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Casa do Menor

Das Projekt

Die brasilianische Pfarrgemeinde "Sao Miguel Arcanjo", Miguel Couto/Brasilien, am Slumgürtel um Rio de Janeiro gelegen, und ihre Partnergemeinde St. Wolfgang, Dieburg, engagieren sich seit 1986, um die Elendssituation der Straßenkinder zu verbessern. Der dort als Pfarrer tätige Italiener Renato Chiera wollte für sie ein Zeichen der Hoffnung und christlicher Nächstenliebe setzen; er gründete den Sozialverein "Casa do Menor" .

Für den im Jahre 2000 verstorbenen Pfarrer Manfred Gärtner war dieses Projekt von Anfang an ein Fixpunkt in seinem breitstrahligen sozialen Wirken. Die von ihm begründete "Brücke der Freundschaft" ist zu seinem Vermächtnis geworden, das auch nach der Fusion in der Pfarrei  St. Peter & Paul in seinem Sinne weiter gepflegt wird.

Der Aufbau von "Casa do Menor - Haus der Straßenkinder" begann mit dem Erwerb einer alten Villa und der anschließenden Einrichtung von diversen Werkstätten. Nach schwierigen Anfangsjahren ist "Casa do Menor" zwischenzeitlich zu einer gesellschaftlich anerkannten und mit der „Tiradentes Medaille" ausgezeichneten Sozialeinrichtung geworden, die auch den Kindern/Jugendlichen aus der Region offen steht. Für diesen Bereich wird neben einer Grundschule ein Ausbildungszentrum und ein Sport- und Kulturzentrum unterhalten. Die Arbeit geht somit heute weit über die Betreuung  der aufgenommenen Straßenkinder hinaus.

Die Straßenkinder selbst erfahren dort Heimat und Geborgenheit. In der Betreuung wird jeweils durch ganzheitliche Förderung versucht, die Basis für eine positive Entwicklung ihrer Persönlichkeiten zu legen. Daneben sind ihnen Möglichkeiten zur beruflichen Qualifizierung eröffnet.

Ohne das Engagement von "Casa do Menor" hätten diese Kinder in der Gesellschaft - selbst ansatzweise - keine derartigen Perspektiven.

 

Unser Glückwunsch zum 30-jährigen Jubiläum im Oktober 2016

30 Jahre Casa do Menor

30 Jahre Brücke der Freundschaft

30 Jahre Hilfe für Straßenkinder in Brasilien

Wir freuen uns, dass das Straßenkinderprojekt, das im Oktober 1986 begründet wurde, soviel Positives zum Wohle und zur Entwicklung von Kindern ohne jede Perspektive leisten konnte. Gerade in den Casa Lares lag und liegt unser Engagement.

Die Standfestigkeit der Brücke der Freundschaft ist nur möglich, weil sie auf einem festen Fundament steht. Mit Pater Renato, verstorbenem Monsignore Pfarrer Manfred Gärtner und Pfarrer Alexander Vogl und allen Helferinnen und Helfern sowie - natürlich ganz wichtig - den Spenderinnen und Spendern und den vielen jungen Freiwilligen in diesen vielen Jahren steht unser gemeinsames Projekt auch im Jahr 2016 auf einer gesunden Basis.

Allen tatkräftigen Unterstützern gilt mein großer und respektvoller Dank. Was wäre wohl aus vielen Kindern geworden, wenn es diese segensreiche Einrichtung Casa do Menor nicht gäbe. Dieburg sendet zum Jubiläum

Unterstützung          Gebet          Segen!

Gerne erinnern wir uns an das letzte Jubiläumsfest 2011, an dem wir mit einer großen Gruppe teilgenommen haben; in diesem Jahr ist es leider nicht möglich. Deshalb wünschen der Miguel Couto-Ausschuss und die Pfarrgemeinde St. Peter und Paul / St. Wolfgang auf diesem Wege alles Gute und Gottes Segen.

Herr Peter Edinger wird Dieburg als unser Abgesandter vertreten.

