Gisbert Hülsmann (* 1935 in Hamersleben)
„Sankt Beton„ oder „Der Bunker“ wurde sehr schnell zum Beinamen der Kirche St.Marien. Nur Beton-Puristen werden einen unmittelbaren Zugang zur massiven, schnörkellosen Gestalt des Kirchengebäudes bekommen. Andere können sich insbesondere im Feiern mit der Gemeinde einen guten Zugang zu den Vorzügen dieser Bauform verschaffen.
Nach Entwürfen des Bonner Architekten Gisberth Hülsmann zwischen 1969-1975 als Kubus mit abgerundeten Ecken im Sinne einer quasi Quadratur des Kreises erbaut, zeigt das Gebäude keine außen sichtbaren Fenster und überrascht dann innen mit der Lichtflut durch die Oberlichter.
Die Andeutung der „Quadratur des Kreises“ verbindet die symbolische Unendlichkeit des Himmels (Rundungen) mit den vier irdischen Himmelsrichtungen.
Der Aufbau der Kirche von unten (Unterkirche mit Sakristei und Funktionsräumen) nach oben (großer Gottesdienstraum mit einer Bestuhlung von festen 520 Sitzplätzen) bis schließlich zur Decke (eingelassene gläserne Lichtbänder) verweist auf die theologische Thematik von Sterben & Tod, dem Leben auf Erden und der Verheißung des Himmels.
Die Kirche verfügt über keinen klassischen Chorraum, vielmehr ist die Gemeinde von drei Seiten in je zwei Blöcken mit je 80 bis 90 Sitzen mit der optisch nicht hervorgehobenen Sitzreihe der liturgischen Dienste um den quasi-mittigen Tisch/Altar versammelt.
Dieses bewusste Raumkonzept unterstreicht die Idee des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass Gemeinde und liturgische Dienste (Priester, Wortgottesleitende) sich auf Augenhöhe, als gleichwürdige Schwestern und Brüder anschauen, um gemeinsam Gott in Christus zu begegnen. Die Stufen der liturgischen Plätze dienen dabei nicht der Erhöhung dieser Dienste, sondern haben allein funktionale Gründe.
Die dialogische Anordnung der Sitzblöcke begünstigt und prägt die Atmosphäre des Miteinander-Feierns der Gottesdienste außerordentlich.
Die Raumstruktur der Kirche erlaubt es, den Raum zu erwandern, sprich: anders als im z.B. gotischen Kirchenraum ist viel Bewegung erwünscht. Auch eine zu starke Festlegung liturgischen Wirkens wird hier vermieden.
Die ursprüngliche Ausstattung der Kirche kannte keine Wandmalerei, sondern beließ es bei grauem Sichtbeton. Alle Aufmerksamkeit fokussierte sich so auf die Mitte des Abendmahl-Tisches. Der Künstler Alois Plum gestaltete dann im Jahr 1979 eine figurative Wandmalerei (Rundgang Station 4) in Gelb-, Rot-, Blautönen. Biblische Motive aus der Offenbarung des Johannes (Sieben Gemeinden & Sendschreiben) und des Lebens Marias umschliessen als Band alle vier Seiten der Kirche, und es reicht über der Treppenrampe mit dem Motiv des Barmherzigen Samariters hinab zur Unterkirche.
Auch um dem Namen der Kirche „Mariä Verkündigung“ gerecht zu werden, steht vom Haupteingang links, an das Ende des Raumes blickend, eine originale Barocke Madonna (Rundgang Station 10) mit Jesus als Kind (18. Jhdt.) aus rotem Sandstein, die aus konservatorischen Gründen vom Friedhof Seligenstadt hierher fand.
Links vor dem Haupteingang geht optisch eine Figur Mariens (Rundgang Station 3) auf den Betrachtenden zu, die ganz im Kontrast zur Barockfigur steht. Diese Figur wurde von der Künstlerin Elisabeth Maria Stapp in den 1970er Jahren geschaffen und verweist in jüdischer Tradition, anders als die barocke Madonna, auf die „alma“, die junge Frau/Jungfrau und Tochter Zion. Sie hält eine Schriftrolle in hebräischer Schrift mit den Worten aus dem Buch Genesis/1.Buch Mose 3, Vers 15. Der Text spricht von der Schlange, dem Symbol der Sünde und des Todes und auf den (Jesus) der beides überwindet.
Die ursprüngliche Ausstattung von Altartisch (Rundgang Station 5), Predigtort und Tauf/Weihwasserbecken war sehr schlicht gehalten. Sie wurden Ende der 1980er Jahre durch den Bildhauer Paul Brandenburg aufwendiger gestaltet.
Das Altarkreuz (Rundgang Station 6) gestaltete ebenfalls die Künstlerin Maria Elisabeth Stapp in den 1970er Jahren. Im Bild der ehernen (metallenen) Schlange werden Heilgedanken der Tora (siehe Numeri/4.Buch Mose 21, 1-9) und des Evangeliums (Johannes Ev. 3, 14) verbunden.
An allen vier Wänden des oberen Innenraums sind je drei Leuchter eingelassen. Diese Leuchter werden Apostel- Leuchter genannt. Sie repräsentieren sowohl die Apostel, als auch die Vielfalt des Gottesvolkes in der Einheit der Kirche. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die Zahl Zwölf an die Zahl der Stämme Israels erinnert.