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Informationen rund um unsere Orgeln

Allgemein Wissenswertes über die Orgel

Die Orgel ist die "Königin der Instrumente", aber nicht nur, weil sie von allen Instrumenten das größte ist und sehr laut klingen kann. Eine Orgel hat noch vieles mehr, mit dem sie beeindruckt. Es gibt kein anderes Musikinstrument in der Welt, das so ein prachtvolles Aussehen hat wie die Pfeifenorgel.

Wenn diese Orgel gespielt wird, kann sie so viele verschiedene Klangfarben erzeugen, dass man sagt, sie ersetze ein ganzes Orchester.

Es gibt keine zwei gleichen Orgeln in der Welt. Wie bei den Menschen so ist auch jede Orgel einzigartig, hat ein eigenes Gesicht, eine eigene Stimme und sogar einen eigenen Charakter.

Man findet die Orgel an vielen Orten. Es gibt Kirchenorgeln, Konzertsaalorgeln, Hausorgeln, Kinoorgeln und sogar Freiluftorgeln.

Wer den Tönen lauscht, sieht von all dem nur die Fassade, die man Orgelprospekt nennt. Er ist sehr prachtvoll mit Gold, Schmuck und beweglichen Figuren dekoriert, er kann aber auch ganz schlicht und zurückhaltend erscheinen. Das äußere und innere Gerüst der Orgel wird Gehäuse genannt.

Die Pfeifen sind die Stimmen der Orgel. Sie werden aus verschiedenen Materialien gemacht, zum Beispiel aus Bambus, Elfenbein, Porzellan oder sogar Papier. Üblicherweise verwendet man aber Holz und Metall. Holzpfeifen klingen anders als Metallpfeifen - allgemein ein bisschen wärmer. Die Metallpfeifen haben einen schärferen und lauteren Klang.

Je nach Größe, Form und Gewicht klingen Pfeifen ebenfalls unterschiedlich. Manche haben Stimmen, die nur für die Orgel typisch sind, manche können andere Instrumente imitieren, zum Beispiel Blockflöte, Cello, Fagott, Krummhorn, Trompete oder gar Trommel und Zimbeln sowie Glocken. Ein komplettes Orchester als Ein-Mann-Instrument! Das macht den Orgelklang sehr vielfältig. In allen hörbaren Wellenbereichen von 20 bis 20 000 Hertz schwingen die Töne - und sogar darüber hinaus. Denn durch die Pfeifen entstehen auch Ultraschallwellen, die beim Menschen unbewusst Kribbeln auslösen. Kein Wunder, dass man beim Klang der Orgel wohlig erschauert. Orgeln sorgen für Besinnung und Konzerterlebnisse.

Die Tonhöhe einer Pfeife hängt von ihrer Länge ab. Je länger eine Pfeife ist, desto tiefer ist ihr Ton. Die längste Pfeife kann bis zu 12 m lang sein, die kleinste Pfeife aus Metall misst nur 6 mm.

Eine Reihe von Pfeifen, die nebeneinander stehen, und deren Material, Form und Klang gleich sind, nennt man Register. Die Pfeife klingt, wenn in sie Wind hineinströmt. Früher wurden die Blasebälge unter anderem von den Messdienern getreten, heute übernimmt dies selbstverständlich die Elektrik. Jede Pfeife in der Orgel gehört zu einer Klaviatur, die man auch Manual nennt. Es können aber auch mehrere Pfeifen zu einer Taste gehören. - außerdem spielt man die Orgel nicht nur mit den Händen, sondern auch mit den Füßen, auf dem sogenannten Pedal.

Das bedeutet, dass der Organist mit Händen und Füßen gleichzeitig spielt. Das ist aber immer noch nicht alles. Abgesehen davon, dass er in die Noten schaut, muss er Register ein- und ausschalten. Das macht er mit Registerzügen, die wie Knöpfe oder Schalter aussehen.

Alles zusammen, die Tastaturen, das Pedal, die Registerzüge und auch die Bank zum Sitzen nennt man Spieltisch, die Schaltzentrale der Orgel, ihr Kopf. Um eine Orgel zu spielen, braucht man eine gute Koordination, Konzentration und sehr viel Übung.