 

Glückwunsch, Gruß und Dank

Ihr Geistl. Rat Pfr. Alexander Vogl 

 

25-jähriges Jubiläum

Seit 25. Jahren besteht die Freundschaft zwischen St. Wolfgang und Miguel Couto. Zu diesem Anlass ist das Jubiläumsheft erschienen, dieses können sie in den Downloads als PDF-Datei einsehen.
Unser Glückwunsch zum 20-jährigen Jubiläum im August 2006
Liebe Freunde,

die Pfarrgemeinde St. Wolfgang in Dieburg und die Freunde auf der „Brücke der Freundschaft" gratulieren sehr herzlich  zu Euerem besonderen Jubiläum.

Die zarte Pflanze, die vor 20 Jahren von Pe.Renato gesetzt worden war, hat sich über die Jahre hinweg zu einem stattlichen und gesellschaftlich anerkannten Lebensbaum entwickelt, dessen Äste schattige Geborgenheit und Leben für Viele spenden.

Die Vision von Pe.Renato war von Anfang an auch ein Fixpunkt im sozialen Wirken unseres verstorbenen Pfarrers Manfred Gärtner. Über die von ihm begründete „Brücke der Freundschaft" hat er in vielfältiger Weise mit zum Heranwachsen dieses Lebensbaumes „Casa do Menor" beigetragen. Er hätte sicherlich seine Freude an diesem Jubiläum, so wie er die Übertragung „seines Sitios" in Tingua  aus Anlass seines 5. Todestages für gut geheißen hätte.

Unsere Verbindung wird auf dem Gelände von St. Wolfgang dauerhaft symbolisiert durch das im Projekt angefertigte Kreuz, das weithin sichtbar ist. Diese Verbindung soll auch weiterhin Bestand haben; das ist unser Versprechen aus Anlass Eueres Jubiläums.

 

Möge Gottes reicher Segen Euere Arbeit weiterhin begleiten.

Pfr. Harald Christian Röper

 

Brücken aus Fleisch und Blut

Ich wünsch´ mir viele Brücken,

die nicht aus Stein gemacht.

Sie können Frieden stiften,

wo Streit herrscht und wo`s kracht.

 

Die Brücken sind lebendig,

sie sind aus Fleisch und Blut.

Sie teilen und sie heilen,

denn das tut allen gut.

 

Die Beine auf der Erde,

das Herz nach Gott gewandt;

So hält das Brückenbauwerk,

das sonst als „MENSCH" bekannt.

Pfr. Alexander Vogl 

 

Pfarrer Manfred Gärtner Fonds

Dem  bestehenden Arbeitskreis „Miguel Couto/Brasilien" ist durch den Verwaltungsrat Gesamtvollmacht erteilt, alle Aufgaben in Zusammenhang mit dem Projekt "Casa do Menor" wahrzunehmen.

Die Vollmacht erstreckt sich insbesondere auf die Werbung/Öffentlichkeitsarbeit und die Pflege der  von Pfr. Manfred Gärtner begründeten „Brücke der Freundschaft", sowie die Entgegennahme von Spenden für das Projekt, die Verwaltung des Sondervermögens „Pfarrer Manfred Gärtner Fonds" und die Bestimmung der Verwendung der eingehenden Gelder.

Dem Verwaltungsrat ist jährlich Bericht zu erstatten und Abrechnung vorzulegen.

Im Sinne von Pfr. Manfred Gärtner konzentrieren wir unsere Hilfestellung auf den Bereich der Kinderbetreuung in Miguel Couto mit dem Ziel, jährlich etwa ein Drittel des Betriebsmittelbedarfs abzudecken. Brasilianische Stellen leisten zwar Zuschüsse für die Grundversorgung der Kinder, nicht aber für die auch aus unserer Sicht notwendige pädagogische und kulturelle Betreuung.

Als Verantwortlicher für das Projekt ist Herr Rudolf Becker (Verwaltung), Groß-Umstadt, bestellt. Die Abwicklung und die Kassenführung erfolgt durch das Pfarrbüro unter maßgeblicher Beteiligung ehrenamtlicher Helfer. Spenderverwaltung: Melanie Wendt (Dieburg). Für unabwendbare Auslagen, wie Porto und Bankgebühren, steht ein kleiner Sonderetat zur Verfügung; Verwaltungsaufwendungen zu Lasten des Spendenfonds fallen demzufolge nicht an. Auch die Kosten für Besuche des Projektes werden von den Beteiligten jeweils privat getragen.

Insgesamt ist gewährleistet, dass alle eingehenden Spenden jeweils in voller Höhe dem Projekt zu gute kommen.

