Warum China? Wir können mindestens acht Gründe nennen, warum wir das gewünschte Semesterthema für wichtig halten. Vier Gründe würden wir niemals nennen, denn die 4 ist eine Unglückszahl, während 8 als absolute Glückszahl dafürspricht, dass es ein gutes Semester wird. Aus chinesischer Sicht. Erstens also ist China international mindestens wirtschaftlich deutlich auf dem Vormarsch. Zweitens führt uns die momentane Weltlage vor Augen, dass man über andere politische Systeme nicht gut genug informiert sein kann. Drittens blicken die Enkel des Gelben Kaisers und des Flammenkaisers der mythologischen Chronologie zufolge auf eine 5000jährige Geschichte zurück.
Viertens ist es das viertgrößte Land der Erde und man sollte schon deshalb seine Außenpolitik aufmerksam verfolgen. Fünftens sind fast ein Fünftel der Weltbevölkerung mittlerweile Chinesen, und sechstens sind die Zerschlagung der Vier Alten und der Große Sprung nach vorn historische Epochen, die das Fürchten lehren können. Siebtens ist Zhong guo, das Reich der Mitte oder die Mittellande, durch seine Schrift und Sprache für uns ein Buch mit sieben Siegeln. Und achtens ist das Christentum in China sehr lebendig, auch wenn man mittlerweile wieder systematisch gegen Religionsausübung vorgeht.
Meister Kong und die nach ihm benannten konfuzianische Lehre hat in China sehr unterschiedliche Phasen von Verehrung bis Bekämpfung, von Prägung der Führungselite bis Bücherverbrennung erlebt und galt Mao als Instrument der Unterdrückung. Die von den Schülern des Konfuzius weiterentwickelte Lehre von den Fünf Beziehungen ist ein von Pflichtbewusstsein und Moral geprägtes, tatsächlich auch sehr hierarchisches System: Ist die eigene Person in Ordnung, ist es auch die Familie, ist sie in Ordnung dann auch der Staat und mit diesem die Welt. Nicht der durch Geburt verliehene Stand, sondern Adel der Gesinnung und des Charakters, die Hochschätzung von Mitmenschlichkeit und Güte propagiert Konfuzius, damit „alle Menschen innerhalb der vier Meere zu Brüdern“ werden. Grundsätze wie „im Inneren ein Weiser, nach außen ein König“ brachten ihm gerade auch im Westen hohe Wertschätzung ein. Andererseits sah man in ihm auch ein Hindernis auf dem Weg zur kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung.
Die chinesische Küche, ein Lieblingsthema für viele, aber auch chinesischen Tee, der auch sehr teure, berühmte Sorten kennt, werden wir in diesem Semester nicht nur theoretisch kennenlernen.
Beim jährlichen Eisfest in der Stadt Harbin zeigen Eiskünstler anderer Art nächtlich illuminiert eindrucksvolle Eisskulpturen. Doch viele der bedeutendsten Künstler Chinas, ob Maler, Songwriter oder Schriftsteller, können ihre Kunst nicht frei ausüben, ihnen bleibt oft nur der Weg ins Exil. Der Literaturnobelpreisträger Gao Xinghian etwa, dessen Buch „Der Berg der Seele“ eine persönliche und philosophische Odyssee bietet, ging nach Frankreich. Nach der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste auf dem Tian-An-Men-Platz im Mai 1989 gab er seinen chinesischen Pass zurück. Er erklärt, Literatur sei, anders als Philosophie, das Ergebnis sensorischer Wahrnehmungen. Und habe, wie das Leben selbst, kein endgültiges Ziel. Auch unser Semesterprogramm möchte zu einer persönlichen und philosophischen Reise einladen. Allerdings in der Hoffnung, die wir mit Chinas Christen teilen, auf ein Ziel hin.
Anne-Madeleine Plum
WIR WÜNSCHEN DIR VIEL FREUDE UND SCHÖNE MOMENTE, NEUE KONTAKTE UND GUTE BEGEGNUNGEN, UND EIN ERFOLGREICHES SOMMERSEMESTER MIT GOTTES SEGEN!