Eine Orgel hat einen komplizierten Mechanismus. Bei den Fachausdrücken muss man unterscheiden zwischen: Windladen, Traktur, Rückpositiv, Wellenbrett, Abstrakt, Schweller, Koppel.

Im Passauer Dom ,St. Stephan' steht die größte Orgel Deutschlands. Sie ist bestückt mit 17974 Pfeifen in 326 Reihen, - und die größte Orgel der Welt, die sich in Atlanta in den USA befindet, hat mehr als 33000 Pfeifen.

Die Orgel muss man gut pflegen und regelmäßig stimmen, da sie trotz ihres robusten Aussehens doch empfindlich ist und auf den Temperatur- und Feuchtigkeitswechsel reagiert. Richtige Königinnen sind eben so. Bei liebevoller Behandlung wird sie aber sehr dankbar sein und dem Organisten und den Hörern großzügig viel Freude schenken.

Auszug aus "Gnadenkapelle - Wallfahrtskirche zu Dieburg - Festschrift zur Orgelweihe",

Herausg.: Pfarrgemeinde St. Peter und Paul Dieburg, 2013

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Orgel St. Peter und Paul

Orgel St. Peter & Paul

Orgelgeschichte der Pfarrkirche St. Peter und Paul

Ersten Hinweis über das Vorhandensein einer Orgel in der Stadtpfarrkirche gibt die Kirchenrechnung des Jahres 1589. [...]

Barockorgel von Johann Nikolaus Schäfer

1723 entschloss man sich zur Anschaffung einer neuen Orgel. Im gleichen Jahr wurde der alte Orgelbau abgebrochen. Hans Jakob Feth erhielt für diese Arbeit neben 3 Maß Wein und Brezeln 26 Albus an Geld. [...] Über die Finanzierung der Orgel sind auf Grund der [...] großen Lücken in den Kirchenrechnungen, keine genauen Aussagen zu machen. [...]

Im Eintrag vom 24. September 1723 wird erstmals der Name des aus Hanau stammenden Orgelmachers erwähnt. Es heißt: "Von dem Kirchenbaw für das Regal in der capella Zu repariren dem orgelmacher schäffer Zu zahlen Vier gulden undt behörig in rechnung Zu bringen."

Dreymann-Orgel

Zu Beginn des Jahres 1843 stellte der Dieburger katholische Kirchenvorstand fest, dass anstelle der alten unbrauchbar gewordenen Orgel dringendst eine neue beschafft werden müsse. Die Kosten für dieses Projekt wurden insgesamt auf 4000,- Gulden veranschlagt. Nachdem die eingereichten Kostenvoranschläge der Orgelbauer Gottlieb Dietz und Bernhard Dreymann geprüft wurden und letzterer das preisgünstigere Angebot machte, erhielt er den Auftrag. Dies geschah sicher auch deshalb, das Bernhard Dreymann ausgezeichnete Reverenzen mit den von ihm in unmittelbarer Nähe, in Münster und Eppertshausen geschaffenen Kirchenorgeln nachweisen konnte. Da außerdem vom bischöflichen Ordinariat in Mainz keine Einwände für eine Kapitalaufnahme erfolgte, schloss man alsbald mit Dreymann einen Vertrag. In diesem verpflichtete er sich, gemäß seinem eingereichten Kostenvoranschlag vom April 1843 in der hiesigen Stadtpfarrkirche im Jahre 1844 eine Orgel "unfehlbar" aufzustellen. Gleichzeitig musste er mit seinem gesamten Vermögen die nachfolgenden zehn Jahre für eventuell auftretende Fehler haften. Für diese Leistungen erhielt er die Summe von 3780 Gulden in drei Abschnitten ausgezahlt. Das erste Drittel nach Genehmigung des Vertrags durch den Kreisrat, das zweite bei Anlieferung der Orgel und das letzte Drittel nach "vorgenommenem und geschehenem Gutbefund" der Orgel. Für das Stimmen der Orgel während der 10‑jährigen Garantiezeit erhielt Bernhard Breymann 22 Gulden. Nachdem der großherzoglich hessische Kreisrat den Vertrag unter der Bedingung genehmigte, dass aus der Kirchenkasse der Transport der Orgel von Mainz nach Dieburg und eine Hilfskraft beim Aufstellen derselben dem Orgelbauer beigestellt wird, erhielt Dreymann seine erste Rate und konnte mit dem Bau der Orgel beginnen.