Spendenkonto
Pfarramt St. Peter und Paul, Dieburg/Miguel Couto

Sparkasse Dieburg

IBAN DE74 5085 2651 0129 0003 37

BIC HELADEF1DIE

Berichte aus Casa do Menor

SDFV Fabian Jestaedt

Die Monatsberichte finden Sie auf den Seiten des BDKJ: Berichte Fabian Jestaedt

SDFV Johanna Dangl

Die Monatsberichte finden Sie auf den Seiten des BDKJ: Berichte Johanna Dangl

SDFV Joseph Ludwig

Die Monatsberichte finden Sie auf den Seiten des BDKJ: Berichte Joseph Ludwig

SDFV Leonard Beck

März 2012, für mich der Monat der großen Veränderungen während meines Auslandsdienstes. Nach einigen Problemen bei meiner Arbeit mit den Jungs von Casa Rensascer entschied ich mich meinen Arbeitsplatz zu wechseln. Nach Gesprächen mit meinem Verantwortlichen Marcio Antonio haben wir uns für das Centro Cultural (Kulturzentrum) von Casa do Menor entschieden.

Denn hier gibt es sehr viel zu tun, da dieses Kulturzentrum 6 Monate lang ohne Leitung war. Was gibt es im Kulturzentrum: 3 mal pro Woche wird ein Fußballtraining angeboten, 2 mal pro Woche gibt es ein Zirkusprojekt und jeden Samstagvormittag versuchen wir eine breite Palette an Angeboten zu schaffen, zurzeit gibt es schon Capoeira (brasil. Kampftanz), Futsal, Perkussion, Tanzen und Hip Hop. Alle Angebote in dem Kulturzentrum sind kostenlos und für alle interessierten Jugendlichen.

Meine Arbeit sollte vor allem darin bestehen, die Registrierung von allen Teilnehmern zu machen und dann auch ein wenig Elternarbeit, um über unsere Angebote auf zu klären und ähnliches.

Doch da das gesamte Zentrum in sehr schlechtem Zustand war gab es erst mal einiges anderes zu tun, wie den Pool wieder reinigen und benutzbar machen, oder den Tanzraum renovieren oder auch einige einfache Reinigungsarbeiten. So habe ich in diesem Monat auch mal Sachen gelernt wie zum Beispiel Fliesen legen oder Beton mischen. Bei dem Großteil der Arbeiten helfen uns immer wieder Jungs von dem Haus von Casa do Menor, welches sich direkt neben dem Zentrum befindet, Casa Vida. In diesem Heim sind Jungs zwischen 12 und 17, somit im perfekten Alter um auch mal richtig mit an zu packen. Dadurch ist es auch etwas abwechslungsreicher als alleine zu arbeiten.

Da ich meistens auch bei Casa Vida zu Mittagesse bleibe ich oftmals auch noch ein oder zwei Stunden bei den Jungs und rede ein wenig mit ihnen oder mache andere Späßchen.

Insgesamt muss ich schon nach dem ersten Monat mit meiner neuen Arbeit sagen, dass es mir richtig Spaß macht, es ist schön am Ende des Tages sehen zu können, was ich zusammen mit den Jungs erarbeitet und geschafft habe. Sie sind genauso glücklich wie ich, wenn man sieht, dass wieder etwas fertig ist. Gerade da die Jungs wissen, dass sie am meisten davon profitieren, wenn alles wieder schön und nutzbar ist.

Des weiteren ist zu meinen Freizeitaktivitäten der Samstag im Kulturzentrum gekommen. Hier mache ich bei der Perkussionsgruppe zusammen mit Eva mit. Wir lernen verschiedenste Rhythmen von Samba über Olodum bis hin zu Funk ist alles dabei. Es ist super lustig zusammen mit den Jungs und Mädels zu trommeln und ein bisschen was für mein Rhythmusgefühl zu tun. Der Lehrer ist ein ehemaliges Kind von Casa do Menor, der seit kurzem eine eigene Wohnung hat, trotzdem aber immer noch mit Herzblut für Casa do Menor diesen Perkussionskurs anbietet.

Sonst ist das Leben in unserer Pousada um einiges lebendiger geworden, da wir nun insgesamt zu 7 sind und ich verstehe mich sehr gut mit den angekommenen Italienern und es gibt somit wieder eine Möglichkeit mehr, sich nach der Arbeit angeregt über die täglichen Erfahrungen aus zu tauschen.

