Was ist die Seele? Hat der Mensch überhaupt eine Seele oder ist das letztlich nur ein komplexes System, ein Neuronenfeuerwerk in unserem Gehirn? Um diese Frage wird es in diesem Wintersemester bei uns an der KHG gehen, auch aus theologischer Sicht. Und wann entsteht diese Seele, so wir denn eine haben? Sukzessiv, im Lauf der embryologischen Entwicklung oder simultan mit dem Augenblick der Verschmelzung von Ei und Samenzelle? Was wir unter Seele verstehen, hat entscheidende Konsequenzen für unsere Vorstellung vom Menschen überhaupt.
Joachim Neander dichtet in seinem Lied aus dem Jahr 1680: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, meine geliebete Seele“. In anderen, späteren Fassungen fehlt dies kleine Wörtchen geliebet. Warum eigentlich? Neander predigt in Bremen und Frankfurt, gern auch mal in einem abgelegenen Tal, wo kein Kirchenoberer zuhört. Das Tal hat man nach ihm benannt und so fand der unbequeme Neander Eingang in die Paläoanthropologie. Anthropologische Konzepte kommen heute oft ganz ohne die Seele aus und in manchen psychologischen Lexika findet sich der Eintrag Psyche ψυχή erst gar nicht.
Und doch steht außer Frage, dass die Einflüsse, denen unsere Seele ausgesetzt ist, unser Leben massiv beeinflussen. Ob ein, zwei Jahre sozialer Abschottung, ob Kindheitserfahrungen, Verlust von Heimat, Job oder nahestehenden Menschen – unsere Seele merkt sich alles und reagiert. Und ebenso gibt es heilsame Erfahrungen, von Freundschaft, Zuwendung, Liebe. Auch die Musik wirkt auf unsere Seele, kann Stimmungen hervorrufen und beeinflussen. Auch darüber werden wir von fachkundiger Seite mehr hören.
Ob unsere Seele liebesfähig ist oder verkümmert, ob wir seelisch im Gleichgewicht sind oder traumatisiert, all das gehört zur Frage nach der Seele und damit ins Zentrum unseres Lebens. Ein Semesterthema also, bei dem es um uns selbst, unser Innerstes geht.
Neanders leider ausgemerztes Wort „geliebete Seele“ ist nicht nur poetisch eine Perle in seinem Lied. Es ist auch ein guter Hinweis für schwierige Zeiten, für dunkle Wintertage und all das, was unsere Seele auch in einem anspruchsvollen Studium, in einer vielleicht fremden Stadt und einem anderen Land braucht. Wie Musik ein Therapeutikum sein kann, so möchte der Glaube unsere Seele stärken. Unser Lob gilt dabei weder einem Komponisten oder Musiker noch einem Arzt. Sondern unser Lob gilt dem, der uns so kunstvoll erschaffen hat, der uns führt, begleitet und vor allen Dingen uns mit Liebe begegnet. Neanders Lied ist ein großes Loblied Gottes, aber auch auf den Menschen und seine unsterbliche Seele.
Anne-Madeleine Plum
Wir wünschen Dir viel Freude und schöne Momente, neue Kontakte und gute Begegnungen, und ein erfolgreiches Wintersemester mit Gottes Segen!