Im November 1843 baute man die alte Orgel ab und verkaufte sie an die Lengfelder katholische Kirchengemeinde für 300 Gulden. [...] Hier (in Dieburg) wurde Ende 1843 die Orgelbühne überholt. Die alte Treppe ausgebaut und durch eine neue aus Eichenholz mit 20 Stufen ersetzt, desgleichen die Brüstung erneuert, sowie ein Musikpult, einen Schrank für die Orgel und Kniebänke angefertigt. Das ganze wurde, wie es in dieser Zeit üblich war, mit Ölfarbe gestrichen. [...]

In der Zeit vom 17. September bis zum 18. Dezember 1844 wurde die Orgel aufgestellt. Hierbei erhielt der Orgelbauer Dreymann von Johannes Kipp aus Dieburg tatkräftige Unterstützung. Als Entgeld bekam Kipp pro Tag 24 Kreuzer und somit für die gesamte Zeit 31 Gulden und 36 Kreuzer.

Nach Fertigstellung der Orgel wurde das Werk von Georg Thurn, dem großherzoglichen Kammermusikus und Organisten der Stadt- und Militärgemeinde Darmstadt geprüft

Sein Urteil lautete: "Nachdem ich heute die neuerbaute Orgel von dem Orgelbauer Herrn Dreymann erbaut, sorgfältig untersucht und gewissenhaft geprüft habe, in allen ihren Teilen, so kann ich nur zum großen Lobe des Henn Dreymann sagen, dass diese neue Orgel ganz vollkommen demselben geraten ist und nach dem schriftlichen Akkord (= Vertrag) nicht allein, denn derselbe hat noch ein ganzes Register Prinzipal von englischem Zinn über den Akkord gearbeitet und außerdem auch noch mehrere Verzierungen, wofür demselben billigerweise eine Entschädigung gebürt. Daher ist die Orgel von großer Kraft und Stärke und kann ein ganze vollkommen Werk genannt werden. Dieses bezeuge ich hiermit pflichtgemäßig." [...]

Bevor die alte Kirche im Februar 1891 niedergelegt wurde, schloss der Kirchenvorstand mit dem Orgelbauer Heinrich Bechstein aus Groß-Umstadt, der seit 1878 die beiden Kirchenorgeln wartete, am 31. Januar 1891 einen Vertrag. Bechstein verpflichtete sich hierbei gemäß seines eingereichten Kostenvoranschlags, welcher vom Domkapellmeister G. Weber überprüft wurde, für Mark 2.700,- die Orgel der Stadtpfarrkirche instandzusetzen. [...]

Um den immensen Materialbedarf während des 1. Weltkrieges zu decken, ordnete das Kriegsministerium die Erfassung aller Kirchenorgeln an. Ausgewählt nach bestimmten historischen Kriterien, mussten die in Frage kommenden Metall-Orgelpfeifen abgegeben werden. Aufgrund dieser Vorgehensweise, hat die Dieburger Pfarrei am 6. August 1917 von den Orgeln der Gnadenkapelle und Pfarrkirche je 36 und 112 Orgelpfeifen ausbauen lassen und am 13. August abgeliefert.

Nach Überwindung der Nachkriegsjahre, den Millionen von Arbeitslosen und der Inflation, hat sich der Kirchenvorstand im Jahr 1929 unter anderem auch wieder der Orgel der Pfarrkirche zugewandt und mit der Überprüfung der Orgel die Firma Willibald Siemann beauftragt. Das dabei erstellte Gutachten besagte, dass die Orgel der Pfarrkirche noch in verhältnismäßig guten Zustand sei und sich eine umfangreiche Reparatur sowie die Ergänzung der fehlenden Pfeifen lohne. Über die Ausführung dieser Arbeiten gibt es jedoch keine Unterlagen. In den Vorkriegsjahren wartete der Gau Algesheimer Orgelbauer Michael Körfer die beiden Orgeln. Er war es auch, der im Jahre 1937 ein elektrisches Orgelgebläse installierte. Die Kosten betrugen Mark 575,-.