 
Max Klyk 2011

Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich im Dezember hier berichtet habe wie wir mit den Straßenkindern Weihnachten auf der Straße gefeiert haben. Jetzt waren wir letzten Dienstag wieder mit Pater Renato in Rio und haben ein kleines Osterfest gefeiert. Das

2011 PeRenato in der Favela.

letzte Mal an Weihnachten waren wir mitten in der Stadt auf einem sehr belebten Platz in der Fußgängerzone. Dieses Mal waren wir ein bisschen außerhalb unter zwei Brücken, direkt da wo die Obdachlosen, Kinder und auch ein paar Ältere, wohnen. In der Stahlkonstruktion unterhalb der Brücke war ein kleines rundes Loch durch das man in das innere der Brücke gelangen konnte. Die Jugendlichen haben uns eingeladen uns ihr „Zuhause" anzuschauen und auch mal hinein zu kriechen. Aber Pater Renato hat uns sehr davor gewarnt, weil es viel zu gefährlich wäre, aber wir konnten doch mal reinschauen und auch ein paar Fotos schießen. Durch dieses Loch ist man einen etwa zwei Meter breiten und etwa 1.20 Meter hohen dunklen Gang gekommen in dem ein paar Matratzen und recht viel Müll lag. Einer der Jungen hat mir erzählt, dass man durch diesen Tunnel die Komplette Strecke der Brücken entlang gehen kann, aber davon hab ich nichts gesehen, weil alles nur schwarz und dunkel war. Sobald man nahe an das Eingangsloch gekommen war hat man den beißenden Geruch von Klebstoff wahrgenommen, der noch viel stärker im Inneren des Raumes war. Ich hab dort auch ein paar Flaschen gesehen aus denen die Leute den Klebstoff inhalieren.

Nachdem wir uns ein Bisschen mit den Leuten unterhalten haben, hat Pater Renato eine kleine Andacht gehalten, in der sich die Leute alle etwas von Gott wünschen konnten und um Erfüllung ihrer Träume bitten konnten. Ein Mädchen (12) hat sich zum Beispiel für die Möglichkeit eine Schule besuchen zu können gebetet. Ein anderer Junge (17), dass er seiner Mutter irgendwann ein Haus bauen kann. Die meisten hatten aber keine konkreten Träume und Bitten und so haben die meisten einfach um ein besseres Leben gebeten. Danach wurden alle noch gesegnet und es gab eine Kleinigkeit zu essen. Ein paar belegte Brötchen, ein bisschen Saft und ein paar Früchte, Kaki (eine Frucht die aussieht wie eine Tomate, aber recht süß ist). Am Ende gab es auch noch ein paar Süßigkeiten für alle, die wie immer am besten angekommen sind.

Nach dem Essen hatten uns zwei Jungen sehr viel vom Leben auf der Straße und in den Favels erzählt. Es war ein sehr interessantes Gespräch und ich hatte sogar die Möglichkeit alles zu filmen.
An diesem Tag war außerdem noch die Kelly, eine Krankenschwester, dabei, die die Kinder und Erwachsenen medizinisch beraten und mit ein paar Grundmedikamenten versorgt hat.

Alles in Allem war es ein sehr interessanter und bewegender Nachmittag, der uns mal wieder die hilflose Lage der Straßenkinder zeigte. Sie haben sich sehr über unseren Besuch gefreut und wir sind schon am überlegen, ob wir die Kinder bald wieder besuchen sollen.

 

