dieser Zeit in ihren Händen. Auf dem Titelblatt ein Bild von Edith Hemberger. Eine Stadt, über der der Himmel aufgerissen ist. Natürlich ist das inspiriert durch das wunderbare Adventslied: „O Heiland, reiß den Himmel auf“. Ein starkes Lied – und ein starkes Bild. Die Sehnsucht nach dem Kommen des Erlösers. Es ist aber auch ein weihnachtliches Bild. Dieser Riss taucht deshalb in der neugestalteten Krippe in Maria Himmelskron wieder auf. Etwas ungewöhnlich, normal ist es eher der Stern von Bethlehem, der ins Auge fällt. Hier aber ein

Riss!

Gott bricht ein in die Zeit. Er verlässt seine Transzendenz und absolute Erhabenheit – und geht hinein in unsere Welt. Gott wird Mensch. Das ist das zentrale Glaubensgeheimnis von Weihnachten. Das Flehen der Menschen, dass der Himmel doch endlich aufgerissen wird, ist in dem Kind von Bethlehem zur Wirklichkeit geworden. Und alle Krippen dieser Welt versuchen genau das darzustellen: Ein Kind, in dem Gottes Licht zu uns gekommen ist.

Die „neue“ Krippe von Maria Himmelskron – denn die Figuren sind ja alle erhalten geblieben – tut dies für mein Empfinden auf eine besonders eindrucksvolle Weise. Das hat auch mit dem Riss zu tun. Oft bedeutet zu glauben, dass sich da plötzlich etwas auftut, etwas „aufgerissen“ ist.

- Im Denken erfahre ich ein Staunen, das rein empirisch nicht zu verstehen ist, für Platon aber den Beginn der Philosophie, des vertieften Nachdenkens über die Welt – und Gott – darstellt. Das weitetmeinen Blick, reißt den Horizont auf

- Dramatischer ist es in bedrohlichen Situationen: Mir ist, wie wenn ich beschützt, herausgerissen und vom Schlimmsten bewahrt wurde. Von einer unsichtbaren Hand.

- Und immer wieder „leuchtet“ mir etwas auf, lässt mich Zusammenhänge erkennen. Und zum Teil sind das Einsichten, die diese Welt übersteigen. „Mir ist etwas aufgegangen“ – im Kern ist das eine elementar religiöse Erfahrung

Weihnachten bedeutet, dass der Himmel aufgerissen ist. Dass Gott Mensch wird. Dieses Fest dürfen wir feiern, so wie wir sind. Übrigens auch mit unseren Rissen und Verwundungen. Denn genau da kann Gottes Licht gut eindringen. Oder wie Leonard Cohen gesungen hat: There is a crack in everything, that`s how the light gets in.

„Da ist ein Riss in allen Dingen. Aber genau da kommt das Licht hindurch.“

Martin Weber, Pfr.