Interimslösung

[...] Die Orgel wurde im Jahr 1944 zum Großteil zerstört. Im Frühjahr 1946 bat deshalb Pfarrer Geoerg den Orgelbauer Körfer die defekte Orgel wieder instandzusetzen. Durch die unterschiedlichen Besatzungszonen begaben sich jedoch in dieser Zeit unüberwindliche Probleme hinsichtlich des Transports. Außerdem bestand die Gefahr, dass das Material beschlagnahmt werden konnte. Das Bischöfliche Ordinariat riet deshalb Pfarrer Geoerg einen Orgelbauer auf rechtsrheinischer Seite mit dieser Aufgabe zu betrauen.

Da sich in der Zwischenzeit ein Ostflüchtling namens Liebscher als Orgelbauer mit guten Referenzen beim Pfarrer vorstellte und versicherte, aus den vorhandenen Orgelteilen noch etwas brauchbares zu gestalten, entband man Körfer von dem Auftrag. Doch musste auch Liebscher alsbald wegen Materialmangel seine Tätigkeit aufgeben. Aufgrund dieser Situation wandte sich Pfarrer Geoerg an den Raibacher Orgelbauer, Johann Appel und über ihn an die Orgelbaufirma August Laukhuff in Weikersheim. Schon kurze Zeit danach - am 10. Februar 1948 - wurde ein LKW mit Altmaterial, bestehend aus Kupfer, Blei, Zinn, Zink, Messing, Leder, Holz, Altpapier und Teilen der zerstörten Orgel, aber auch 50 Flaschen Wein an die Fa. Laukhuff entsand. Letzteres spricht für diese Zeit, in der eine Zigarette etwa RM 8,- kostete. Erst nach der Währung - Juni 1948 - normalisierte sich der geschäftliche Ablauf wieder.

[...]

Pfarrer Geoerg musste in nachfolgender Zeit viel Geduld und Mühe aufbringen, bis die Orgel im 1. Bauabschnitt am 23. November 1949 in Form einer Orgelfeier und im Endausbau am 13. August 1961 einer interessierten Zuhörerschaft erstmals in der Vielfalt der Klänge vorgestellt werden konnte. Die musikalische Leitung hatte Musikdirektor P. M. Leist, Das Werk hatte zu dieser Zeit 24 Register in zwei Manualen und Pedal.

Eine erste negative Kritik an der Orgel erfolgte jedoch schon zwei Jahre später, durch den Orgelbauer Georg Lutz aus Heppenheim. Er schrieb am 21. August 1963 unter anderem, dass die von der Fa. Laukhuff erstellte Orgel sehr unzweckmäßig disponiert, aufgestellt und schlecht intoniert sei. [...]

Eine weitere kritische Stellungnahme geschah durch den Orgelbauer Gerhard Stumpf im Haingrund (Odenwald). Er hatte die Orgel instandgesetzt und dabei dieselbe eingehend geprüft. Aufgrund dessen stellte er einen Kostenvoranschlag über die festgestellten Mängel am 23. Dezember 1966 vor. [...]

Am 10. Mai 1968 wurde mit Stumpf ein Wartungsvertrag für die Orgel abgeschlossen. Trotz guter Wartung, mussten in den Folgejahren immer wieder größere Reparaturen an der Orgel durchgeführt werden. Aufgrund dieser Situation, sowie aber auch der Kenntnis, dass man 1978/79 eine umfangreiche Renovierung der Pfarrkirche vorsah, erstellte Stumpf eine Studie zur Überholung der Orgel. [...]