Bastian Karstadt

Abenteuerwochenende

Jeder kennt dieses Gefühl eines langweiligen, normalen Wochenendes. Mit diesem Gefühl bin ich auch am Samstagmorgen aufgewacht. Den Samstagvormittag verbrachte ich mit den Kindern in der CIDAH. Zum Mittagessen ging es dann nach Casa Angelo, wo ich auch nachmittags blieb. Dort war es aber eher ruhig, weil die Kinder mit Gamecube spielen beschäftigt waren. Um 4Uhr gehe ich samstags immer Fußball spielen, aber aus irgendeinem Grund fiel es aus. Als ich dann enttäuscht in die Pousada zurückkehrte fand ich dort Carl und den Capoeiralehrer der CIDAH, Rildson, vor. Dieser lud uns dann auf eine Hochzeit ein. Wir waren uns nicht so sicher, weil wir die Leute gar nicht kannten. Aber wir haben uns gedacht kann ja lustig werden und wann kommt man schon mal auf eine brasilianische Hochzeit?! Also gings los nach St. Rita, wo wir das Haus beziehungweise Zimmer bestaunen konnten, in dem er wohnt. Dann sind wir ca. 2 Stunden oder länger durch den Ort gelaufen und haben mit Leuten erzählt, seine Eltern besucht, jemanden abholen wollen. ... Als wir dann bei der Hochzeit ankamen war die Party schon im Gange. Es war auch glücklicherweise kein Problem, dass wir mehr oder weniger uneingeladen dort waren. Es war eigentlich recht lustig da, wurde aber dann auch irgendwann ganz schön spät und wir wollten gerne nach Hause. Bis wir dann aber mit kleinen Verzögerungen wieder in der Pousada waren war es halb vier. ...

Sonntag 10 Uhr klingelt der Wecker und schmeißt uns aus dem Bett. Schnell, schnell geduscht und wieder nach St. Rita gefahren. Dort hat Rildson seine Capoeirasachen eingepackt und dann haben wir uns mit einem Mann getroffen, den wir auf der Hochzeit kennen gelernt haben. Dieser Mann wohnt in Rio in einer Favela und hat uns zu einer „roda de Capoeira" dort eingeladen.

Ich habe an diesem Tag so viel gesehen und erlebt dass ich gar nicht richtig beschreiben kann. Normalerweise hat man diese Chance eine Favela zu sehen nicht. Denn Favelas sind Orte abgeschnitten von der öffentlichen Regierung. Die örtliche Mafia hat dort die Kontrolle übernommen. Die ist auch überall präsent und nicht zu übersehen. In den Favelas leben die ganz armen Leute auf engstem Raum zusammen. Eine Favela ist ein Gewirr aus Häusern, engsten Gassen, Innenhöfen und Treppen. Für Ortsfremde quasi ein Labyrinth. Deshalb traut sich die Polizei auch nicht in die Favelas zu gehen.

Es hat viel Spaß gemacht die Capoeirakämpfe zu beobachten und ich habe mich entschlossen auch mit Capoeira anzufangen. Ich hatte leider keine Kamera dabei um Bilder zu machen, weil man das in der Favela nicht darf. Nach dem Capoeira wurden wir noch eingeladen um mit den Leuten noch etwas zu essen und zu trinken. Also ging es los durch das Labyrinth von Häusern, bis wir schließlich in einen ganz kleinen Innenhof zwischen aufgehängter Wäsche standen. Doch dann entschlossen sich die Leute die Feier auf dem Dach des nebenstehenden Gebäudes fortzusetzen, weil dort mehr Platz war. Dort war es dann echt lustig. Man konnte von dem 3-stöckigen, bestimmt ohne Architket gebauten Haus, den Sonnenuntergang, bei Musik und Scherzen, mit Ausblick über die Favela und einen Teil Rios, genießen. Leider mussten wir als das Grillen auf dem Dach anfing den Mann darauf drängen, dass wir gerne gehen möchten, denn die Heimfahrt dauert doch noch ein wenig länger.

Dieser Tag war sehr interessant. Auf der einen Seite die Lebensfreude der Leute, der Spaß bei Capoeira, die Gastfreundschaft. Auf der anderen Seite die krasse Armut, die schlimmen Wohnverhältnisse, außerdem viele entweder von Alkohol oder Drogen benebelte Leute. Am schlimmsten aber die Mafia, die Verherrlichung der Gewalt. Jungs jünger als ich mit schnellen, teuren Motorrädern, lässig die Pistole in der Hose und die Goldkette am Hals. Männer, die mit Sturmgewehren und Handgranaten am Rande der Straße auf Stühlen sitzen und Churrasco essen, wo 10m daneben die Kinder Fußball spielen .... ich kann diese Dinge immer noch nicht ganz in Worte fassen ...

Liebe Grüße Basti

P.S. Macht euch keine Sorgen! Wir waren mit absolut zuverlässigen Leuten da und hatten nach einem kurzen Kopfnicken auch die Erlaubnis der Mafia. Wer sich entscheidet nach Rio zu kommen und hier zu wohnen, ich habe ein Schild gesehen: „Verkaufe Haus 2 Zimmer, Wohnzimmer, Küche, Badezimmer für 5000€" Vielleicht sieht man am Preis des Hauses wie arm diese Menschen sind.