Die Wagenbach-Orgel

Dies war mit ausschlaggebend, dass sich Kirchenstiftungsrat und Pfarrgemeinderat mit dem Orgelproblem auseinander setzten. Dem Rat des Domkapellmeisters Heinrich Hain und anderen Fachleuten folgend fasste man den Entschluss, über mehrere Firmen die Kosten für eine neue Orgel einzuholen. Von den eingereichten Angeboten, wurde das der Firma Eduard Wagenbach durch den Domkapellmeister Hain befürwortet. Nachdem auch die Gremien der Pfarrei diesem Angebot zustimmten, wurde im Zuge der Gesamtrenovierung der Pfarrkirche, auch die Orgel zum Großteil erneuert.

Die Abnahme der Orgel erfolgte durch den Sachverständigen Domkapellmeister Heinrich Hain am 4. Juli 1979.

Hier heißt es: "Das Werk hat 28 Register in zwei Manualen und Pedal [...]. Die gesamte Orgel ist in zwei Orgelkörper aufgeteilt und um das Fenster gruppiert in einem Vollgehäuse aus Tischlerplatten auf der Empore an der Rückwand der Kirche.

Mit dieser Orgel wurde ein Werk erstellt, das den liturgischen Ansprüchen voll und ganz entspricht. Aber auch die Orgelliteratur aus den verschiedensten Epochen kann hier zum Klingen kommen. Der Fa. Wagenbach, Limburg, gebührt ein herzlicher Wort des Dankes für die gelungene Arbeit. Doch ist die Anschaffung dieses Werks nicht zuletzt auch dem unermüdlichen Einsatz des Pfarrers Richard Neumann zu verdanken."

In gekürzer Fassung aus "100 Jahre Stadtpfarrei St. Peter und Paul Dieburg",

Herausg.: Stadtkirchengemeinde St. Peter und Paul Dieburg, 1993

Orgel St. Wolfgang

Orgel St. Wolfgang

Orgelgeschichte der Kirche St. Wolfgang

Klais Orgel (erbaut 1991)

Der Prozess der Entscheidungsfindung ist - wie so oft in unserem Hause - von Diskussionen begleitet. Hin und wieder entstehen dabei gedankliche Differenzen, die, überwunden, immer dem Ganzen dienen und ihm zugutekommen. So auch bei der Frage: Schleierwerk, ja oder nein. Wir stehen in Dieburg zwar nicht zum ersten Mal vor einem Orgelgehäuse ohne Schleierwerk, aber Einblicke in dieser großflächigen Form sind in unserer Zeit ein nicht gerade gewohntes Bild.

Dieser Mut zur ungewohnten "Offenheit" fordert Kritik geradezu heraus, auch im eigenen Haus! Da betritt Herr Klais den Kirchenraum und erblickt ein Orgelgehäuse, welches zwar vorher viele Wochen in den Werkstatträumen gegenwärtig war, nun aber, befreit von drückender Enge, seine großzügige Gestalt im Kirchenraum entfaltet.

Er sieht etwas Ungewohntes, ein fremdes Gesicht, und der Wunsch regt sich, das Fremde zum Freund zu machen: "So geht es nicht! Hier muss ein Schleierwerk herein!"

Was aber geschieht, wenn der Raum durch den Betrachter "ergangen" wird, wenn man sich dem Andersartigen.nähert? Da wird Tiefe sichtbar, Tiefe, die gefüllt ist mit Bausteinen. Bausteine, die zu Orgelklang und Orgelkonstruktion zusammenfließen, die sich auflösen in Pfeifen, Mechanik, Technik.

Einzelne Eindrücke, die durch großflächige Öffnungen, aber auch durch kleine Spalten betrachtet, zur Gesamtheit verschmelzen.

Eine gewagte, aber richtige Entscheidung, die selbst den größten Kritiker in unserem Hause überzeugte.

Klaus Flügel

Orgel Gnadenkapelle

Orgel Gnadenkapelle

Orgelgeschichte der Gnadenkapelle

Während es 1589 bereits erste Hinweise für die Existenz einer eigenen Orgel in der Stadtkirche gibt, liegen für die Gnadenkapelle aus dieser frühen Zeit keine entsprechenden Nachrichten vor. Noch 1706 bestätigte der dortige "Kirchenbaumeister" (Kirchenrechner) Auszahlungen in Höhe von 5 fl 30 xer an "die hiesigen Musicanten, Singbuben sowie die beiden Zinken- und Posaunenbläser für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste". Das spricht dafür, dass die erwähnten Sänger und Musikanten damals noch die fehlende Orgel ersetzen mussten.

Eine gebrauchte Orgel aus Darmstadt für die Wallfahrtskirche

Wie der [...] Rechnungseintrag belegt, bekam die Gnadenkapelle 1733 ihre erste Orgel; der Hessen-Darmstädtische Postmeister Friedrich Brandt, der 1728 verstorben war, hatte sie gestiftet. Erst fünf Jahre später erhielt dann der Dieburger Schreinermeister Peter Achtekirch den Auftrag, das Instrument in Darmstadt abzuholen und in der Wallfahrtskirche zu Dieburg aufzustellen.

Da zur fraglichen Zeit in keiner der Darmstädter Kirchen eine Orgel abgegeben wurde, ist es durchaus denkbar, dass es sich bei der Stiftung um die Hausorgel des Postmeisters gehandelt hat. Es war kein mächtiges Orgelwerk; 20 Jahre später wurde das Instrument als "kleine Orgel" nach Groß-Umstadt weiterverkauft .

[...]

Wie der [...] Rechnungsausschnitt belegt, erhielt der Dieburger Zimmermann Joseph Kolb sowie der Schreiner Peter Achtekirch den Auftrag, für die Orgel ein "Toxal" (Empore) zu errichten. Sie wurde im gotischen Ostchor, wo heute der "Krippchesaltar" (Ulner) steht, errichtet. Beide Handwerker erhielten für ihre Arbeit 120 Gulden.

Neue Orgel vom Dieburger Meister Peter Achtekirch

Es zeigt sich schon bald, dass die Darmstädter Orgel für die Wallfahrtskirche viel zu klein war; man plante deshalb, ein größeres Instrument anzuschaffen, was wegen der fehlenden Finanzen jedoch zunächst nicht verwirklicht werden konnte.

1759 war es dann aber doch soweit; der Dieburger Schreinermeister Peter Achtekirch erhielt den Auftrag, die größere Orgel zu errichten. Wie in dem "Accord" vom 26. August festgelegt war, "sollte das Werk im Manual 13 und im Pedal 5 Register umfassen".

In einem ersten Kostenvoranschlag stellte Achtekirch 1.300 Gulden in Rechnung, vermerkte jedoch "er wolle wohl wissend, dass die Kirche arm ist, keinen Profit oder Gewinn suchen, sondern die Orgel zu dem oben erwähnten Preis überlassen - zur größeren Ehre Gottes und Zierde der Kirche".

[...]

Orgelpfeifen werden "als Kriegsbedarf" beschlagnahmt

Laut einer Reichsverordnung "zur Sicherstellung von Kriegsbedarf" wurden nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges in allen Kirchen Orgelpfeifen aus Zinn beschlagnahmt. So sollten im Juli 1917 aufgrund einer Anforderung des Großherzoglichen Kreisamtes die 48 Pfeifen des Principalregisters aus dem Schmuckprospekt der Orgel in der Gnadenkapelle ausgebaut und abgeliefert werden. Pfarrer Ebersmann, besonders aber auch der damalige Kaplan Geoerg, verwiesen auf die Bedeutung der Orgel bei der Gestaltung der Gottesdienste in der Wallfahrtskirche und baten von der Beschlagnahme der Pfeifen abzusehen. Beide erreichten schließlich durch mehrfache Anträge, dass die großen Prospektpfeifen nicht ausgebaut werden mussten. Dafür wurden jedoch "dem Gewicht entsprechend" andere Zinnpfeifen (das gesamte Gamba) beschlagnahmt.

Restaurierte Kirche soll größere Orgel bekommen

In den Jahren von 1923 bis 1932 wurde eine umfassende Renovierung der Gnadenkapelle vorgenommen. In einem Bericht über die bauliche Sicherung und die stilvolle Restaurierung der Kirche ging man auch auf den Zustand der Orgel ein und stellte fest:

"Vor dem Beginn der Wiederherstellungsarbeiten musste die Orgelfrage gelöst werden. Das Orgelwerk war veraltet und viele Teile der Verkleidung waren vom Holzwurm zerfressen. Um den schönen Ostchor wieder zur Geltung zu bringen, sollte die Orgel auf Vorschlag von Herrn Regierungsbaurat Münkler an die Stirnwand des nördlichen Querschiffes versetzt werden."