 

Carl von Alten

Liebe Freunde,

im Nachhinein war es vielleicht wirklich besser so. Ich habe mich bei der Abfahrt dahin ja noch geärgert, dass der Basti sie mal wieder mitgenommen hatte und habe mich dann etwas widerwillig an meinem freien Tag, den ich hatte, weil ich an Sylvester arbeiteten sollte, in den mit französischen Touristen, italienischen Freiwilligen, Padre Renato und mir völlig überfüllten Van gesetzt. Eigentlich bin ich auch nur wegen Padre Renatos insistierender Art eingestiegen, ich hatte mich schon so sehr auf den freien Tag gefreut.
Angekommen. Die Bilder, die ich immer noch im Kopf habe, sind so scharf, wie sie eine Kamera nie hätte aufnehmen können. Hätte ich Bastis Kamera mitgenommen hätte ich wahrscheinlich die ganze Zeit damit verbracht, Fotos zu schießen von der Schlafstätte, von den Flaschen, die alle in der Hand hatten, von den abwesenden Gesichtern, vom Müll, von den angewiderten Blicken der Fahrer der passierenden Autos, von den Streitereien und alles wäre an mir vorbeigegangen. So aber habe ich alle Bilder tief gespeichert und werde sie wohl nie mehr vergessen.

Unser Auto ließ uns unter einer Brücke raus und uns kamen Kinder zwischen sieben und fünfzehn Jahren entgegen, alle mit leerem Blick und lallender Stimme. Ich dachte ja zuerst noch, dass die Kinder, die hier unter einer stinkenden Brücke in São Christovão, einem Stadtteil von Rio, leben, alle geistig behindert sind, bis mir die Flaschen in ihren Händen aufgefallen sind, die alle mit etwas Klebstoff gefüllt waren und an denen sie immer wieder mal einen Zug nahmen. Ein Junge mit halbgeöffneten Augen, der besonders stark torkelte war vielleicht sechs, maximal sieben Jahre alt. Die meisten Mädchen, teilweise mit beeindruckend hübschen Gesichtern waren sichtbar schwanger. Im Freien unter der Brücke lagen einige alte Matratzen und in der Mitte stand ein großer Eimer, gefüllt mit leicht gelblichem Wasser, das, wie mir erklärt wurde, als Trinkwasser benutzt wird. In einem der Brückenpfeiler war ein Hohlraum, mit eingehauenem Eingang. Diese Höhle wird vermutlich seit Jahren sowohl als illegaler Müllabladeplatz, als auch als Schlaf- und Miteinanderschlafplatz der Kinder genutzt. Dieser Raum stinkt so erbärmlich wie auf einer Kläranlage, überall liegt verfaulender Müll rum und man sieht, dass der Ort manchmal als Toilette benutzt wird. Die Pappe und das dreckige Zeitungspapier, das auf der einen Seite rumlag, ist der eigentliche Schlafplatz.

Der Anlass für unsere Visite war zuerst einmal die Tradition, Padre Renato besucht diese Kinder jedes Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr, und zweitens die Taufe von zwei frisch geborenen Babys.

Dafür wurden zuerst die Kinder, es waren etwa 35, zusammengerufen, einige kamen sofort, andere kamen später, wieder andere gingen nach 2 Minuten wieder weg, ungefähr 15 aber blieben die ganze Zeit da und hörten aufmerksam Padre Renato zu, der die Weihnachtsgeschichte vorlas, machten immer wieder das Kreuzzeichen und viele hatten Tränen in den Augen.

Für die Taufe benutzte Padre Renato dann das Trinkwasser. Das Trinkwasser, so eklig, so stellvertretend für diesen Ort. Dieser Ort, unter der Brücke, der Ort, wo die Stadtverwaltung hofft, dass nichts Großes kaputt geht, damit sie niemanden hinschicken muss, zu den Kindern. Die Kinder, die vorbeifahrenden Autos, die Kinder, die ihr Leben nur betäubt wahrnehmen, die in der Mitte stehen bleiben, während alles weitergeht, während die Autos weiterfahren. Betäubt, taub, blind, schlafend und die Babys sind vom Taufwasser aufgeweckt worden.