Orgelbaumeister Körfer aus Gau-Algesheim stellte 1932 bei einer Besichtigung der alten Orgel fest, dass einige Register und Bauteile noch brauchbar waren und schlug deshalb vor, beim Bau einer neuen Orgel die noch brauchbaren Pfeifen und Holzteile erneut zu verwenden. Er erhielt daraufhin von Pfarrer Haus den Auftrag, die alte Orgel auszubauen, eine neue zu liefern und diese auf 26 Register zu erweitern. So kam es dann auch.

Domkapellmeister Vogt prüfte das neue Werk und schrieb in seinem Gutachten: "Es ist dankbar anzuerkennen, dass man das, was von der alten Orgel brauchbar war, erhalten und benützt hat. Dadurch, dass Herr Körfer die noch brauchbaren Register gereinigt, durch passende Pfeifen ergänzt und neu intoniert hat, ist der Kirche viel Geld erspart worden."

Die Kosten für die Anschaffung der neuen Orgel betrugen trotzdem 13.680 Mark. Dies war für die Pfarrei eine schwere zusätzliche Belastung, sie hatte für die in den Jahren von 1923 bis 1932 durchgeführten Restaurierungsarbeiten an der ruinösen Wallfahrtskirche bereits 120.000 Mark zu zahlen. Die erforderlichen Geldbeträge wurden durch die Mitglieder des Kapellenbauvereins, durch regelmäßige Kollekten und vor allem durch Stiftungen und Spenden aufgebracht. Als besonders großzügiger Wohltäter erwies sich dabei Lorenz Dörr, ein Dieburger, der 1882 nach Amerika ausgewandert war und sich dort als Konditor niedergelassen hatte. Aus kleinen Anfängen in St. Louis wuchs sein Geschäft zu einem bedeutenden Betrieb. Er blieb mit seiner Heimatstadt Dieburg, besonders aber mit Dekan Ebersmann und der Wallfahrtskirche eng verbunden. 1928 spendete er 6.800 Mark für die neuen Glocken, 1929 ermöglichte er mit einer Stiftung von 9.000 Mark die Errichtung des Außenaltares und 1931 war die Anschaffung der neuen Orgel nur durch eine Spende von über 7.000 Mark aus Amerika möglich. Im September 1931 ertönte das neue Orgelwerk erstmals im Gottesdienst. Der Mainzer Domkapellmeister bemerkte in dem von ihm erstellten Gutachten:

Um es kurz zu sagen, die Gemeinde Dieburg hat in ihrer Wallfahrtskirche ein sehr schönes, interessantes und zweckdienliches Orgelwerk, wozu man sie und den Erbauer, Herrn Orgelbaumeister Körfer aus Gau-Algesheim, aufrichtigst beglückwünschen kann".

Neue Probleme mit der Orgel

[...] Als 1968 wegen dringend notwendiger Reparaturen am Gewölbe des nördlichen Seitenschiffes die Orgel ganz abgebaut werden musste, empfahl Orgelbauer Stumpf aus Neustadt, diese nicht wieder im alten Zustand aufzubauen, sondern ein neues Werk anzuschaffen, das "modernen musikalischen Bedürfnissen entspricht".

Trotz Bedenken aus Mainz beauftragte der Kirchenstiftungsrat Stumpf mit dem Neuausbau der Orgel. Pfarrer Neumann schrieb in seiner Stellungnahme: "Ich habe mich von den Fähigkeiten Stumpfs als Orgelbauer überzeugen lassen. Ich bin nicht nur von Amts wegen, sondern ganz persönlich als Liebhaber der Orgelmusik daran interessiert, dass die Orgel in der Wallfahrtskirche so gut wie nur möglich erneuert wird".

[...]

Im abschließenden Prüfungsbericht des Domkapellmeisters hieß es: "Das Werk besitzt 27 klingende Register in zwei Manualen und Pedal. Die Orgelrenovierung kommt fast einem Neubau gleich. Die Pfarrgemeinde und ihr H. H. Pfarrer sind über dieses wertvolle Instrument zu beglückwünschen. Dieses Instrument entspricht den liturgischen Ansprüchen voll und ganz. Dem Herrn Orgelbauer Stumpf gebührt ein Wort des Lobes für die gelungene Arbeit. Diese Orgel ist ein Schmuckstück der Wallfahrtskirche und ein Zeichen einer opferwilligen Gemeinde."

Neuere Orgelgeschichte der Gnadenkapelle

Am Palmsonntag 2010 erschraken sicher nicht wenige Gottesdienstbesucher, als statt dem gewohnten Orgelklang auf einmal ein elektronisches Klavier zum Einzug des Gottesdienstes erklang. Für die Organisten war dieser Wechsel weit weniger überraschend. Bereits in den Monaten davor zeigte die Orgel der Gnadenkapelle einige "Schwächezeichen", die Maßnahmen unausweichlich machten:

In den Jahren 2004/2005 fand im Anschluss an die Orgelerweiterung in der Pfarrkirche St. Peter und Paul eine Ausreinigung, Neuintonation und Reparatur der Orgel in der Gnadenkapelle statt. Die alte Orgel war mit einer elektropneumatischen Kegellade ausgestattet, ein System, das nach 40 Jahren immer Verschleißerscheinungen mit sich bringt, die bei dieser Reparatur behoben wurden. [...]

Die Orgel war also ein uneinheitliches Sammelsurium unterschiedlichster Pfeifen, Techniken und Stile geworden und man hatte bei all diesen Maßnahmen eines nur unzureichend bedacht: Auch der Motor und die Bälge der Orgel, sozusagen das Herz und die Lunge, waren inzwischen in die Jahre gekommen. So zeigte sich vor allem in den Monaten vor dem endgültigen Verstummen des Instrumentes eine zunehmende Windschwäche und damit verbunden eine, auch für den Kirchenbesucher gut hörbare, Minderung der Klangqualität.

Als dann das elektronische Klavier im April 2010 in Betrieb genommen wurde, dachten wir noch, dies sei eine Maßnahme, die höchstens einige Wochen andauern würde. Damals gingen wir davon aus, dass nach den Renovierungen von Pfarrhaus und Pater-Delp-Haus ein Neubau der Orgel zwar wünschenswert, aber finanziell nicht möglich sei und erwarteten die Instandsetzung von Motor und Balg, wissend, dass dies eher ein Tropfen auf den heißen Stein, als eine solide Maßnahme gewesen wäre, da die Substanz der alten Orgel sehr heterogen und von unterschiedlicher Herkunft und Qualität war.

Diese Realität machten uns sowohl ein Orgelbauer einer Firma, die zur Instandsetzung herangezogen wurde, als auch der Sachverständige des Bistums klar, indem sie sagten, dass jede Investition in das alte Instrument unnötig ausgegebenes Geld sei. Wenn der Motor wieder adäquate Leistungen bringe, würden sich an anderen Stellen die Mängel umso mehr zeigen. Man füllt eben keinen neuen Wein in alte Schläuche. Zudem hätte dazu die gesamte Orgel abgebaut werden müssen, da die Bälge so in das Gehäuse eingebaut waren, dass ein einfacher Tausch nicht möglich war.

Es musste also ernsthaft über das nachgedacht werden, was einige von uns Organisten erhofft und lange vorhergesagt, Pfarrer und Verwaltungsrat befürchtet und die Gemeinde mehr oder weniger überrascht hat: Der Neubau der Orgel in der Gnadenkapelle.

Nach nur 3-jährigem Engagement konnte die neue Orgel von Matz & Luge zur Wallfahrt am 07.09.2013 wieder erklingen und wurde zu Beginn des Festgottesdienstes von Generalvikar Prälat Dietmar Giebelmann aus Mainz geweiht.

In gekürzer Fassung aus "Gnadenkapelle - Wallfahrtskirche zu Dieburg - Festschrift zur Orgelweihe",

Herausg.: Pfarrgemeinde St. Peter und Paul Dieburg, 2013